Schleichender Prozess der Deindustrialisierung?


Es geht um 40.000 Arbeitsplätze: Koalition und SPD verlangen Maßnahmen für energieintensive Betriebe
Bundesregierung: Deutschland hat in der EU den teuersten Industriestrom

(18.05.12) - Die SPD-Fraktion hat von der Bundesregierung schnelle Maßnahmen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit besonders energieintensiver Betriebe verlangt. Man habe in der Vergangenheit oft Kritik an nicht zielgerichteten Strompreisvergünstigungen geübt, erklärte ein Sprecher der SPD-Fraktion in einer Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie am. Aber im Fall der Aluminiumindustrie gehe es um wirklich energieintensive Betriebe. Insgesamt gehe es um 40.000 Arbeitsplätze. Es müsse Ausnahmeregelungen für Betriebe geben, die angesichts hoher Strompreise nicht mehr mithalten könnten, um eine Verlagerung von Arbeitsplätzen zu vermeiden.

Die Abgeordneten hatten das Thema auf die Tagesordnung gesetzt, nachdem in Voerde (Nordrhein-Westfalen) eine Aluminiumhütte Insolvenz angemeldet hatte. Der Vertreter der Bundesregierung erläuterte dazu im Ausschuss, Deutschland habe in der EU den teuersten Industriestrom. Die Bundesregierung verhandele in Brüssel über Möglichkeiten, dass mehr für die energieintensive Industrie getan werden könne. Außerdem verwies er darauf, dass die Verordnung über abschaltbare Lasten in Vorbereitung sei. Damit soll Betrieben, wenn sie zeitweilig auf Strombezug verzichten und dadurch das Netz stabilisieren, eine Ausgleichsleistung gewährt werden. Es gebe aber die Besorgnis, dass die Verbraucher zu stark belastet werden könnten, wurde erläutert. Die Gespräche seien enorm schwierig. Die Verordnung solle zum 1. Januar 2013 in Kraft treten.

Ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion erklärte, man befinde sich offenbar bereits in einem schleichenden Prozess der Deindustrialisierung und des Verlusts wichtiger Wertschöpfungsketten. Den betroffenen Branchen müsse geholfen werden. Sonst werde es in Deutschland bald keine dieser besonders energieintensiven Industrien mehr geben. Die FDP-Fraktion unterstützte die Appelle aus CDU/CSU und SPD zum Erhalt der Industrie. Es müsse dringend etwas geschehen, sonst verliere man den Anfang einer wichtigen Wertschöpfungskette. "Das wäre verheerend", so die FDP-Fraktion.

Nach Ansicht der Linksfraktion wurde von dem in Insolvenz gegangenen Unternehmen in Voerde der Strom am Markt zu teuer eingekauft. Die Hütte sei nicht wegen der allgemein hohen Strompreise in Probleme geraten. Ein Sprecher der Fraktion verlangte Informationen, wohin die Ermäßigungen für energieintensive Betriebe gehen würden. Es handele sich um zehn Milliarden Euro.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen warf der CDU/CSU-Fraktion vor, mit dem Gerede von der Deindustrialisierung die deutsche Wirtschaft schlechtzureden. Negativszenarien würden nicht weiterhelfen. Schließlich sei Deutschland Exportweltmeister (*). Die Aluminiumindustrie sei ein Sonderfall, da sie wegen starken Strombedarfs besonders von hohen Preisen betroffen sei. Doch dürfe dies nicht verallgemeinert und zum Entwerfen von Zusammenbruchs-Szenarien verwendet werden. (Deutscher Bundestag: ra)

(*) Anmerkung der Redaktion:
"Exportweltmeister" war 2011 China vor den USA. Knapp dahinter Deutschland auf Platz 3 vor Japan (Platz 4) und Niederlande (Platz 5). Rückblickend war Deutschland in den letzten 5 Jahren in 2007 und 2008 ein sogenannter "Exportweltmeister".
Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Welthandel/Tabellen_und_Grafiken


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