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Komplexes Steuerumfeld mit ständigen Veränderungen


Erfolgreich im Wandel: Strategien für die moderne Steuerlandschaft
Die Digitalisierung bringt Wachstumschancen für Unternehmen: Allerdings verändert sie auch grundlegend die Compliance-Risiken, denen Organisationen ausgesetzt sind



Peter Boerhof:
Peter Boerhof: Manuelle Steuervoranmeldungen und Prozesse sind zunehmend überholt. Dadurch gewinnen Steuerabteilungen mehr Spielraum, sich in strategische Unternehmensfragen einzubringen und innovative Ansätze zur Umsatzsteigerung zu entwickeln. Hier kann die Steuerfunktion echten Mehrwert bieten, anstatt aufgrund von Compliance-Verpflichtungen als Hindernis zu wirken, Bild: Vertex

Von Peter Boerhof, Senior VAT Director, Vertex Inc.

Die Landschaft der indirekten Steuern unterliegt einem beispiellosen Transformationsprozess. Und dieser hat sich in den letzten Jahren rasant beschleunigt. Die Veränderungen manifestieren sich auf unterschiedlichen Ebenen: Regulatorisch bewegen sich die Regierungen hin zu Modellen, die auf dem Bestimmungsort basieren und bei denen die Besteuerung zunehmend im Land des Konsumenten erfolgt. Auch die Prozesse entlang der Berichterstattung sind im Umbruch: Steuerbehörden verlangen nun zunehmend Echtzeit-Reporting mit detaillierten Transaktionsdaten.

Diese Dynamik beeinflusst auf Unternehmensseite zwangsläufig auch die Struktur moderner Steuerteams.
Ein Blick zurück zeigt: Vor zehn Jahren bestand eine starke Steuerabteilung aus einer Gruppe interner Steuerexperten, die von externen Beratern flankiert wurde. Diese Teams konzentrierten sich in der Regel auf die strategische Unterstützung des Unternehmens in Steuerfragen. Moderne Steuerabteilungen verantworten hingegen meist sämtliche globale Steuerprozesse, während operative steuerrelevante Aufgaben im Tagesgeschäft oft von Geschäftsbereichen außerhalb des Steuerteams übernommen werden, beispielsweise von FinOps. Deshalb ist es heute wichtig, die Steuerfunktion in ihrer Gesamtheit zu betrachten, anstatt ausschließlich den engen Blickwinkel des Kernteams einzunehmen.

Damit Steuerteams effektiv arbeiten, Mehrwert schaffen und dem Unternehmen einen erstklassigen Steuerservice bieten können, benötigen sie Fähigkeiten, die über rein steuerliches Fachwissen hinausgehen. Die Mitarbeitenden müssen sich mit Daten auskennen, über Projektmanagementfähigkeiten verfügen und in der Lage sein, konstruktive Gespräche mit IT-, Daten- und FinOps-Teams zu führen. Zudem sollten sie mit den neuesten Technologien am Markt, die das Leistungsspektrum der Steuerfunktion erweitern können, vertraut sein.

Unternehmen sollten einige grundlegende Entwicklungen berücksichtigen, um die moderne Steuerfunktion zu unterstützen:

Technologielandschaft im Wandel
Der Umstieg vieler Unternehmen auf Cloud-basierte Systeme markiert eine der größten technologischen Erneuerungen der letzten Jahre: Zuvor isolierte Technologien verschmelzen zunehmend zu einer einzigen integrierten Plattformlösung.

Steuerverantwortliche nutzen diese Entwicklung als Gelegenheit, relevante Geschäftsprozesse zu überdenken. So dient der Übergang zum Echtzeit-Reporting gleichzeitig als Argument, die Agenda für Datenqualität in der Organisation voranzutreiben. Außerdem nutzen viele Steuerabteilungen die technologische Neuausrichtung, um robuste Kontrollen in den Finanzprozessen zu implementieren. So gewährleisten sie, dass indirekte Steuern von Anfang an richtig berechnet werden. Und nicht zuletzt bietet der Umzug in die Cloud einen guten Anlass, unternehmensweit ein zentraleres Datenmanagement für Compliance-relevante Informationen einzuführen. So können Steuerteams die Qualität der Daten bereits an einem früheren Punkt im Prozess überprüfen - und nicht erst am Ende des Geschäfts- und Reportingzyklus.

Manuelle Steuervoranmeldungen und Prozesse sind zunehmend überholt. Dadurch gewinnen Steuerabteilungen mehr Spielraum, sich in strategische Unternehmensfragen einzubringen und innovative Ansätze zur Umsatzsteigerung zu entwickeln. Hier kann die Steuerfunktion echten Mehrwert bieten, anstatt aufgrund von Compliance-Verpflichtungen als Hindernis zu wirken.

Neue Geschäftsmodelle: Von Offline zu Online
Zweifellos schafft die neue digitale Infrastruktur, oder kurz: die ‚Digitalisierung‘, Wachstumschancen für Unternehmen. Allerdings verändert sie auch grundlegend die Compliance-Risiken, denen Organisationen ausgesetzt sind. Das liegt daran, dass Steuerabteilungen mit einer zunehmenden Vielzahl von Länder-Gerichtsbarkeiten befasst sind, während Finanzbehörden gleichzeitig ihre Politik und Gesetzgebung zur Steuerpflicht an die Anforderungen der neuen globalen Wirtschaft anpassen. Dies umfasst unter anderem die Digitalisierung von Reporting und Prüfmethoden sowie die zunehmende Verlagerung von Steuerpflichten auf Plattformen und Marktplatzbetreiber, die den globalen Handel ermöglichen.

Der Kunde ist immer König. Das gilt auch in unserer digitalen Ära – und ganz besonders heute. Was kann die Steuerfunktion hier beitragen? Moderne Steuerteams nutzen technologische Lösungen, um Steuern direkt in den Kaufprozess der Kunden zu integrieren. Steuerbestimmung und -berechnung sind dadurch nahtlos in das Online-Kauferlebnis integriert. Das gewährleistet Klarheit und Transparenz: Der Käufer sieht während des Kaufprozesses auf seinem Bildschirm genau, was er zahlt – ohne böse Überraschungen. Dies wiederum fördert eine Kultur der Kundenzufriedenheit und Loyalität gegenüber Marken.

Technologie, Menschen und Prozesse im Zusammenspiel
Vor dem Hintergrund dieser Veränderungen in der Wirtschafts- und Steuerlandschaft müssen Unternehmen darauf achten, die richtigen Technologien, Fachkräfte und Prozesse zu kombinieren. Nur so sind sie für die Flut an Veränderungen im Bereich der indirekten Steuern gewappnet.

Die Schnelligkeit im globalen Handel in Verbindung mit der Anforderung an Echtzeit-Reporting von Steuertransaktionen zwingt Steuerteams, ihre End-to-End-Prozesse für indirekte Steuern neu aufzusetzen und Teile ihres Kontrollrahmens zu überarbeiten. Unternehmen stehen vor wichtigen Entscheidungen: Regeln sie den Compliance-Prozess intern oder werden bestimmte Aspekte ausgelagert? Soll ein zentrales Steuermodell verwendet werden, oder ein dezentrales? Außerdem sind Steuerabteilungen gefordert, wichtige Übergabepunkte identifizieren und einen Prozess einzuführen, um Datenprobleme frühzeitig zu erkennen und nachzuverfolgen.

In dieser neuen Ära des schnellen globalen Handels und der Berichterstattung in Echtzeit muss das Steuerteam den Technologie-Stack des Unternehmens überprüfen. Es gilt, neue Lösungen wie Tax Engine, e-Invoicing, Echtzeit-Reporting-Tools sowie KI/ML- und Datenfunktionen zu integrieren. Nur so kann eine langfristig effektive und präzise Compliance sichergestellt werden.

Neben den klassischen steuerlichen Kernkompetenzen benötigt die moderne Steuerfunktion heute daher auch ein tiefgehendes Verständnis von Prozessen und Technologien. Die Steuerabteilung fungiert außerdem mittlerweile als Berater des Unternehmens in Strategie- und Wachstumsfragen. Ihre Teams müssen nun breit aufgestellt sein und über Kompetenzen wie technisches Fachwissen, steuerliches Verständnis und Kenntnisse in Geschäftsprozessen verfügen. Der Mangel an entsprechend ausgebildeten Fachkräften auf dem Markt ist eine weitere sehr reale Herausforderung, die Steuerabteilungen in ihrer Gleichung berücksichtigen sollten.

Fazit
Das heutige Steuerumfeld ist komplex und unterliegt ständigen Veränderungen. Organisationen müssen ihre Steuerteams mit den nötigen Technologien und Kompetenzen ausstatten, um den Wandel zu bewältigen und Strategien zu entwickeln für optimale Erfolgschancen des Unternehmens im Wettbewerb. Sie sollten bereits jetzt mit der Planung für bevorstehende Entwicklungen beginnen, wie etwa e-Invoicing, Echtzeitberichterstattung und KI. Moderne Steuerteams müssen sich darauf einstellen, dass Steuerbehörden Daten künftig aktiv und in Echtzeit abfragen werden. Prozesse und Technologien werden dabei für die Sicherstellung der Datenqualität unerlässlich sein.

Es ist entscheidend, dass Steuerteams jetzt handeln, um ihr Unternehmen für die Herausforderungen der Zukunft in dieser dynamischen Umgebung zu rüsten.

Autor:
Peter Boerhof ist Senior VAT Director bei Vertex und Experte für die Auswirkungen von Steuervorschriften, Steuerpolitik und technologischen Trends im globalen Steuerwesen. Er verfügt über umfassende Erfahrung in internationalen Transaktionen, Steuerprozessoptimierung und Automatisierung. Vor seiner Tätigkeit bei Vertex leitete er bei AkzoNobel die Abteilung für indirekte Steuern, entwickelte ein TCF-System und führte ein zentralisiertes Modell für globale Steuerprozesse ein. Zudem war er für die indirekte Besteuerung bei Fusionen, Übernahmen sowie Lieferketten- und ERP-Projekten verantwortlich. Zuvor arbeitete Peter Boerhof bei KPN sowie bei Deloitte und EY. Er hat einen MBA von der Rotterdam School of Management und einen Master in Steuerrecht von der Universität Groningen.
(Vertex: ra)

eingetragen: 12.02.25
Newsletterlauf: 11.04.25

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