Ex-Aufsichtsratschef der HRE greift Steinbrück an


HRE-Untersuchungsausschuss: Finanzminister Peer Steibrück habe mit einer Äußerung über eine "geordnete Abwicklung" der HRE die Möglichkeiten der Bank zur Refinanzierung an den Kreditmärkten erheblich verschlechtert
Vor allem durch die von Steinbrück ausgelöste Entwicklung habe im Oktober eine Aufstockung des Rettungspakets um weitere 15 Milliarden auf 50 Milliarden Euro erforderlich gemacht

(22.06.09) - Scharfe Angriffe gegen Finanzminister Peer Steinbrück hat am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss, der die Vorgänge um die mit fast 90 Milliarden Euro an staatlichen Garantieren gestützte Krisenbank Hypo Real Estate (HRE) aufklären soll, Kurt Viermetz gerichtet. Der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende der HRE warf dem SPD-Politiker vor, nach der Einigung auf das erste 35-Milliarden-Euro-Rettungspaket für das Münchner Institut Ende September 2008 mit einer Äußerung über eine "geordnete Abwicklung" der HRE die Möglichkeiten der Bank zur Refinanzierung an den Kreditmärkten erheblich verschlechtert zu haben: "Das hat sehr großen Schaden angerichtet."

Vor allem durch die von Steinbrück ausgelöste Entwicklung habe dann im Oktober eine Aufstockung des Rettungspakets um weitere 15 Milliarden auf 50 Milliarden Euro erforderlich gemacht. Das Finanzministerium habe die Aussage des Ressortchefs zwar wieder korrigiert, "doch sie blieben in der Welt", so Viermetz. An den Finanzmärkten sei der Eindruck entstanden, der HRE "wird zwar geholfen, aber sie wird abgewickelt". Die Notwendigkeit des zweiten Rettungspakets sei fälschlicherweise der Bank angelastet worden.

Nach Darstellung des Zeugen kam Ende September 2008 in die stockenden Verhandlungen eines Bankenkonsortiums zur Rettung der HRE erst in der Schlussphase durch Finanz-Staatssekretär Jörg Asmussen Bewegung. Letztlich sei eine Einigung auf das 35-Milliarden-Paket spät in der Nacht nach Intervention von Kanzler Angela Merkel herbeigeführt worden.

Auf Nachfrage von CDU-Obmann Leo Dautzenberg sagte Viermetz, diese Feststellung über die Mitwirkung der CDU-Politikerin stütze sich auf Informationen mehrerer Verhandlungsteilnehmer.

Der frühere Aufsichtsratsvorsitzende Viermetz bezeichnete die HRE als "grundsolide Bank", die Mitte September 2008 nur durch den Zusammenbruch des Interbankenmarkts als Folge der unvorhersehbaren Pleite von Lehman Brothers in eine Krise geraten sei. Auch die irische Tochter Depfa, deren Schieflage das Debakel der HRE entscheidend verursacht hat, hätte sich aus Sicht des Zeugen ohne das Aus von Lehman weiterhin gut entwickelt. Die HRE habe trotz eines Verlusts von 390 Millionen Euro im Januar 2008 eine Eigenkapitalrendite von fast zehn Prozent erwirtschaftet. Auch der nach gründlicher Prüfung des Instituts erfolgte 25-Prozent-Einstieg des Großinvestors Flowers sei als Beleg zu werten, dass die HRE eine "intakte Bank" gewesen sei.

Viermetz erklärte, bei der nach der Lehman-Pleite nötig gewordenen Staatshilfe sei es nicht um die Abdeckung von Unternehmensverlusten durch den Steuerzahler gegangen, sondern um die vorübergehende Unterstützung bei der Bewältigung von Liquiditätsproblemen, weil die Geldbeschaffung wegen der "panikartigen Reaktion an den Finanzmärkten" immer schwieriger geworden sei. Nach dem Lehman-Fiasko sei die HRE noch drei Wochen durchfinanziert gewesen, und zu jenem Zeitpunkt hätte die Bank 40 bis 60 Milliarden an Sicherheiten für einen geringeren Liquiditätsbedarf bieten können.

