Sozialauswahl eines Arbeitgebers


Personalanpassungsmaßnahmen: Betonung des Lebensalters bei Sozialauswahl führt zu Überalterung von Belegschaften, sagt Agad
Agad plädiert dafür, zumindest zu Kontrollzwecken mit einem vom BAG gebilligten Punkteschema zu arbeiten


(11.08.11) - Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (Az: 4 Sa 1122/10) hat die Sozialauswahl eines Arbeitgebers aufgrund einer Stellenzusammenlegung zwischen einem 53- und einem 35-Jährigen zugunsten des jüngeren Mitarbeiters für unwirksam erklärt. Dabei ging das LAG davon aus, dass bei einem 35-Jährigen "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass er nicht von Arbeitslosigkeit betroffen gewesen wäre." Rechtsanwalt Dr. Oliver K.-F. Klug, Geschäftsführer des Agad - Arbeitgeberverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. kritisiert, dass sich allgemeine, an bloßen Lebensalterszahlen festmachende Aussagen zur Vermittlungsfähigkeit von Arbeitnehmern nicht aufstellen lassen und die Kriterien des § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) kritisch zu sehen sind.

"Bei einer zu starken Betonung des Lebensalters überaltern alle Belegschaften bei größeren Personalanpassungsmaßnahmen. Auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist als Kriterium fraglich. Dadurch werden die flexiblen Arbeitnehmer benachteiligt. Einem Langzeitarbeitslosen wird nach erfolgreicher Vermittlung kaum einleuchten, dass er wieder als Erster von einer Kündigung betroffen sein muss. In solchen Fällen empfiehlt es sich aus unserer Sicht dennoch, zumindest zu Kontrollzwecken mit einem vom BAG einmal gebilligten Punkteschema zu arbeiten.

Selbst wenn das Lebensalter wie bei vielen Punkteschemata nur bis 50 mit einem vollen Punkt, danach mit einem halben Punkt gezählt wird, hätte der Kläger immerhin 51,5 Punkte durch sein Alter gewonnen. Er hätte damit bei gleicher Betriebszugehörigkeit allein aus dem Alter einen Vorsprung von 16,5 Punkten gegenüber dem jüngeren Mitarbeiter gehabt. Kein vom BAG bisher gebilligtes Punkteschema sieht aber für zwei Kinder mindestens 16,5 Punkte vor. Insofern dürfte es sich in diesem Fall vertreten lassen, dass der Ermessenspielraum überschritten wurde, allerdings nicht mit der Begründung des LAG. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesarbeitsgericht diese Entscheidung, zumindest in der Begründung, aufhebt", erklärt der Agad-Geschäftsführer.

Das LAG führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass das Lebensalter des Klägers mit 53 Jahren im Zeitpunkt der Kündigung im schlechtestmöglichen Bereich liege, was die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die Perspektiven anbelange. Das Alter des bevorzugten Mitarbeiters mit 35 Jahren sei demgegenüber geradezu optimal. Nach Auffassung des LAG bestehe ein unstrittiger Erfahrungswert dahingehend, dass mit steigendem Lebensalter die Vermittlungschancen generell sinken. Ausfluss dieses Erfahrungssatzes sei auch die gesetzgeberische Entscheidung, sachgrundlose Befristungen mit Mitarbeitern nach Vollendung des 52. Lebensjahres zu erleichtern (§ 14 Abs. 2 TzBfG).

Ganz anders sehe die Situation bei einem 35-Jährigen aus. Ein 35-Jähriger habe typischerweise seine Berufsausbildung abgeschlossen und bereits einige Jahre Berufspraxis hinter sich, was ihn zu einem besonders gefragten Teilnehmer am Arbeitsmarkt werden lasse. Zitat: "Ein 35-Jähriger zeigt typischerweise auch noch keine altersbedingten Abnutzungserscheinungen, mit häufigen und längeren Erkrankungen ist bei ihm nicht zu rechnen." (Agad: ra)

Agad: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Berichtspflichten dürfen kein Selbstzweck sein

    Die Europäische Kommission hat ihre Omnibus-Initiative zur Vereinfachung der ESG-Regulierung vorgestellt. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) hat bereits im Vorfeld Vorschläge gemacht, wie das Regelwerk effizienter und steuerungsrelevanter werden kann.

  • Vereinfachung von Nachhaltigkeitsvorschriften

    Die EU-Kommission legte ihr erstes sogenanntes Omnibus-Paket zur Vereinfachung von Nachhaltigkeitsvorschriften vor, um Regulierungen und Bürokratie abzubauen. Zugleich sollen mit dem Clean Industrial Deal (CID) wichtige industriepolitische Weichen gestellt werden.

  • FIDA-Einführung belastet Finanzsektor erheblich

    Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) fordert eine umfassende und sorgfältige Überprüfung des Vorschlags der Europäischen Kommission zur Financial Data Access Regulation (FiDA). Die Debatte um das neue Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission bis hin zu einer Rücknahme des FiDA-Vorschlags verdeutlicht den erheblichen Klärungsbedarf in zentralen Fragen.

  • EU-Regulierung von Online-Marktplätzen

    Zur Mitteilung der EU-Kommission zu den aktuellen Herausforderungen im Bereich von E-Commerce-Plattformen erklärt Dr. Bernhard Rohleder, Bitkom-Hauptgeschäftsführer: "Die EU-Kommission schlägt mit ihrer Mitteilung den richtigen Weg ein. Wer online einkauft, muss sich auf die Sicherheit der angebotenen Produkte verlassen können. Dafür braucht es allerdings keine weiteren Regeln, sondern stärkere Importkontrollen und die Aufhebung der Zollfreigrenze von 150 Euro. Denn wenn außereuropäische Händler unter Ausnutzung dieser Grenze illegale Produkte einführen, gefährdet das nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch europäische Anbieter."

  • Künstliche Intelligenz: Was für Unternehmen gilt

    Seit Sonntag, 2. Februar 2025 sind weitere Regelungen der europäischen KI-Verordnung (AI Act) in Kraft. Dabei handelt es sich zum einen um Verbote von bestimmten KI-Praktiken wie Social-Scoring-Systemen, manipulative KI-Techniken oder Emotionserkennung am Arbeitsplatz. Zum anderen greifen Vorgaben für KI-Kompetenzanforderungen von Beschäftigten.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen