Kollaps des deutschen Bankensystems habe gedroht


Banken-Chefs: HRE-Pleite musste auf jeden Fall verhindert werden
HRE-Untersuchungsausschuss: Auswirkungen einer solchen Insolvenz weitgehender gewesen, als nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers


(31.07.09) - Eine Insolvenz der Hypo Real Estate Bank (HRE) musste im September 2008 unbedingt verhindert werden: Dies sei das einhellige Votum aller am sogenannten ersten Bankenrettungswochenende im September 2008 beteiligten Vertreter der Privatbanken gewesen, bestätigten sowohl der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Martin Blessing, als auch Wolfgang Sprißler, Vizevorsitzender des Aufsichtsrats bei der Hypo-Vereinsbank (HVB) und bis Ende 2008 deren Vorstandsvorsitzender am Mittwoch als Zeugen vor dem HRE-Untersuchungsausschuss.

Laut Sprißler wären die Auswirkungen einer solchen Insolvenz weitgehender gewesen, als nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers. "Der Kollaps des deutschen Bankensystems wäre nicht auszuschließen gewesen", sagte er. Blessing sprach von "verheerenden Auswirkungen" auf die deutsche Volkswirtschaft. An dem besagten Wochenende habe man sich daher um eine "tragfähige Lösung durch das private Bankgewerbe" bemüht, sagte Sprißler.

Dabei sei man von einem Finanzbedarf in Höhe von 15 Milliarden Euro ausgegangen, wie auch in einer Adhoc-Meldung der HRE verkündet. Tatsächlich habe sich jedoch ein Bedarf von 35 Milliarden ergeben, den zu leisten sich die Banken alleine nicht in der Lage gesehen hätten, bestätigten die Manager. Auf die Frage, ob nicht der Einlagensicherungsfond hätte greifen müssen, räumte Sprißler ein, dass dieser für "systemische Risiken" nicht konstruiert sei und man daher "andere Lösungen" gebraucht habe.

Für das von der Opposition stark kritisierte abwartende Verhalten der Bundesregierung an diesem Wochenende - der zuständige Staatssekretär Jörg Asmussen war erst am Sonntag gegen 17 Uhr zu den Verhandlungen gestoßen - zeigten die Zeugen Verständnis. Als deutlich geworden sei, dass eine Lösung ohne den Bund nicht erreicht werden könne, habe man sich zwar gewünscht, "dass jemand mit Statur früher gekommen wäre", wie Sprißler sagte. "Zwingend notwendig" sei jedoch eine Anwesenheit von Anfang an nicht gewesen. Auch Blessing hätte sich ein früheres Erscheinen gewünscht, räumte jedoch ein, dass diese "Strategie" der Bundesregierung für ein aus deren Sicht gutes Ergebnis gesorgt habe.

Am Ende der Verhandlungen, die am Sonntagabend nach Aussage beider Zeugen schon als gescheitert galten und erst gegen ein Uhr morgens einen erfolgreichen Abschluss fanden, hätten die Banken mit 8,5 Milliarden Euro deutlich mehr als die ursprünglich geplanten 2 Milliarden beigesteuert. Dass es dennoch schon zwei Wochen später einen erneut erhöhten Finanzbedarf von nun 50 Milliarden Euro gegeben hatte, führte Blessing auf die "schlechte Bonität der HRE" und die dadurch geforderten "erhöhten Sicherheiten" zurück.

Der ehemalige HVB-Vorstandvorsitzende Sprißler wehrte sich vor dem Ausschuss entschieden gegen die im Zusammenhang mit der Abspaltung der HRE von der HVB im Jahre 2003 erhobenen Verdächtigungen, mit der Auslagerung der Immobiliensparte in die HRE habe man praktisch eine "Bad Bank" gegründet. Es habe keine Abspaltung ausgewählter Portfolios nach dem Motto "die Guten in die HVB, die schlechten in die HRE" gegeben, sagte Sprißler.

Abgespalten wurden lediglich auf gewerbliche Immobilienfinanzierung spezialisierte Gesellschaften. Bedenken wegen einer eventuellen Nachhaftung für Verluste der HRE durch die HVB hätten laut Sprißler keine Rolle bei den Überlegungen zum Erhalt der HRE gespielt. Derartige Nachhaftungen kämen nur für bis 2003 entstandene Verbindlichkeiten in Frage. Die Probleme der HRE hätten hingegen erst mit dem Zukauf der irischen Bank Depfa im Jahr 2007 begonnen, sagte Sprißler. (Deutscher Bundestag: ra)

Lesen Sie auch:
HRE und "Drehbücher für einen Krisenplan"?
Krise der HRE mit Kauf der Depfa programmiert?
HRE: Schadenersatz gegen ehemaligen Vorstand?
Ex-Aufsichtsratschef der HRE greift Steinbrück an
HRE-Warnmeldung sei damals "überraschend" gekommen
HRE-Krise: Bankenaufsicht habe nicht geschlafen
Schieflage der Depfa und der Hypo Real Estate
HRE auf dem Weg in die Verstaatlichung
Finanzminister Steinbrück hat sein Ziel erreicht


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Risikostrukturausgleich der Krankenkassen

    Verschiedene gesetzliche Initiativen der vergangenen Jahre zielen nach Angaben der Bundesregierung darauf ab, unzulässige Einflussnahmen auf die Datengrundlagen des Risikostrukturausgleichs (RSA) der Krankenkassen zu verhindern und die Manipulationsresistenz des RSA zu stärken. Zuletzt sei mit dem "Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz" (GKV-FKG) 2020 die sogenannte Manipulationsbremse eingeführt worden, heißt es in der Antwort (20/14678) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/14442) der Unionsfraktion.

  • Souveräne Dateninfrastruktur

    Die Bundesregierung strebt eine effiziente, wirtschafts- und innovationsfreundliche Umsetzungsstruktur der europäischen KI-Verordnung an, die knappe Ressourcen klug einsetzt. Das antwortet die Bundesregierung (20/14421) der AfD-Fraktion auf eine Kleine Anfrage (20/14109).

  • FDP legt Gesetzentwurf für flexibleres Stromsystem

    Die FDP-Fraktion hat den Entwurf eines Gesetzes (20/14705) zur "Integration von Photovoltaik- und anderen Erneuerbare-Energien-Anlagen in den Strommarkt und zur Vermeidung solarstrombedingter Netznotfall-Maßnahmen" vorgelegt. Er soll einerseits der Umsetzung der "Wachstumsinitiative der damaligen Bundesregierung vom Juli 2024 dienen.

  • Fairer Wettbewerb im digitalen Sektor

    Bis zum 5. Dezember 2024 haben die Koordinierungsstelle für digitale Dienste in der Bundesnetzagentur (BNetzA) 747 Eingänge von Beschwerden erreicht. Bereinigt um Irrläufer und Spam seien 703 konkrete Beschwerden zu möglichen Verstößen gegen den Digital Services Act (DSA) eingelegt worden.

  • Provisionsverbot noch nicht absehbar

    Ob beziehungsweise inwieweit im Zuge der nationalen Umsetzung der EU-Kleinanlegerstrategie national Maßnahmen ergriffen werden könnten, um Provisionen für den Abschluss von Versicherungsverträgen zu verbieten oder zu deckeln, ist noch nicht absehbar. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/14411) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (20/14172) weiter mitteilt, haben die Trilogverhandlungen auf europäischer Ebene noch nicht begonnen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen