Reaktion der Finanzmärkte völlig unklar


Fraktionen erwarten Belastungen für deutsche Wirtschaft durch die Katastrophe Japan
Aber: Für die deutsche Wirtschaft sei Japan sowohl als Markt als auch als Zulieferer nur von begrenzter Bedeutung


(30.03.11) - Alle Fraktionen erwarten Auswirkungen der Katstrophe in Japan auf die deutsche und globale Wirtschaft. So machte die CDU/CSU-Fraktion in einer Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie deutlich, die Auswirkungen seien wegen der wirtschaftlichen Verflechtung und der internationalen Arbeitsteilung keineswegs so marginal, wie das oft dargestellt werde.

Die SPD-Fraktion äußerte sich ähnlich. Sie wies außerdem darauf hin, dass der Wiederaufbau in Japan einen riesigen Finanzbedarf auslösen werde. Japan habe aber schon einen großen Schuldenberg, so dass die Gefahr drohe, dass die zusätzlichen Anleihen eventuell nicht mehr im Inland abgesetzt werden könnten. Japan könne außerdem den Verlust an Stromerzeugungskapazität nicht durch erneuerbare Energien ausgleichen, so dass es durch steigende Nachfrage massive Auswirkungen auf die Weltmärkte für Öl und Gas geben könne. Auch die FDP-Fraktion erwartet "gravierende Auswirkungen".

Die Linksfraktion erklärte, die Katastrophe von Japan komme in einer Zeit, wo die Weltwirtschaft nicht stabil, sondern hochfragil sei. Die Weltwirtschaft sei aus der Krise noch nicht heraus. Die "scheinbare Erholung" könne stoppen. Die Reaktion der Finanzmärkte sei völlig unklar. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verwies auf die Schuldenprobleme aller Industrienationen. Die "Summe der Schocks" werde bedrohlich.

Die Bundesregierung hatte zuvor in einem Lagebericht zu den Auswirkungen der Katastrophe in Japan die Erwartung geäußert, weder die deutsche noch die Weltwirtschaft würden nachhaltig zurückgeworfen. Die Chancen stünden gut, dass die japanische Industrie die Folgen der Katastrophe schnell überwinden würde. Die Krisenregion stehe nur für 4 Prozent des japanischen Bruttoinlandsprodukts. Es seien aber dort Zulieferbetreibe ansässig, deren vorübergehender Ausfall sich andernorts bemerkbar machen könne. Für die deutsche Wirtschaft sei Japan sowohl als Markt als auch als Zulieferer nur von begrenzter Bedeutung. Japan liege auf Rang 18 der für Deutschland wichtigsten Handelspartner.

Zu den energiepolitischen Auswirkungen erklärte der Vertreter der Bundesregierung, die sieben ältesten Atommeiler würden während der Sicherheitsüberprüfung vom Netz genommen. Die Bundesregierung werde die ergebnisoffene Sicherheitsüberprüfung abwarten und die richtigen Schlüsse ziehen. Es stehe aber heute schon fest, "dass der bereits eingeschlagene Weg eines grundlegenden Umbaus unseres Energiesystems weiter beschleu-nigt werden muss". Ein Abschalten von Reaktoren und der Umbau des Energiesystems würden sich aber "nicht unerheblich" auf die Strompreise auswirken, erwartet die Regierung. Die Netze müssten schneller ausgebaut werden. Die Bundesregierung werde der Netzstabilität "allerhöchste Priorität" einräumen.

Über die Folgen der Katastrophe für die Energieversorgung gingen die Meinungen zwischen Koalitions- und Oppositionsfraktionen weit auseinander. Für die Unionsfraktion ist die öffentliche Debatte oft von Verantwortungslosigkeit geprägt. In Veröffentlichungen sei "fast herbeigesehnt" worden, dass es schlimmer komme. Auch die FDP-Fraktion zeigte sich sehr befremdet, dass die Katastrophe von Japan "fast nur unter dem Aspekt der eigenen Nabelschau" betrachtet werde.

Die Unionsfraktion erklärte, es sei klar, dass nach den Vorfällen in den japanischen Reaktoren zunächst innegehalten werde. Es gebe allerdings bei keiner Technologie 100prozentige Sicherheit. Die Kernkraft habe dafür gesorgt, dass 150 Millionen Tonnen Kohlendioxid weniger ausgestoßen würden, erinnerte die Unionsfraktion, die sich für eine einheitliche europäische Kraftwerkssicherheitsstrategie aussprach.

Auch die FDP bezeichnete die Prüfung der Atomreaktoren in Deutschland als "ergebnisoffen" und warnte davor, "ein Kernkraftwerk zu schließen, um der Hysterie Rechnung zu tragen". Wer aus der Atomkraft aussteigen wolle, müsse sagen, wo er einsteigen wolle.

Die SPD-Fraktion sprach von einem "atemberaubenden Kurswechsel der Koalition", die mit ihrem Energiekonzept auf der ganzen Linie gescheitert sei. Ein Sprecher der SPD-Fraktion warf der Koalition vor, den Ausbau von Wind- und Solarenergie zu behindern. Und gegen die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid mit der CCS-Technologie sollten die Länder ein Vetorecht erhalten. Das Moratorium der Regierung sei allein aus wahltaktischen Überlegungen erfolgt.

Die Linksfraktion sah "Aktionismus" bei der Regierung. Deren Strategie, dass die Bürger die Vorfälle in Japan vergessen würden, wenn sie nicht mehr so dramatisch klingen würden, werde nicht aufgehen. Es sei hochproblematisch, an die Stelle der unkalkulierbaren Kernenergie mit CCS eine andere unkalkulierbare Energie zu setzen, warnte die Linksfraktion.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erinnerte an die Aussage der Bundesregierung, dass es in Deutschland die sichersten Kernkraftwerke der Welt gebe. Jetzt werde erklärt, dass diese Kraftwerke noch sicherer gemacht werden sollten. Zum Thema Netzausbau warnte die Fraktion vor Eingriffen in Beteiligungsrechte: Je weniger Bürgerbeteiligung es von Anfang an gebe, desto geringer sei später die Akzeptanz.

Die Regierung wies darauf hin, dass 8 Gigawatt gesicherte Leistung mit dem Abschalten der Reaktoren wegfallen würden. Das sei etwas anderes als 8 Gigawatt aus Photovoltaik, deren Strom angesichts von 1.000 Sonnenstunden im Jahr von insgesamt 8.760 Stunden nicht mit gleicher Regelmäßigkeit fließe. (Deutscher Bundestag: ra)


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