Auf scharfe Kritik stieß der Auftritt von Viermetz bei der SPD. Obfrau Nina Hauer betonte, schon Stunden nach der Einigung auf das erste Rettungspaket und noch vor der Äußerung Steinbrücks sei der Aktienkurs der HRE um 75 Prozent eingebrochen, was damals die Börsenwerte des gesamten Bankensektors in die Tiefe gerissen habe. Zudem sei die Aussage Steinbrücks rasch wieder korrigiert worden und "nur zwei Stunden auf dem Markt gewesen", weswegen dies nicht der Grund für die Notwendigkeit des zweiten Rettungspakets im Oktober gewesen sein könne. Den erhöhten Finanzbedarf führte Hauer vielmehr auf unzutreffende Angaben der HRE über die Finanzlage der Bank während der Verhandlungen um das erste Rettungspaket zurück. Dies werde auch durch einen an die Bankaufsicht BaFin übermittelten Bericht der Deutschen Bank nach einer Prüfung der Depfa gestützt, so die SPD-Abgeordnete. (Deutscher Bundestag: ra)

Lesen Sie auch:
HRE-Warnmeldung sei damals "überraschend" gekommen
HRE-Krise: Bankenaufsicht habe nicht geschlafen
Schieflage der Depfa und der Hypo Real Estate
HRE auf dem Weg in die Verstaatlichung
Finanzminister Steinbrück hat sein Ziel erreicht


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Gleichstellung als verbindliches Förderkriterium

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (21/790) die Bundesregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichstellung von Frauen und Mädchen im organisierten Sport in Deutschland deutlich zu verbessern.

  • Ausbau der digitalen Infrastruktur

    Die von der schwarz-roten Koalition geplante Novelle des Telekommunikationsgesetzes ist bei einer Mehrheit der Sachverständigen auf Zustimmung zu den Zielen und Kritik an Details gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses zum TKG-Änderungsgesetz 2025 bezeichnete eine Reihe von Sachverständigen den Entwurf als ein wichtiges Signal für die Branche.

  • Auskunft zum Cum/Ex und Cum/Cum

    Zum Stichtag 31. Dezember 2023 befanden sich 380 Verdachtsfälle zur Steuergestaltung bei Cum-Ex-Geschäften bei den Obersten Finanzbehörden der Länder und beim Bundeszentralamt für Steuern mit einem Volumen nicht anrechenbarer/erstatteter Kapitalertragssteuer inklusive Solidaritätszuschlag von rund 3,8 Milliarden Euro in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/548) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion die Linke (21/310).

  • Kosten der Vermeidung von CO2-Emissionen

    Keine konkreten Angaben zu den Kosten, die ihre Pläne zur Vermeidung von CO2-Emissionen verursachen, macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/715) auf eine Kleine Anfrage (21/296) der AfD-Fraktion. Zur Begründung verweist sie darauf, dass Deutschland zur Erreichung der Klimaschutzziele auf ein "breites Spektrum aufeinander abgestimmter Klimaschutzmaßnahmen" setze. Diese dienten neben der Minderung von Treibhausgasen auch der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, dem sozialen Ausgleich sowie der langfristigen Transformation hin zur Klimaneutralität. Die Ausgestaltung der Klimaschutzmaßnahmen gehe dabei über eine "kurzfristige, rein statische Betrachtung der CO2-Vermeidungskosten" hinaus.

  • Steuerung des Windenergieausbaus

    An der von den Koalitionsfraktionen geplanten Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED III) besteht Nachbesserungsbedarf. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses zu dem Gesetzentwurf "zur Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie (EU) 2023/2413 für Zulassungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz, zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes, zur Änderung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes und zur Änderung des Baugesetzbuchs" (21/568) deutlich.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen