NSU: Warum wurde Aktenwahrheit geschreddert?


Untersuchungsausschuss bemüht sich um Aufklärung der Aktenvernichtungen? - Fraktionen fordern sofortigen Stopp von Aktenschredderei
Vertuschungsaktion: Grünen-Obmann Wolfgang Wieland erklärte, auch das Bundesinnenministerium (BMI) gehe inzwischen davon aus, dass die Aktenvernichtung "absichtlich und planvoll" geschehen sei


(25.07.12) - Die Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses haben die deutschen Behörden aufgefordert, die Vernichtung von Akten mit Bezug zum Rechtsextremismus sofort einzustellen. Die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern sollten keine Akten mehr vernichten, die der Ausschuss, der die Hintergründe der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Mordserie aufklären soll, für seine Arbeit benötigen könnte, erklärten die Abgeordneten nach Ende ihrer knapp dreistündigen Sondersitzung einhellig. Der Ausschuss werde sofort entsprechende Briefe mit dieser Forderung an die zuständigen Ministerien verschicken. "Diese Löscherei muss ein Ende haben", sagte Union-Obmann Clemens Binninger. Und auch FDP-Obmann Hartfrid Wolff bezeichnete einen Vernichtungsstopp bei Bund und Ländern als "dringend notwendig". Er zeigte sich "fassungslos" darüber, "wie die Sicherheitsbehörden mit den Akten umgehen und umgegangen sind".

Vor dem Untersuchungsausschuss hatte der von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eingesetzte Sonderermittler zur Aufklärung der Aktenvernichtungen, Hans-Georg Engelke, zuvor seinen Zwischenbericht vorgetragen. Im Ergebnis bezeichnete der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD), den schon länger bekannten Fall von Aktenvernichtung beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als "gezielt": "In der .. Sitzung ist nachdrücklich klar geworden, dass es eine Vertuschungsaktion gegeben hat", sagte Edathy. Auch die Abgeordneten der anderen Fraktionen bezweifelten nach Engelkes Ausführungen, dass die Vernichtung von sieben Akten zu V-Leuten in der Thüringer Neonazi-Szene, die an mehreren Tagen im November 2011 stattgefunden hatte, Zufall gewesen sein kann.

Grünen-Obmann Wolfgang Wieland erklärte, auch das Bundesinnenministerium (BMI) gehe inzwischen davon aus, dass die Aktenvernichtung "absichtlich und planvoll" geschehen sei: "Der Nebel, welches Motiv dahinter stand, hat sich heute aber leider in keiner Weise gelichtet", so Wieland. Clemens Binninger zitierte Engelke mit den Worten, dass es sich bei der Schredder-Aktion entweder um "maximale Schlamperei" oder "eine gezielte Aktion" gehandelt haben müsse.

Einen weiteren bekannt gewordenen Fall von Aktenschredderei, kritisierten die Ausschussmitglieder ebenfalls heftig. Danach hat auch das Bundesinnenministerium im November 2011 die Vernichtung von Akten des Verfassungsschutzes angeordnet. Nach Aussagen des BMI hätten diese Unterlagen jedoch nichts mit der NSU zu tun gehabt. Es habe es sich lediglich um Protokolle zur Telefonüberwachung von Rechtsextremisten gehandelt, die nach Ablauf der Speicherfrist schon vor einigen Jahren "fristgerecht" hätten gelöscht werden müssen. Dies sei im November 2011 mit Verzug geschehen, ohne dass die Akten vorher nochmals inhaltlich geprüft worden wären.

Die Obfrau der Linksfraktion, Petra Pau, zeigte sich angesichts dieser Darstellung "ratlos": "Es ist unerklärlich, warum ein offensichtlich eingetretener Aktenstau ausgerechnet im November 2011 und nur für den Bereich Rechtsextremismus im Schredder abgearbeitet werden musste." Pau kritisierte, es sei offenbar versäumt worden, die Mitarbeiter aller Behörden und Ministerien nach dem Auffliegen der NSU-Zelle im November 2011 für die Tatsache zu sensibilisieren, "dass alles noch in irgendeiner Weise noch relevant werden könnte" für die Ermittlungen und den Untersuchungsausschuss.

Sebastian Edathy bezeichnete es als eine "erhebliche Unsensibilität", dass noch nach dem Auffliegen der Terrorzelle Abhörmaßnahmeprotokolle und andere Akten vernichtet worden seien, die unter anderem die Bildung von terroristischen Vereinigungen seitens der rechten Szene zum Inhalt hatten. (deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • AfD will Gebäudeenergiegesetz abschaffen

    Die AfD-Fraktion will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abschaffen und verlangt in einem Antrag (21/227) außerdem, auf die CO2-Bepreisung von Heizöl und Gas zu verzichten. Die entsprechenden Vorschriften sollen "schnellstmöglich, vollständig und ersatzlos" gestrichen werden. Zudem soll die Umsetzung aller entsprechenden EU Verordnungen und Richtlinien (etwa der sogenannte Green Deal der EU) sowie damit verbundene Regulierungen wie der CO2-Grenzausgleich sofort beendet werden.

  • Änderung der Verordnung (EU) 2017/625

    Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen drängt auf eine verpflichtende Produktkennzeichnung für Lebensmittel, die genomisch verändert wurden. Anlass ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die im Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel vorgelegt hat.

  • Steuerhinterziehung & Cum-Cum

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in einem Antrag (21/226), organisierte Steuerhinterziehung wie die sogenannten Cum-Cum-Deals aufzuklären und die Steuermilliarden konsequent zurückzufordern. Dazu sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängert werden. Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

  • Ausschuss gegen Cum-Cum-Antrag der Grünen

    Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Organisierte Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Deals aufklären, Steuermilliarden konsequent zurückfordern und Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängern" (21/226) abgelehnt. Für den Antrag stimmten neben der Antragstellerin die Fraktionen der AfD und Die Linke.

  • Versorgungslage signifikant verbessert

    Die Inbetriebnahme des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Frühwarnsystems bei Arzneimittel-Lieferengpässen in einer funktionsfähigen Basisversion ist nach Angaben der Bundesregierung für das vierte Quartal 2025 vorgesehen. Der Aufbau des Frühwarnsystems habe insbesondere bei der Beobachtung und Bewertung der Versorgung mit antibiotikahaltigen Arzneimitteln für Kinder unterstützende Daten geliefert, heißt es in der Antwort (21/338) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/171) der AfD-Fraktion.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen