Plagiieren sei kein Bagatelldelikt


Compliance in der Wissenschaft: Deutscher Hochschulverband empört sich über Verharmlosung von Plagiaten
Verhaltenskodex mit Darstellung der Konsequenzen bei Verstoß muss den Studierenden schon mit der Immatrikulation überreicht werden


(03.03.11) - Ohne Karl-Theodor zu Guttenberg und die Unionsfraktion namentlich direkt anzugreifen, übt der Deutsche Hochschulverband massive Kritik an derzeit vorherrschenden Bagatellisierung des Plagiierens. "Der Deutsche Hochschulverband (DHV) nimmt mit Befremden, teils auch mit Erschrecken die Einschätzungen und Äußerungen aus Teilen der Politik und der veröffentlichen Meinung in der gegenwärtigen Diskussion über Plagiate zur Kenntnis", erklärte der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), Professor Dr. Bernhard Kempen.

"Wissenschaft ist die Suche nach Wahrheit. Sie lebt von Originalität und Eigenständigkeit. Der redliche Umgang mit Daten, Fakten und geistigem Eigentum macht die Wissenschaft erst zu Wissenschaft. Plagiate erschüttern daher die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft."

Plagiieren sei kein Bagatelldelikt. "Die Marginalisierung schwersten wissenschaftlichen Fehlverhaltens durch höchste Repräsentanten unseres Staates ist empörend", erklärte Kempen. "Es ist unerträglich, wie die Bedeutung der Wissenschaft und ihrer ehernen Gesetze politisch kleingeredet wird. Die im DHV vereinten 26.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler protestieren nachdrücklich gegen diese Respektlosigkeit. Wissenschaft ist kein Sandkasten, sondern ein elementar wichtiger Teil unserer Gesellschaft."

In der gegenwärtigen Diskussion gelte es, Balance zu halten. "Auf der einen Seite dürfen wir Wissenschaft nicht automatisch unter den Generalverdacht der Fälschung stellen. Auf der anderen Seite muss die Wissenschaft konsequent gegen Betrugsfälle vorgehen und immer wieder prüfen, ob sie alles tut, um Plagiatoren auf die Schliche zu kommen", betonte Kempen.

Im digitalen Zeitalter werde es immer leichter und verführerischer, fremdes Gedankengut per "Copy und Paste"-Befehl in eigene Arbeiten einzufügen und als eigene geistige Leistung auszugeben. "Ein hohes Entdeckungsrisiko und klar kommunizierte Sanktionsdrohungen sind der wirksamste Schutz vor wissenschaftlichem Fehlverhalten", so der DHV-Präsident.

Daher sollten die Hochschulen in ihren Prüfungsordnungen festschreiben, dass Arbeiten auch in digitaler Form abzugeben seien, damit Texte besser und schneller mittels sogenannter "Plagiats-Software" auf Übereinstimmungen mit fremden Texten abgeglichen werden können. Dies gelte auch für Promotionen. In den Prüfungsordnungen sollte zudem festgelegt werden, dass mit der Abgabe von Seminar- und Abschlussarbeiten eine eidesstattliche Erklärung abzugeben sei, nach der die vorgelegte Arbeit selbständig und ohne Hilfeleistung Dritter angefertigt worden sei.

Kempen nahm aber auch die Hochschullehrer in die Pflicht. Es sei die Aufgabe jedes Hochschullehrers, verstärkt auf Plagiate von Kollegen, Mitarbeitern und Studierenden zu achten. "Wegsehen" sei falsch verstandene Kollegialität und selbst ein wissenschaftliches Fehlverhalten. Zu den Kernaufgaben der Hochschullehrer gehöre, Studierende in die Kultur wissenschaftlichen Arbeitens einzuführen. "Die Erläuterung wissenschaftlicher Grundregeln muss zwingend Lehrstoff im ersten Semester werden", hob Kempen hervor. Ein Verhaltenskodex mit Darstellung der Konsequenzen bei Verstoß sei Studierenden mit der Immatrikulation zu überreichen. (DHV: ra)

Lesen Sie auch:
Liegt Urheberrechtsverletzung vor?
Plagiatsaffäre um Karl-Theodor zu Guttenberg
Arm an Scham, aber mit Freude im Amt
Ein Plagiat ist kein Amtsversagen
Plagiats-Affäre: Vorläufiges Ende
Zu Guttenberg kein Sponsor der Uni Bayreuth

DHV: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Datenschutz und Informationsfreiheit

    Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider ihren Tätigkeitsbericht vorgestellt. Dazu erklärt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung: "Das Amt der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist mit Blick auf die digitale Transformation und Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz eines der wichtigsten in Deutschland. Der vorgelegte Tätigkeitsbericht zeigt den eingeschlagenen und dringend notwendigen Perspektivwechsel der BfDI, die Datenschutz und verantwortungsvolle Datennutzung gleichermaßen in den Blick nimmt."

  • Bitkom zum "AI Continent Action Plan" der EU

    Die EU-Kommission hat den "AI Continent Action Plan" vorgestellt, mit dem Europa bei Künstlicher Intelligenz zu den aktuell führenden Nationen USA und China aufschließen will. Dazu erklärt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung: "Mit dem AI Continent Action Plan verschiebt die EU den Fokus von KI-Regulierung auf KI-Förderung - und dafür ist es höchste Zeit. Die europäischen Staaten können nur gemeinsam zu den führenden KI-Nationen USA und China aufschließen und die Grundlagen für eine wettbewerbsfähige, europäische KI schaffen. Eine KI aus Europa würde einen entscheidenden Beitrag zu Europas digitaler Souveränität leisten. Die aktuelle geopolitische Lage und die angespannten Handelsbeziehungen zu den USA machen dies notwendiger denn je."

  • Rückschlag im Kampf gegen Korruption

    Transparency Deutschland kritisiert den Koalitionsvertrag von Union und SPD als unzureichend im Hinblick auf Korruptionsbekämpfung und -prävention sowie Transparenz. Keine der drei Kernforderungen, die die Antikorruptionsorganisation bereits im Wahlkampf an die künftige Bundesregierung formuliert hatte, wurde im Koalitionsvertrag berücksichtigt. In der nächsten Legislaturperiode bleiben damit gravierende Defizite bestehen - und der Handlungsbedarf verschärft sich.

  • Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie

    Die Europäische Kommission hat am 26.02.25 mit der Omnibus-Richtlinie ein neues Paket von Vorschlägen zur Vereinfachung der EU-Nachhaltigkeitsvorschriften und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit vorgelegt. Stefan Premer, Principal Sustainability Consultant - Global Lead Climate Strategy bei Sphera, Anbieterin von Lösungen für das Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen, erläutert unten seine Sicht zu diesen Vorschlägen.

  • Risiken frühzeitig zu kontrollieren

    Die Regulierung von KI ist ein zentrales politisches und wirtschaftliches Thema - doch während Europa auf Vorschriften setzt, treiben die USA und China die Umsetzung voran. Die EU versucht mit dem AI-Act, Risiken frühzeitig zu kontrollieren, doch der technologische Fortschritt lässt sich nicht per Gesetz erzwingen. Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen, indem sie Transparenz fördern und Vertrauen schaffen - nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch für wirtschaftliche Vorteile.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen