Mitarbeiterdiebstähle & Videoüberwachung


Agad: Bundesarbeitsgericht offensichtlich bemüht, die Welt nach Emmely wieder gerade zu rücken - Videoüberwachung nur bei konkretem Verdacht gegen einen eingeschränkten Personenkreis
Diebstahl von zwei Packungen Zigaretten rechtfertigt auch bei langjähriger Betriebszugehörigkeit ordentliche Kündigung


(20.07.12) - Der Agad – Arbeitgeberverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. begrüßt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 21.06.2012 (2 AZR 153/11) über die verhaltensbedingte ordentliche Kündigung einer stellvertretenden Filialleiterin eines bundesweit tätigen Einzelhandelsunternehmens. Im Kern hat das BGA damit das Urteil der Vorinstanz (LAG Köln vom 18.11.2010 – 6 Sa 817/10) bestätigt, wonach trotz 18-jähriger Betriebszugehörigkeit der Klägerin zumindest die ordentliche Kündigung gerechtfertigt sei und nur die fristlose Kündigung für unwirksam erklärt wurde.

Das Einzelhandelsunternehmen hatte für drei Wochen im Dezember 2008 mit Zustimmung des Betriebsrats eine verdeckte Videokamera in den Verkaufsräumen installiert. Es habe nämlich der Verdacht bestanden, dass auch Mitarbeiterdiebstähle zu hohen Inventurdifferenzen beigetragen hätten. Auf dem Mitschnitt war zu sehen, wie die Klägerin bei zwei Gelegenheiten jeweils zumindest eine Zigarettenpackung aus dem Warenbestand entwendete.

"Diese Entscheidung ist im Kern zu begrüßen. In einer früheren Entscheidung des BAG war die heimliche Videoüberwachung zulässig, weil für Inventurdifferenzen eines Getränkemarktes nur noch zwei Mitarbeiterinnen in Betracht kamen und keine anderen Überführungsmöglichkeiten mehr bestanden. Das Problem dieses Falles könnte darin liegen, dass der Arbeitgeber sozusagen alle Mitarbeiter unter einen "Generalverdacht" gestellt hat. Insoweit reicht es dann auch nicht, dass der Betriebsrat der Überwachungsmaßnahme zustimmt. Es muss sich für eine Videoüberwachung ein konkreter Verdacht gegen einen eingeschränkten Personenkreis ergeben. Dieser Entscheidung ist aber das Bemühen anzumerken, "die Welt nach Emmely wieder gerade zu rücken".

Das BAG argumentiert hier erfreulicherweise nicht mehr mit dem über 18 Jahre aufgebauten "Vertrauenskapital", das der Arbeitnehmer sozusagen "sanktionslos wieder abbauen kann". Zwei Packungen Zigaretten können auch nach 18 Jahren Betriebszugehörigkeit eine zumindest ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen", erklärt Rechtsanwalt Dr. Oliver K.-F. Klug, Hauptgeschäftsführer des Agad.

Allerdings reicht dem BAG die Prüfung des LAG Köln zur Zulässigkeit der Videoüberwachung nicht aus. Zwar sei eine verdeckte Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Verkaufsräumen nicht generell unzulässig. Das Gebot des § 6 b Abs. 2 BSG, Videoüberwachungen in öffentlichen Verkaufsräumen kenntlich zu machen, führe nicht ohne weiteres zur Unzulässigkeit einer verdeckten Videoüberwachung.

Das BAG verweist in dieser Hinsicht auf die von ihm selbst aufgestellten Grundsätze, wonach

>> ein konkreter Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers bestehen muss;

>> es keine Möglichkeit zur Aufklärung durch weniger einschneidende Maßnahmen (mehr) geben darf und

>> die Videoüberwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig sein darf.

Für das BAG wurde in der Entscheidung des LAG Köln nicht hinreichend deutlich, worauf sich der Verdacht gegen die Klägerin ergab. Deshalb wurde der Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das LAG Köln zurückverwiesen. (Agad: ra)

Lesen Sie auch:
Management-Briefing: "Rechtskonforme Videoüberwachung"

Agad: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Hochkompetent, verantwortungsvoll, unabhängig

    Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD), eine seit über 40 Jahren aktive Bürgerrechtsorganisation, hat mit größtem Befremden zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung bis heute immer noch keine Verlängerung der Amtszeit des amtierenden Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Ulrich Kelber in Aussicht gestellt hat.

  • VdK-Präsidentin: "Riester-Rente ist gescheitert"

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Sparkassen-Klausel zu Riester-Abschlusskosten für unwirksam erklärt. Die Bank hatte Sparerinnen und Sparer nicht über alle Kosten des Riester-Vertrags informiert und dann zu Beginn der Auszahlphase einen Nachschlag verlangt.

  • Gesetzliche Verpflichtung zu Barrierefreiheit

    Zur Anhörung zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erklärt VdK-Präsidentin Verena Bentele: "Gerne erinnere ich das Bundesjustizministerium (BMJ) an den gemeinsamen Plan im Koalitionsvertrag, das Allgemeine Gleichstellungsgesetz umfassend zu novellieren. Hier müssen endlich klare gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die privaten Anbieter von Gütern und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit verpflichten. Trotz Absichtserklärungen und Ankündigungen hat das für das AGG zuständige Bundesjustizministerium bisher nichts vorgelegt."

  • Gesammelte Kommentare zur US "AI Executive Order"

    Am 30. Oktober 2023 hat US-Präsident Joe Biden die "AI Executive Order" erlassen. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse der Verordnung auf einen Blick.

  • Regulierung von Foundation Models

    Zur Debatte über eine mögliche Verzögerung beim EU AI Act, mit dem die Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz in Europa reguliert werden soll, erklärt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst: "Der AI Act ist die wohl wichtigste Entscheidung, die Europäisches Parlament und Kommission derzeit auf der Agenda haben."

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen