Vergaberecht und Korruptionsbekämpfung


Erhöhtes Korruptionsrisiko bei gehobenen Wertgrenzen: Transparency fordert Bundesländer auf, zu alten Wertgrenzen bei der Auftragsvergabe zurückzukehren
Die erhöhten Wertgrenzen ermöglichen es dem öffentlichen Auftraggeber, den Vertragspartner weitgehend frei und ohne transparentes Verfahren auszusuchen und somit von vornherein nur solche Unternehmen zu berücksichtigen, die ihm genehm sind


(14.12.11) - Transparency Deutschland stellte anlässlich der Ende des Jahres in den Bundesländern auslaufenden Wertgrenzenerlasse erstmals einen umfassenden Forderungskatalog zum Thema "Vergaberecht und Korruptionsbekämpfung" vor. Transparency spricht sich darin unter anderem entschieden für eine Rückkehr zu den alten Wertgrenzen aus, um das Korruptionsrisiko bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu minimieren. Die Wertgrenzen waren in Bund und Ländern angehoben worden, um Auftragsvergaben zu erleichtern und die Wirtschaftskrise zu überbrücken. Damit ist für Bauaufträge bis zu einem Auftragswert von einer Millionen Euro keine öffentliche Ausschreibung notwendig.

Christian Lantermann, Leiter der Arbeitsgruppe Vergabe und Zentralregister, sagte: "Die angehobenen Wertgrenzen führen zu einer Ausweitung intransparenter Auftragsvergaben und leisten damit der Korruption Vorschub. Gerade bei der Verwendung öffentlicher Mittel zur Vergabe öffentlicher Aufträge muss größte Sorgfalt walten."

Die erhöhten Wertgrenzen ermöglichen es dem öffentlichen Auftraggeber, den Vertragspartner weitgehend frei und ohne transparentes Verfahren auszusuchen und somit von vornherein nur solche Unternehmen zu berücksichtigen, die ihm genehm sind. Das Korruptionsrisiko steigt dadurch erheblich.

Antrag von SPD und Grünen in Nordrhein-Westfalen wird kritisiert
Im nordrhein-westfälischen Landtag wird derzeit ein Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen "Wertgrenzen auch nach dem Jahr 2011 im Sinne einer beschleunigten, effizienten und transparenten öffentlichen Auftragsvergabe festlegen" (Drucksache 15/2864) diskutiert. Er wird voraussichtlich am 14.12.2011 oder am 18.01.2012 im federführenden Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des nordrhein-westfälischen Landtages beraten.

"Der aktuelle Antrag von SPD und Grünen in Nordrhein-Westfalen, nicht zu den alten Wertgrenzen zurückzukehren, ist strikt abzulehnen", sagte Andreas Riegel, Leiter der Regionalgruppe Rheinland. Der Antrag setzt ein falsches Signal in der Diskussion um die Wertgrenzen.

Bundesrechnungshof befürwortet Rückkehr zu alten Wertgrenzen
Transparency Deutschland warnt ausdrücklich vor einer Verlängerung der Wertgrenzenerlasse und bezieht sich dabei auch auf einen nicht-öffentlichen Bericht des Bundesrechnungshofes an den Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages. Laut Bundesrechnungshof führte die Lockerung der Wertgrenzen bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen durch die Bundesverwaltung zu Einschränkungen des Wettbewerbs und der Transparenz, die in keinem angemessenen Verhältnis zu den wenigen Vorteilen der Vergaberechtslockerungen stehen.

Der Bundesrechnungshof hielt es aufgrund seiner Prüfungserkenntnisse damit für sachgerecht, dass der Bund die Vergaberechtslockerungen nicht verlängert hat. "Die bereits Anfang des Jahres getroffene Entscheidung des Bundes, zu den alten Grenzwerten zurückzukehren, begrüßen wir ausdrücklich", so Gabriele C. Klug, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland.

Zum Hintergrund
Das Vergaberecht unterliegt einer Zweiteilung: Der Vergabe von Aufträgen oberhalb und unterhalb definierter und europaweit gültiger Auftragsschwellenwerte. Die Vergabe von Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte wird durch das Haushaltsrecht des Bundes und der Länder (BHO bzw. LHO) und den dazugehörigen Ausführungsvorschriften konkretisiert.

Im Rahmen der Wertgrenzenerlasse wurden die Wertgrenzen, unterhalb derer keine öffentliche Ausschreibung notwendig ist, erhöht. Im Bereich der Bauleistungen für Freihändige Vergaben wurde der Wert auf 100.000 Euro (vorher: 30.000 Euro) und für Beschränkte Ausschreibungen auf eine Mio. Euro (vorher: 100.000 Euro) erhöht.

Das Positionspapier "Vergaberecht und Korruptionsprävention" umfasst neben dem Thema der Wertgrenzenerlasse unter anderem die Forderung der Einführung eines zentralen Korruptionsregisters sowie einer zentralen Veröffentlichungsplattform für öffentliche Ausschreibungen, Ausdehnung der Transparenzpflichten und die Angleichung der Rechtschutzmöglichkeiten im Unter- und Oberschwellenbereich sowie erweiterte Veröffentlichungspflichten bei beschränkten und freihändigen Vergaben. (Transparency: ra)

Transparency International: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Meldungen: Markt / Unternehmen

  • Standards für ethische KI in Europa setzen

    Im EU-Projekt CERTAIN arbeitet ein Forschungsteam der Fachhochschule St. Pölten an neuen Maßnahmen zur Sicherung ethischer und regulatorischer Standards im Bereich der künstlichen Intelligenz. Ziel ist es, Lösungen zu entwickeln, die Organisationen und Unternehmen dabei unterstützen, die europäischen Vorschriften für die KI-Entwicklung und den verantwortungsvollen Umgang mit Daten schnell und kostengünstig einzuhalten.

  • Moratorium gemäß § 46 Kreditwesengesetz (KWG)

    Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am 27. Februar 2025 über das Bankhaus Obotritia GmbH ein Moratorium gemäß § 46 Kreditwesengesetz (KWG) verhängt und damit die Schließung der Bank für den Kundenverkehr angeordnet. Infolge des hiermit verbundenen Veräußerungs- und Zahlungsverbotes ist es der Bank nicht mehr möglich, Verfügungen über Einlagen zuzulassen.

  • Mitteldeutschland vernetzt sich im Datenschutz

    Die Datenschutzaufsichtsbehörden der Länder Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen richten zusammen mit dem Berufsverband der Datenschutzbeauftragten e.V. den 1. Mitteldeutschen Datenschutztag aus. "Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines modernen Datenschutzes. Die Veranstaltung bietet eine gute Chance für die Vernetzung der behördlichen und externen Datenschutzbeauftragten aus drei Bundesländern.

  • Hamburgs Lobbyregistergesetz verabschiedet

    Transparency International Deutschland und Mehr Demokratie begrüßen die Verabschiedung des Hamburger Lobbyregistergesetzes durch die Hamburgische Bürgerschaft. Die Hamburger Regionalteams von Transparency Deutschland und Mehr Demokratie hatten bereits im Jahr 2023 ein Lobbyregister mit exekutivem und legislativem Fußabdruck gefordert.

  • Chancen für das Vertragsmanagement

    Die EU-Verordnung "eIDAS 2.0" schafft klare Regeln für digitale Identitäten und elektronische Signaturen. Im Mittelpunkt steht die Einführung der European Digital Identity Wallet (EUDI-Wallet) - eine digitale Brieftasche, mit der sich Unternehmen und Privatpersonen sicher online ausweisen, Nachweise speichern und Verträge qualifiziert elektronisch unterzeichnen können.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen