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Wettbewerb auf bestimmten Kurzstrecken


EU-Kommission genehmigt geplanten Erwerb einer Beteiligung an ITA Airways durch Lufthansa unter Auflagen
Um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, legten Lufthansa und das MEF ein Paket von Abhilfemaßnahmen vor



Die Europäische Kommission hat den geplanten Erwerb der gemeinsamen Kontrolle über ITA Airways ("ITA") durch die Deutsche Lufthansa AG ("Lufthansa") und das italienische Wirtschafts- und Finanzministerium ("MEF") nach der EU-Fusionskontrollverordnung genehmigt. Die Genehmigung ist an die Auflage gebunden, dass Lufthansa und das MEF die von ihnen angebotenen Abhilfemaßnahmen vollständig umsetzen.

Der Beschluss folgt auf eine eingehende Prüfung des Vorhabens, einschließlich der Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte. Lufthansa und ITA betreiben ein weitreichendes Streckennetz von ihren jeweiligen Drehkreuzen in Belgien, Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien aus. Ihre Tätigkeiten sind weitgehend komplementär, da sie von verschiedenen Drehkreuzen in Mitteleuropa bzw. Italien aus agieren. Die Lufthansa arbeitet im Rahmen von Gemeinschaftsunternehmen mit United Airlines und Air Canada für transatlantische Strecken sowie mit All Nippon Airways für Strecken nach Japan zusammen. Derzeit laufen die Geschäfte für ITA gut, aber ob sich das Unternehmen ohne diese Übernahme eigenständig langfristig behaupten könnte, wäre sehr zweifelhaft.

Prüfung der Kommission
Im Rahmen ihrer eingehenden Prüfung holte die Kommission umfangreiche Informationen und Rückmeldungen von Marktteilnehmern und anderen Interessenträgern ein, unter anderem von konkurrierenden Fluggesellschaften, Flughäfen, Geschäftskunden, Verbraucher- und Fluggastverbänden sowie von einzelnen Verbraucherinnen und Verbrauchern, die sich an die Kommission gewandt haben.

Aufgrund ihrer Marktuntersuchung hatte die Kommission Bedenken, dass die Übernahme in der ursprünglich angemeldeten Form Folgendes bewirkt hätte:

>> Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf bestimmten Kurzstrecken für Direktflüge und Flüge mit einer Zwischenlandung zwischen Italien und mitteleuropäischen Ländern. Auf diesen Strecken i) stehen Lufthansa und ITA im direkten Wettbewerb oder hätten wahrscheinlich in Kürze im direkten Wettbewerb gestanden, ii) ist der Wettbewerb begrenzt und geht in erster Linie von Billigfluggesellschaften wie Ryanair aus, die oftmals von abgelegeneren Flughäfen aus tätig sind.

>> Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf bestimmten Langstrecken zwischen Italien und den USA und Kanada. Da sich Lufthansa und ihre Joint-Venture-Partner United Airlines und Air Canada in Bezug auf Preise, Kapazitäten und Flugpläne abstimmen und die Einnahmen teilen, behandelt die Kommission bei der Beurteilung dieser Übernahme die Tätigkeiten von ITA, Lufthansa und ihren Joint-Venture-Partnern wie die eines einzigen Unternehmens. ITA und die Joint-Venture-Partner von Lufthansa stehen bei Direktflügen auf diesen Strecken im direkten Wettbewerb miteinander, und von anderen Fluggesellschaften geht kein nennenswerter Wettbewerbsdruck aus.

>> Entstehung oder Stärkung einer beherrschenden Stellung von ITA am Flughafen Mailand-Linate, sodass es für Wettbewerber möglicherweise schwieriger geworden wäre, auf den Strecken von und nach Mailand-Linate Passagierluftverkehrsdienste anzubieten.

Vorgeschlagene Abhilfemaßnahmen
Um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, legten Lufthansa und das MEF ein Paket von Abhilfemaßnahmen vor, das Folgendes umfasst:

>> Verpflichtungszusagen für Kurzstrecken: Lufthansa und das MEF stellen einem oder zwei konkurrierenden Fluggesellschaften die erforderlichen Mittel zur Verfügung, um Direktflüge zwischen Rom oder Mailand und bestimmten Flughäfen in Mitteleuropa anbieten zu können. Die betroffenen Gesellschaften müssten diese Strecken während eines Mindestzeitraums bedienen. Lufthansa und das MEF werden auch sicherstellen, dass eine dieser konkurrierenden Fluggesellschaften Zugang zum Inlandsflugnetz von ITA erhält, um indirekte Verbindungen zwischen bestimmten Flughäfen in Mitteleuropa und bestimmten italienischen Städten außer Rom und Mailand anbieten zu können.

>> Verpflichtungszusagen für Langstrecken: Nach dem Zusammenschluss wird das Unternehmen Vereinbarungen – z. B. Interlining- oder Slot-Swap-Vereinbarungen – mit Wettbewerbern schließen, um deren Wettbewerbsfähigkeit auf den betreffenden Langstrecken zu verbessern. Das wird zu mehr Direktflügen und/oder besseren Verbindungen für Flüge mit einer einzigen Zwischenlandung auf allen Strecken führen. Die Kommission berücksichtigte bei ihrer Prüfung, dass das MEF nach der Übernahme noch eine Kontrollbeteiligung an ITA halten und weiter daran interessiert sein wird, dass ITA in Nordamerika mit den Joint-Venture-Partnern von Lufthansa konkurriert, zumindest bis ITA in das Gemeinschaftsunternehmen integriert ist.

>> Verpflichtungszusagen für den Flughafen Mailand-Linate: Lufthansa und das MEF werden die Start- und Landeslots am Flughafen Linate den Gesellschaften übertragen, die von den Verpflichtungszusagen für Kurzstrecken betroffen sind. Es sollen mehr Slots übertragen werden als für den Betrieb der Kurzstrecken erforderlich wären und durch die Übernahme in das Portfolio von ITA übergegangen wären. Dadurch werden die Gesellschaften, denen die Slots übertragen werden, am Flughafen Linate eine tragfähige Basis errichten können und möglicherweise ihre eigenen Verbindungen mit einer Zwischenlandung zwischen Italien und Mitteleuropa anbieten können.

Ihren Verpflichtungszusagen zufolge können Lufthansa und das MEF die Übernahme erst vollziehen, nachdem die Kommission die Gesellschaften genehmigt hat, die von den Verpflichtungszusagen für Kurzstrecken, Langstrecken und Mailand-Linate betroffen sind. Die Kommission wird die Eignung dieser Gesellschaften im Rahmen eines separaten Genehmigungsverfahrens prüfen.

Mit diesen Verpflichtungszusagen werden die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission in vollem Umfang ausgeräumt.

Die Kommission ist deshalb zu dem Ergebnis gelangt, dass die Übernahme angesichts dieser Zusagen den Wettbewerb nicht mehr beeinträchtigen dürfte. Die Genehmigung ist an die Auflage geknüpft, dass die Verpflichtungszusagen vollständig erfüllt werden. Das wird von einem unabhängigen Treuhänder unter Aufsicht der Kommission überwacht.

Unternehmen und Produkte
ITA ist eine italienische Fluggesellschaft mit umfassendem Dienstleistungsangebot ("Full-Service Carrier"), die In- und Auslandsflüge zur Beförderung von Fluggästen und von Luftfracht anbietet. Ihre wichtigsten Drehkreuze befinden sich in Rom und Mailand. ITA wurde im Oktober 2020 vom italienischen Staat gegründet. Die Fluggesellschaft ist Mitglied der SkyTeam-Allianz.

Der weltweit aufgestellte Full-Service Carrier Lufthansa mit Sitz in Deutschland bietet In- und Auslandsflüge zur Beförderung von Fluggästen und von Luftfracht an. Die wichtigsten Drehkreuze der Lufthansa befinden sich an den Flughäfen Frankfurt, München, Zürich, Wien und Brüssel. Zu ihren Tochtergesellschaften zählen Austrian Airlines, Brussels Airlines, Eurowings, Swiss International Airlines und Air Dolomiti. Lufthansa ist Mitglied der Star Alliance, eines transatlantischen Gemeinschaftsunternehmens mit United Airlines und Air Canada, und eines Gemeinschaftsunternehmens mit All Nippon Airways für Strecken zwischen dem EWR und Japan.

Das MEF nimmt die Aufgaben und Zuständigkeiten der italienischen Regierung in den Bereichen Wirtschafts-, Finanz-, Haushalts- und Steuerpolitik wahr. Es hält Beteiligungen an öffentlichen und strategisch wichtigen Unternehmen in Italien, auch im Verkehrssektor, und ist derzeit alleiniger Anteilseigner von ITA. Die Unternehmen, an denen das MEF Beteiligungen hält, sind weltweit tätig. (EU-Kommission: ra)

eingetragen: 10.07.24
Newsletterlauf: 03.09.24


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