Korruption im Journalismus kaum erforscht


Studie: Unabhängiger Journalismus in Deutschland gefährdet
Fast zwei Drittel der Journalisten hat Korruptionsversuche schon selbst erlebt



Korruption, Erpressungsversuche sowie die inhaltliche Einflussnahme auf die Berichterstattung gehören anscheinend zum journalistischen Alltag in Deutschland. Zu diesem besorgniserregenden Ergebnis kommt die aktuelle Studie von Transparency International Deutschland e.V. "Korruption im Journalismus", die die Antikorruptionsorganisation zum Tag der Pressefreiheit am 3. Mai veröffentlichte. Die Ergebnisse wurden im Rahmen einer Masterarbeit "Korruption und Einflussnahme im Journalismus" am Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg gewonnen. Erstmalig in Deutschland sind Journalistinnen und Journalisten aller Mediengattungen und Ressorts danach befragt worden, wie sie Korruption wahrnehmen und welche eigenen Korruptionserfahrungen sie haben.

"Korruption im Journalismus ist kaum erforscht. Gerade deshalb wollten wir das Thema nicht nur erforscht sehen, sondern haben auch Experten gebeten, die Ergebnisse mit Fachbeiträgen zu ergänzen", erklärt Ulrike Fröhling, Leiterin der Arbeitsgruppe "Transparenz in den Medien" von Transparency Deutschland.

Die Ergebnisse werfen einen finsteren Schatten auf die vermeintliche Pressefreiheit im Land. 77 Prozent der Befragten halten Angebote von geldwerten Vorteilen an Journalisten für verbreitet, 69 Prozent haben eine solche Praxis schon selbst erlebt. Rund 44 Prozent halten es zudem für gängige Praxis, dass in Verbindung mit solchen Angeboten eine Veränderung der Berichterstattung eindeutig gefordert wird. Und rund 40 Prozent der befragten Journalistinnen und Journalisten sind insgesamt der Ansicht, dass korrupte Handlungen ein großes Problem im Journalismus in Deutschland darstellen.

Wirtschaftlicher Druck befördert Korruption
Besorgniserregend ist auch der Druck, der sich zunehmend aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Verlagen und Medienunternehmen gegenüber von beispielsweise Anzeigenkunden ergibt. Druck nehmen zudem Journalistinnen und Journalisten seitens ihrer Medienunternehmen und Auftraggeber wahr. "Auf struktureller Ebene nehmen die Journalisten Druck sowohl von außen als auch von innen wahr: 70 Prozent der befragten Journalisten halten Pressionen und Erpressungsversuche durch Unternehmen für verbreitet. Rund 29 Prozent der Befragten haben ein solches Vorgehen eines Unternehmens schon einmal selbst erlebt, 46 Prozent davon in den letzten 12 Monaten. Von den 29 Prozent, die selbst schon einmal in einer solchen Situation waren, gaben sogar 15 Prozent an, ihre Berichterstattung aufgrund dieser Drohungen verändert zu haben", heißt es in der Studie.

"Ohne Pressefreiheit kann eine demokratische Gesellschaft nicht existieren. Glaubwürdige Medien mit freien und verantwortungsvollen Journalistinnen und Journalisten sind notwendig, um erforderliches Wissen und Bewusstsein für eine demokratische Mitgestaltung zu produzieren und zu vermitteln. Vor allem Journalistinnen und Journalisten sind es, mehr noch als Politik und staatliche Institutionen, die gesellschaftliche und politische Missstände aufdecken", kommentiert Prof. Jürgen Marten, stellv. Vorsitzender von Transparency Deutschland, die Untersuchungsergebnisse. Und: "So wie einerseits klar ist, dass eine gesellschaftlich wirksame Bekämpfung der Korruption der Unterstützung durch die Medien bedarf, wird andererseits ein zunehmender bedrohlicher Einfluss korruptiver Aktivitäten auf die Tätigkeit von Journalisten deutlich erkennbar."

Zum Hintergrund
Die Durchführung der Online-Befragung erfolgte im April 2015. Um auf die Untersuchung aufmerksam zu machen, sind alle großen Journalistenverbände/-organisationen um Mithilfe bzw. Verbreitung des Befragungslinks gebeten worden. Zudem wurden neben Redaktionen auch gezielt Multiplikatoren aus der Journalismus- und Medienbranche angesprochen und ebenfalls um Mithilfe gebeten. Des Weiteren wurde der Link zur Befragung in verschiedenen Branchenforen geteilt. Insgesamt lagen am Ende des Erhebungszeitraums 418 vollständig ausgefüllte Fragenbögen vor.
(Transparency: ra)

eingetragen: 04.05.16
Home & Newsletterlauf: 08.06.16

Transparency International: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Studien

  • Betrug bereits im Vorfeld verhindern

    Banken und Online-Händler können ihre Fähigkeit, risikoreiche und schwer zu entdeckende betrügerische Transaktionen zu erkennen, erheblich verbessern, indem sie geteilte Betrugsinformationen in ihre Risikobewertungen einbeziehen, so die Ergebnisse des neuesten Global State of Fraud Report von LexisNexis Risk Solutions.

  • Detaillierte Einblicke in die Gehaltsstrukturen

    APSCo (Association of Professional Staffing Companies) Deutschland veröffentlicht den ersten umfassenden Gehaltscheck für die Staffing-Branche und schafft damit eine wichtige Grundlage für mehr Gehaltstransparenz. Die Ergebnisse unterstützen Staffing-Unternehmen in ihrer Vorbereitung auf die bevorstehenden Anforderungen der EU-Richtlinie zur Gehaltstransparenz, die ab 2026 verpflichtend wird.

  • Gute Bedingungen für GenAI-Anwendungen

    Ein Großteil der weltweiten KI-Investitionen fließt in den Finanzsektor. 2023 wurden in der Branche 87 Milliarden US-Dollar in KI investiert - deutlich mehr als im Gesundheitswesen (76 Milliarden) oder in der Telekommunikations- und Medienbranche (75 Milliarden).

  • 9 Prozent der Unternehmen nutzen generative KI

    Die deutsche Wirtschaft nimmt bei Künstlicher Intelligenz Fahrt auf. Erstmals beschäftigt sich mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Unternehmen mit KI. Jedes fünfte Unternehmen (20 Prozent) nutzt bereits KI. Vor einem Jahr waren es erst 15 Prozent, 2022 nur 9 Prozent. Mehr als jedes Dritte (37 Prozent) plant oder diskutiert derzeit den KI-Einsatz, nach 28 Prozent 2023 und 25 Prozent 2022.

  • Studie zu Lieferkettengesetzen

    Für neun von zehn Unternehmen in Deutschland ist Personalmangel die größte Hürde bei der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG). Das zeigt eine neue Studie der EQS Group in Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Ansbach. Während Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich nur ein geringes Risiko für LkSG-Verstöße sehen, schätzen sie dieses bei ihren mittelbaren Lieferanten deutlich höher ein.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen