Sie sind hier: Home » Recht » Kartellrecht

"Doppelkontrolle" bei Gemeinschaftsunternehmen


Bundeskartellamt erlaubt Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens von Burda und Funke
Das Bundeskartellamt hat zur Bewertung des Vorhabens umfassende Ermittlungen durchgeführt und insbesondere zahlreiche Zeitschriftenverlage, Mediaagenturen und Werbekunden befragt




Das Bundeskartellamt hat die geplante Beteiligung der Funke Mediengruppe GmbH & Co. KgaA, Essen, an der Vermarktungsgesellschaft BCN Brand Community Network GmbH, München, ein Tochterunternehmen der BurdaVerlag GmbH, München, nach intensiver Prüfung freigegeben.

BCN vermarktet bislang insbesondere das Werbeinventar von Burda sowie der Medienholding Klambt GmbH & Co. KG, Speyer, und soll nach dem Zusammenschluss künftig auch das Werbeinventar von Funke, insbesondere Zeitschriften und Internetportale, vermarkten. Burda und Funke werden BCN künftig gemeinsam kontrollieren, Klambt soll lediglich eine Minderheitsbeteiligung an BCN halten, was nicht Gegenstand der fusionskontrollrechtlichen Prüfung war.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte: "Mit Burda und Funke schließen sich zwei große Player auf dem relevanten Anzeigenmarkt zusammen. Die beiden Unternehmen kommen damit auf bestimmten Werbemärkten auf einen gemeinsamen Marktanteil von knapp 40 Prozent. Bei der Bewertung des Gemeinschaftsunternehmens haben wir intensiv ermittelt, über welche Ausweichmöglichkeiten die Werbekunden nach dem Zusammenschluss verfügen. Trotz der stetig zunehmenden Bedeutung von Werbung im Internet und in sozialen Medien und dem davon ausgehenden Wettbewerbsdruck auf Printmedien, spielen Anzeigen in bestimmten Zeitschriftenkategorien für viele Werbekunden nach wie vor eine entscheidende Rolle. Von Bedeutung ist, dass bestimmte Zielgruppen durch andere Werbeformen kaum erreicht werden oder die Kosten im Vergleich zu hoch sind. Im Ergebnis haben wir das Vorhaben dennoch nicht untersagt. Trotz der starken Marktposition von Burda und Funke finden auch diese Werbekunden noch genügend Ausweichmöglichkeiten, um ihre Anzeigen bzw. Beilagen platzieren zu können."

Das Bundeskartellamt hat zur Bewertung des Vorhabens umfassende Ermittlungen durchgeführt und insbesondere zahlreiche Zeitschriftenverlage, Mediaagenturen und Werbekunden befragt. Dabei wurden vor allem die aktuelle Wettbewerbssituation der Verlage, die Konkurrenz zu anderen Mediengattungen, die tatsächlichen Ausweichmöglichkeiten der Werbekunden und die besondere Rolle der Mediaagenturen untersucht. Die Zeitschriftentitel von Burda und Funke überschneiden sich insbesondere in den Kategorien TV-Programmzeitschriften und Regenbogenpresse. Werbung für Gesundheitspräparate und Versandhandel – mit schriftlicher oder telefonischer Bestellmöglichkeit – sorgen für den mit Abstand größten Anteil am Werbeumsatz dieser Zeitschriftenkategorien. Gleiches gilt mit unterschiedlichen Schwerpunkten für Apothekenzeitschriften und TV-Supplements, die daher und aufgrund ihrer ähnlichen Anzeigenpreise ebenfalls in den relevanten Markt einbezogen wurden.

Durch den Zusammenschluss werden Burda und Funke auf den untersuchten Werbemärkten mit einem gemeinsamen Marktanteil von – je nach Einbezug einzelner Titel – bis zu knapp 40 Prozent zum stärksten Anbieter. Trotz der starken Marktposition von Burda und Funke hat sich im Ergebnis gezeigt, dass der Zusammenschluss nicht die Untersagungsvoraussetzungen der Fusionskontrolle erfüllt. Ein wichtiger Grund für diese Bewertung ist, dass die betroffenen Kunden erklärten, auf etwaige Preiserhöhungsversuche der Parteien mit einer teilweisen Verlagerung von Werbebudget auf Wettbewerber zu reagieren. Preiserhöhungen würden damit im Ergebnis für die Verlage unwirtschaftlich.

Über die Fusionskontrolle hinaus muss bei der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, wie im hier vorliegenden Fall, stets auch eine Überprüfung der zugrundeliegenden Vereinbarungen und Verträge der beteiligten Unternehmen nach den Grundsätzen des allgemeinen Kartellverbotes vorgenommen werden (sog. Doppelkontrolle).

Nach den vorliegenden Vertragsentwürfen und unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Zusammenarbeit von Burda und Funke in verschiedenen Bereichen könnte das aktuelle Vorhaben eine spürbare Einschränkung des Wettbewerbs auf dem Anzeigen- und dem Lesermarkt bewirken. Die kartellrechtlichen Freistellungsvoraussetzungen konnten – u.a. wegen überschießender Informationspflichten in den Vertragsentwürfen und nicht erkennbarer Beteiligung der Leser an den Gewinnen der Kooperation – nicht als vollständig erfüllt angesehen werden. Das Bundeskartellamt hat jedoch im Ermessen entschieden, das Vorhaben zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu untersagen. Die Behörde ist damit nicht daran gehindert, die Vermarktungskooperation im Falle substanzieller Beschwerden, möglicher Erweiterungen oder weiterer wettbewerbsrelevanter Kooperationen der Beteiligten in der Zukunft erneut aufzugreifen.

Die Entscheidung war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Meldung noch nicht rechtskräftig. Sowohl die Parteien als auch die beigeladenen Verlage Bauer, Axel Springer und Wort & Bild hatten innerhalb eines Monats die Möglichkeit, gegen die Entscheidung Rechtsmittel einzulegen.
(Bundeskartellamt: ra)

eingetragen: 31.03.23
Newsletterlauf: 28.06.23


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kartellrecht

Kartellrecht und Kartellvergehen

  • Marktgeschehen weiter aufmerksam verfolgen

    Das Bundeskartellamt hat den beabsichtigten indirekten Erwerb sämtlicher Anteile an der Sundwiger Messingwerk GmbH, Hemer, durch die KME SE, Osnabrück, nach intensiven Ermittlungen im Hauptprüfverfahren freigegeben.

  • Schüco darf sich an Stemeseder beteiligen

    Das Bundeskartellamt hat den beabsichtigten Erwerb von 49 Prozent der Anteile an der GEST-Holding Gesellschaft m.b.H., Hof bei Salzburg, Österreich, (GEST) durch die Schüco International KG, Bielefeld, (Schüco) freigegeben.

  • Vermehrt so genannte Acqui-hires

    Das Bundeskartellamt hat geprüft, ob die bereits im März 2024 erfolgte Übernahme nahezu aller Mitarbeitenden der Inflection AI, Inc. (Inflection) durch Microsoft Corporation (Microsoft) der deutschen Fusionskontrolle unterliegt. Im Ergebnis war das nicht der Fall, weil das Zielunternehmen Inflection zum Zeitpunkt der Übernahme nur in geringem Ausmaß in Deutschland tätig war.

  • Payback-Daten von Globus maßgeblich

    Das Bundeskartellamt hat die Übernahme von vier großflächigen Lebensmitteleinzelhandel (LEH)-Standorten in Bedburg, Chemnitz, Essen und Wesel von der Globus Markthallen Holding GmbH & Co. KG (Globus) durch die Kaufland Dienstleistung GmbH & Co. KG (Kaufland) nach umfangreichen Marktermittlungen im Vorprüfverfahren freigegeben.

  • Keine Gefahr für den Wettbewerb

    Das Bundeskartellamt hat die geplante Zusammenführung der Gesundheits- und Kosmetikunternehmen Merz Lifecare und WindStar im fusionskontrollrechtlichen Vorprüfverfahren freigegeben. Merz Lifecare ist ein indirektes Tochterunternehmen der Merz Holding GmbH & Co. KG, Frankfurt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen