Umstritten: Technische Richtlinie 03125 (TR VELS)


Verärgerung über die Empfehlungen des BSI: VOI kritisiert neue Technische Richtlinie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik
Compliance-Anforderungen: BSI soll eine technische Konformitätsprüfung zur Referenz-Architektur und ihren Schnittstellen bis auf Weiteres auszusetzen und das gesamte Architekturkonzept überdenken


Bernhard Zöller, VOI:
Bernhard Zöller, VOI: "Richtlinie ist für die Industrie und die Anwender nicht akzeptabel", Bild: VOI

(01.02.10) - In einem offenen Brief an den Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bezieht der Vorstand des VOI – Verband Organisations- und Informationssysteme e.V. Stellung zur Technischen Richtlinie (TR) 03125 (TR VELS). Diese hat die "vertrauenswürdige elektronische Langzeitspeicherung" zum Inhalt und erhebt den Anspruch, Unsicherheiten zu beseitigen sowie klare Orientierung zu geben. Hier moniert der VOI zum einen, dass das BSI für sich postuliere, mit dieser Richtlinie erstmalig Probleme der sicheren Einhaltung regulatorischer Anforderungen gelöst zu haben.

Solche Aussagen diskreditierten Zehntausende installierter Lösungen sowie das Produkt- und Lösungsangebot deutscher und internationaler Anbieter. Zum anderen führt der VOI-Vorstand, der eine Arbeitsgruppe zur BSI TR 03125 benannt hat, in seinem achtseitigen Schreiben eine lange Reihe von Punkten mit Diskussions- und Handlungsbedarf an.

Daher fordert der VOI in seinem Schreiben das BSI auf, eine technische Konformitätsprüfung zur Referenz-Architektur und ihren Schnittstellen bis auf Weiteres auszusetzen und das gesamte Architekturkonzept zu überdenken.

Der komplette offene Brief kann ab sofort unter www.voi.de eingesehen werden.
Bernhard Zöller, Vorstandsvorsitzender des VOI fasst zusammen: "Diese Richtlinie ist für die Industrie und die Anwender nicht akzeptabel. Sie definiert neue Anforderungen, ohne dass es hierfür neue Rechtsgrundlagen gäbe. Das BSI erhebt eine technische Handlungsoption zur allgemeingültigen – für alle Unternehmen auch außerhalb der Bundesverwaltung zu beachtenden Richtlinie, ohne ein Mandat hierfür zu haben; und das angesichts einer Reihe technischer und funktionaler Schwächen.

Sie stellt einen nationalen Sonderweg dar, der international isoliert ist und wäre zusätzlich für kleinere und mittlere Anwender nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand umsetzbar. Aus diesen und weiteren Gründen sehen wir uns gezwungen, zu reagieren und das BSI aufzufordern, in einen Dialog mit dem VOI einzutreten".

Die Technische Richtlinie 03125 des BSI beschreibt in einem differenzierten Katalog von verpflichtenden (Muss-), von empfohlen (Soll-) und auch von optionalen (Kann-) Anforderungen im Hinblick auf alle Elemente und Bereiche, in denen ein Gestaltungsbedarf besteht, um für Behörden und Institutionen wirkungsvolle, zukunftssichere und wirtschaftliche technische Szenarien für eine vertrauenswürdige Langzeitarchivierung elektronischer Dokumente und Daten aufzubauen.

Im Wesentlichen werden dabei empfohlene Dokumentenformate, ein empfohlenes Speicherformat für Archivdatenobjekte, Empfehlungen zu einer IT-Referenzarchitektur oder alternativen Architekturen, Anforderungen an Komponenten und an Module sowie deren Zusammenspiel behandelt. Auf der Basis des vorliegenden Anforderungskatalogs sollen nun, so das BSI, Anbieter und Produkthersteller zu dieser Richtlinie konforme Lösungsangebote entwickeln.

Fehlerhafte Richtlinie diskreditiert langjährige Anbieter
Die Richtlinie vermittelt den Eindruck, dass sie erstmalig ein Lösungsmodell zur rechtssicheren, dauerhaften Aufbewahrung elektronischer Unterlagen anbiete, was für den VOI als Branchenverband in einer 25-jährigen Industrie nicht nachvollziehbar ist. Außerdem weist die TR 03125 eine Reihe inhaltlicher Mängel auf, von denen der offene Brief aus Platzgründen nur einige auflistet.

Aus Sicht des VOI besteht daher dringender Änderungsbedarf, da die TR 03125 "Zehntausende installierter Lösungen und das Produkt- und Lösungsangebot der deutschen und internationalen Anbieter diskreditiert und außerdem technisch fehlerhaft ist und keine nicht-technischen Kriterien berücksichtigt, wie zum Beispiel die geforderte Ordnungsmäßigkeit des Gesamtverfahrens", so der Brief.

"Insbesondere der durch die Veröffentlichungen seit Dezember 2009 vermittelte Allgemeingültigkeitsanspruch steht dem BSI definitiv nicht zu", stellt Bernhard Zöller fest. "Die Idee, eine Signatur-basierte Lösung als einzige Handlungsoption für eine rechtssichere Archivierung zu positionieren, ignoriert schlichtweg die Tatsache, dass dieses Rad schon längst erfunden ist. Nicht nur, dass sich die TR mit ihren Spezifikationen von europäischen Entwicklungen abkoppelt, bedeuten die Formulierungen des BSI gleichzeitig einen Angriff auf die Lösungen der DMS-Anbieter und ihrer Kunden, denen suggeriert wird, ihre Lösungen seien nicht vertrauenswürdig."

Nach Sichtung und Bewertung der BSI TR 03125 hat der VOI-Vorstand schnell reagiert und dazu eine Arbeitsgruppe initiiert. Diese wird von Oliver Berndt (Leiter des VOI Competence Center Elektronische Signaturen) und Bernhard Zöller (stellvertretender Vorstandsvorsitzender des VOI) geführt.

Es ist nicht das erste Mal, dass unter den Mitgliedern des VOI Verwunderung bis hin zu Verärgerung über die Empfehlungen des BSI zum Thema elektronische Archivierung herrscht. Diese sind gelegentlich inhaltlich grob fehlerhaft oder faktisch nicht umsetzbar und wurden entsprechend in der Praxis bisher weitgehend ignoriert. So enthielten z. B. die Grundschutzkataloge vom Oktober 2008 trotz Hinweis durch den VOI nicht einhaltbare Empfehlungen zur Archivierung, zur Verwendung von WORM-Speichern, die es alle ausnahmslos – teilweise bereits seit vielen Jahren - nicht mehr gibt.

Bereits 2006 hatte der VOI dem BSI anlässlich der Diskussion um die Grundschutzkataloge ein konkretes Angebot zur (kostenfreien) Mitarbeit unterbreitet, das nicht angenommen wurde. Der Verband befürchtet jetzt, dass eine kontraproduktive Verwirrung bei uneingeweihten Interessenten und Anwendern geschürt wird, die in Handlungspassivität mündet und die ganzen Aktivitäten der Branche zur Akzeptanz von ECM- und DMS-Systemen (Enterprise Content- und DMS Dokumenten-Management-Systeme) ad absurdum führt. (VOI)

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