Abwrackprämie unter Experten umstritten


Die Umweltprämie als Instrument der Wirtschaftsförderung: Eine "Vernichtung von Vermögen", was "ökonomisch unsinnig und ökologisch fragwürdig" sei
Umweltprämie sei ein "Jobmotor" - Angekündigte Kurzarbeit sei in einigen Unternehmen wieder aufgehoben worden


(19.05.09) - Die Umweltprämie als Instrument der Wirtschaftsförderung ist unter Experten umstritten. In einer Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie am letzten Mittwoch zum Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Investitions- und Tilgungsfonds" (16/12662) lobten Autohersteller, Kfz-Gewerbe und Gewerkschaft die bei einem Neuwagenkauf für die Verschrottung des Altautos gezahlte Abwrackprämie von 2.500 Euro.

Kritik kam von Umweltorganisationen, die jede ökologische Wirkung vermissten. Mit dem Gesetzentwurf sollen die zur Verfügung gestellten Mittel für die Abwrackprämie von 1,5 auf 5 Milliarden Euro erhöht werden. Die Finanzierung erfolgt über eine höhere Schuldenaufnahme des "Investitions- und Tilgungsfonds".

Klaus Bräunig vom Verband der Automobilindustrie erklärte in der Anhörung, die Prämie habe sich für viele Unternehmen in der Automobilindustrie bewährt, um die Krise abzufedern und den Autoabsatz im Inland deutlich anzukurbeln. So sei der deutsche Pkw-Markt von Januar bis April dieses Jahres um 18 Prozent auf knapp 1,25 Millionen Einheiten gewachsen. Das entspreche einem Mehrabsatz von gut 200.000 Autos im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Umweltprämie sei ein "Jobmotor", weil sie Arbeitsplätze bei Herstellern, Zulieferern und Händlern in Deutschland sichere. Angekündigte Kurzarbeit sei in einigen Unternehmen wieder aufgehoben worden. Der immer wieder kritisierte Mitnahmeeffekt liege bei gerade mal 11 Prozent. Außerdem helfe die Umweltprämie, Kohlendioxid einzusparen. Bräunig wies aber darauf hin, dass die Lage im Nutzfahrzeugbereich dramatischer werde. Viele Spediteure bekämen keine Finanzierung für neue Lastkraftwagen.

Babette Fröhlich von der Industriegewerkschaft Metall bestätigte, dass es im Kleinwagenbereich eine große Nachfrage gebe. Dafür gebe es aber Kurzarbeit im Bereich der Mittel- und Oberklasse, wo sich die Prämie nicht auswirke. Insgesamt geht die Gewerkschaft aber davon aus, dass durch die Umweltprämie 200.000 Arbeitsplätze gesichert werden.

Auch Ulrich Dilchert vom Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes bezeichnete die Prämie als "unerwartet wirkungsvolle Unterstützungsmaßnahme zum Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen" und "mit Abstand wirksamste Maßnahme des Konjunkturpakets II". Dilchert wies das Argument der Mitnahmeeffekte zurück. Viele Halter von über neun Jahre alten Fahrzeugen hätten wieder einen alten Wagen erworben und keine Prämie erhalten. Die Zuwächse bei den Neuzulassungen seien ein Beleg für die Wirksamkeit der Prämie. In anderen europäischen Ländern ohne entsprechende Unterstützungsmaßnahmen sei die Zahl der Neuzulassungen um bis zu 50 Prozent gesunken.

Dagegen empfahl Thorben Becker (Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland), die Prämie sofort einzustellen, weil mit ihr eine enorme Ressourcenverschwendung einhergehe. Viele noch voll funktionsfähige Fahrzeuge würden in den Schrottpressen landen.

Professor Justus Haucap (Universität Erlangen-Nürnberg), Vorsitzender der Monopolkommission, sprach ebenfalls von einer "Vernichtung von Vermögen", was "ökonomisch unsinnig und ökologisch fragwürdig" sei. Mit der Umwelt habe das Programm kaum etwas zu tun. Neuwagen seien größer als die zu verschrottenden Kleinwagen und hätten oft eine Klimaanlage. Die Prämie habe ein kurzfristiges Konjunkturfeuer entfacht. In den nächsten Jahren werde diese Nachfrage fehlen.

Jürgen Resch (Deutsche Umwelthilfe) kritisierte die Prämie als "rückwärtsgewandte Industriepolitik". Mit 5 Milliarden Euro Kosten sie sie das teuerste Programm weltweit, das zudem auf jede ökologische Lenkungswirkung verzichte. Es entstehe die "absurde Situation", dass Autos mit grüner Feinstaubplakette verschrottet und dafür neue Fahrzeuge mit doppelt so hohem Spritverbrauch und Kohlendioxid-Ausstoß gefördert würden. (Deutsche Bundesregierung: ra)

Lesen Sie auch:
Abwrackprämie jetzt bis Ende 2009


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Internationale Standards und Normen

    Nach Ansicht der Bundesregierung werden im Amtsblatt der EU veröffentlichte harmonisierte europäische Normen nicht generell Teil des Unionsrechts, auch wenn die EU-Kommission aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes eine andere Meinung vertritt. Dies erklärt die Bundesregierung in der Antwort (20/15026) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/14834).

  • Treibhausgas (THG)-Emissionen

    Die sektorenübergreifenden Treibhausgas (THG)-Emissionen sind seit dem Jahr 2021 deutlich gesunken,wobei alle Sektoren bis auf den Verkehr Rückgänge verzeichneten. Die Geschwindigkeit der THG-Emissionsminderung variiert erheblich zwischen den Sektoren. Das geht aus einer Unterrichtung der Bundesregierung zum Gutachten des Expertenrats für Klimafragen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen, Trends der Jahresemissionsmengen und zur Wirksamkeit von Maßnahmen hervor (20/14900).

  • Regierung: Berichtspflichten zu umfangreich

    Die Berichtspflichten für Unternehmen sind nach Auffassung der Bundesregierung im internationalen Wettbewerb zu umfangreich. Dazu zählt die Regierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion auch Nachhaltigkeitsberichtspflichten. Die Offenlegung ähnlicher Sachverhalte solle weiter vereinheitlicht werden, um "Doppelreporting" zu vermeiden.

  • Digitale Souveränität in der Bundesverwaltung

    Über die Beschaffung und den Einsatz von IT-(Sicherheits-)Produkten durch den Bund als öffentlichen Auftraggeber informiert die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/14887) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (20/14226). Unter der Überschrift "Digitale Souveränität in der Bundesverwaltung" wird darin ein umfassender Überblick über die Beschaffung und Zulassung von einzelnen IT-Sicherheitsprodukten und -diensten gegeben.

  • Aktive Beteiligungsführung bei Unternehmen

    Die Bundesregierung bestätigt in ihrer Antwort (20/14693) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/14379) die zu Ende 2024 erfolgte Änderung der Richtlinien für eine aktive Beteiligungsführung bei Unternehmen mit Bundesbeteiligung. Bereits die bis November 2024 geltenden Regelungen hätten vorgesehen, dass Mitglieder des Bundestages "in Ausnahmefällen" in Aufsichtsgremien von Unternehmen mit Bundesbeteiligung berufen werden können, heißt es in der Antwort.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen