Keine positiven Auswirkungen auf die IT-Sicherheit


"IT-Sicherheitsgesetz: Bundesinnenministerium ohne Konzept"
Stellungnahme des Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. zum Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-Sicherheitsgesetz) vom 4. November 2014

(10.12.14) - Nach dem Willen der Bundesregierung sollen neue Maßstäbe im Bereich der Cybersicherheit gesetzt werden. Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière sprach in diesem Zusammenhang davon, dass die IT-Systeme und digitalen Infrastrukturen Deutschlands die sichersten weltweit werden sollen. Zur Umsetzung dieser Vorgaben wurde das sog. "IT-Sicherheitsgesetz" entworfen. Damit sollen insbesondere Betreiber kritischer Infrastrukturen (Energie, Finanzen, Logistik, Telekommunikation und Gesundheit), sog. KRITIS, vor Cyberangriffen geschützt werden, deren Ausfall weitreichende Folgen für die Gesellschaft hätte. Der erste Entwurf des Gesetzes wurde bereits im März 2013 vorgelegt. Der zweite Entwurf wurde im August 2014 veröffentlicht. Gegenwärtig liegt den Verbänden der dritte Entwurf vom November 2014 vor.

Der Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V (CSRD) hat die Entwicklung von Anfang an begleitet und muss leider feststellen, dass die vorgeschlagenen Regelungen keine positiven Auswirkungen auf die IT-Sicherheit in Deutschland haben werden. Arne Schönbohm, Präsident des Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V., stellt diesbezüglich fest: "Es wird deutlich, dass das Bundesinnenministerium kein Konzept zur Steigerung der IT-Sicherheit in Deutschland hat. Den Verbänden wurde mittlerweile der dritte Gesetzesentwurf vorgelegt, obwohl die Abstimmung zwischen den Ressorts noch immer nicht abgeschlossen ist. Der Entwurf sieht nicht einmal vor, welche finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit die Behörden ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen können."

Obwohl Verbände und Datenschützer in den letzten Monaten konstruktiv am geplanten IT-Sicherheitsgesetz mitgewirkt haben, sind etliche Kritikpunkte noch nicht ausreichend gewürdigt worden:

>> Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist vollkommen unverhältnismäßig. Nach dem aktuellen Entwurf sollen auch Unternehmen ab 10 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 2 Mio. Euro unter die strengen Vorgaben des Gesetzes fallen. Bei einem Ausfall derartiger Unternehmen kann aber kaum von einer flächendeckenden Versorgungsgefahr gesprochen werden.

>> Zur Vermeidung von Doppelregulierungen soll das Gesetz für bestimmte Branchen nur subsidiär gelten. Dabei wurden jedoch wichtige Details übersehen. So regelt das Energiewirtschaftsgesetz die Meldepflicht von Netzbetreibern, während das IT-Sicherheitsgesetz auch auf Betreiber von Energieanlagen abstellt. Darunter sind auch Betreiber von Energieanlagen zu verstehen, die lediglich nebenbei eine Photovoltaikanlage in Betrieb halten (z.B. große landwirtschaftliche Betriebe, mittelständische Unternehmen). Eine Meldepflicht für diese Unternehmen ist realitätsfern und unverhältnismäßig.

>> Betreiber Kritischer Infrastrukturen im Energiesektor werden aufgrund der Anwendung des EnWG inkl. des dort angedachten IT-Sicherheitskataloges nach §11 Abs.1a, wesentlich benachteiligt gegenüber anderen Betreibern kritischer Infrastrukturen.

>> Der geplante Zeitrahmen von zwei Jahren für die Entwicklung, Zertifizierung und Umsetzung branchenspezifischer IT-Sicherheitsstandards ist unrealistisch. Dies gilt insbesondere für international operierende Unternehmen, die sich verschiedenen Regelungen anpassen müssen.

>> Der Bund selbst und seine Verwaltung verstehen sich seit dem dritten Entwurf nicht mehr als KRITIS. Anscheinend halten sie das Gesetz für nicht praktikabel, weshalb sie sich von dessen Umsetzung ausnehmen wollen. Was die Länder betrifft, so wurde die ursprüngliche Übertragung von Kompetenzen auf das BKA gestrichen. Nach Angaben des Ministeriums seien die Länder mit der gegenwärtigen Fassung zufrieden, es hätten sich aber auch noch nicht alle Länder am Verfahren beteiligt. Dies verdeutlicht zum einen, dass die Länder ihre eigenen Interessen über den Schutz der KRITIS stellen und zum anderen, dass die inhaltliche Abstimmung in diesem Bereich nicht ausreichend koordiniert ist.

>> Die Einbindung der verursachenden Industrie (Soft- und Hardwarehersteller) wurde komplett vernachlässigt.

>> Das Ministerium hat in seiner letzten Anhörung klargemacht, dass der Entwurf schnellstmöglich zur Abstimmung gebracht werden soll. Damit wurden die politischen Ziele über den Sachverstand der beteiligten Verbände gestellt. Diese haben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Gesetz erhebliche Kosten für die Wirtschaft zur Folge haben wird. Derartige Kosten sind nur gerechtfertigt, wenn das Gesetz auch tatsächlich die IT-Sicherheit erhöht, was bislang nicht angenommen werden kann.

In letzter Konsequenz wird deutlich, dass es anscheinend keine konsistente Cyber-Sicherheitsstrategie des Bundes gibt, die die verschiedenen Belange von Wirtschaft, Wissenschaft und Strafverfolgung berücksichtigt. Durch die Einführung eines solchen Gesetzes würde die Bürokratie ausgebaut und das Ansehen Deutschlands zu Fragen der Cyber-Sicherheit geschmälert. Am Ende würde das Gesetz in seiner aktuellen Fassung sogar zu deutlich weniger Sicherheit führen. (Cyber-Sicherheitsrat Deutschland: ra)


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Weitere Maßnahmen sollten folgen

    Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) begrüßt die Entscheidung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), den sektoralen Systemrisikopuffer für Wohnimmobilienfinanzierungen von zwei auf ein Prozent zu senken. Damit reagiert die Aufsicht auf die veränderten Marktbedingungen und kommt einer Forderung der Kreditwirtschaft nach. Der Schritt ist ein wichtiges Signal für die differenzierte und verantwortungsvolle Anwendung makroprudenzieller Instrumente.

  • Dringend gesetzliche Klarheit & Bürokratieabbau

    Als am 1. Juli 2024 die Pflegepersonalbemessungsverordnung (PPBV) in Kraft getreten ist, waren sich die meisten Krankenhäuser über die weitreichenden Folgen vermutlich noch gar nicht im Klaren. Denn: Auch wenn der ursprüngliche Gedanke aus dem Gesundheitsministerium durchaus begrüßenswert ist - nämlich Pflege und Versorgung im Gesundheitswesen zu verbessern - ist es wieder einmal das Wie, das eine Besserung der oftmals dramatischen Lage verhindert. In der Praxis erweist sich die Verordnung nämlich nicht als pragmatische Lösung für bessere Arbeitsbedingungen oder einen Abbau von zeitintensiver Bürokratie, sie ist ziemlich genau das Gegenteil: ein bürokratisches Monster, das an inhaltlicher Komplexität seinem eigenen Namen in nichts nachsteht.

  • Stärkung der Demokratie notwendiger denn je

    Transparency Deutschland (TI-D) hat den Koalitionsvertrag der neuen Regierung geprüft - die Bilanz fällt weitgehend ernüchternd aus. Mit Blick auf Lieferkettengesetz, Geldwäschebekämpfung sowie Klima- und Umweltpolitik seien leider erhebliche Rückschritte zu erwarten.

  • Bewertung von PCI DSS 4.0

    Am 31. März 2025 trat die neueste Version des Payment Card Industry Data Security Standard (PCI DSS) in Kraft - Version 4.0*. PCI DSS 4.0 verlangt nicht nur, dass digitale Identitäten eindeutig Personen zugeordnet werden, sondern legt zudem den Fokus auf die Aufrechterhaltung robuster Sicherheitsmaßnahmen angesichts sich ständig weiterentwickelnder Cyberbedrohungen. Organisationen, die mit Zahlungskartendaten arbeiten, müssen verbesserte Sicherheitsanforderungen umsetzen - darunter auch starke Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA).

  • EU-Richtlinie gegen Diskriminierung muss kommen

    Auf EU-Ebene fanden weitere Verhandlungen zur "5. Antidiskriminierungsrichtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung" statt. Der Sozialverband VdK fordert die Bundesregierung auf, sich endlich dafür einzusetzen, dass diese verabschiedet wird.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen