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Diskriminierende Straßennutzungsgebühren


EU-Kommission verschärft Vertragsverletzungsverfahren wegen Maut
Die Kommission ist der Auffassung, dass es bei den deutschen Mautplänen auf zwei Ebenen zur Diskriminierung kommt



Die EU-Kommission hat die zweite Stufe des EU-Vertragsverletzungsverfahrens gegen die deutschen Mautpläne eingeleitet. Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, um der Kommission mitzuteilen, welche Maßnahmen es ergriffen hat, um seinen Verpflichtungen aus den EU-Verträgen nachzukommen. Kommt es dieser Aufforderung nicht nach, kann die Kommission Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union einreichen. Auch wegen einer diskriminierenden LKW-Maut in Großbritannien hat die EU-Kommission ein Verfahren eingeleitet.

Die Kommission ist der Auffassung, dass es bei den deutschen Mautplänen auf zwei Ebenen zur Diskriminierung kommt: Zum einen werden deutsche Nutzer – und ausschließlich diese – von der Straßennutzungsgebühr befreit, weil ihre Kfz-Steuer genau um den Betrag der Gebühr gesenkt wird. Zum anderen sind die Preise für Kurzzeitvignetten, die typischerweise für ausländische Nutzer vorgesehen sind, überproportional teuer.

Trotz regelmäßiger Kontakte mit den deutschen Behörden seit November 2014 und zahlreicher Vorschläge seitens der Kommission, wie die deutsche Nutzungsgebühr EU-rechtskonform gestaltet werden kann, sind die grundlegenden Bedenken der Kommission nicht ausgeräumt worden.

Deutschland hatte am 8. Juni 2015 ein Gesetz zur Einführung einer Straßennutzungsgebühr für PKW verabschiedet. Gleichzeitig wurde ein Gesetz verabschiedet, das ausschließlich Haltern von in Deutschland zugelassenen PKW die Befreiung von der Kfz-Steuer in Höhe der Straßennutzungsgebühr garantiert. Somit werden in Deutschland zugelassene PKW – und ausschließlich diese – de facto von der Straßennutzungsgebühr ausgenommen.

Das Prinzip der Nicht-Diskriminierung bei der Gestaltung der Maut betrifft PKW wie auch LKW.

Vertragsverletzungsverfahren zu britischer LKW-Maut

Bezüglich der LKW hat heute die Kommission das Vereinigte Königreich aufgefordert, zusätzliche Informationen über die Maut für schwere Nutzfahrzeuge vorzulegen, die es im April 2014 eingeführt hat. Nach gründlicher Prüfung legt die Kommission ihre Bedenken dar, dass diese Straßennutzungsgebühr Spediteure diskriminiert, die nicht aus dem Vereinigten Königreich stammen. In ihrem Aufforderungsschreiben – der ersten Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens – fordert die Kommission von den britischen Behörden weitere Erklärungen ein. Das Vereinigte Königreich hat nun zwei Monate Zeit, zu den von der Kommission vorgetragenen Argumenten Stellung zu nehmen. Sollte die Kommission die Antworten als unzureichend befinden, wird sie in Erwägung ziehen, mit der Übermittlung einer Begründeten Stellungnahme die zweite Stufe des Verfahrens einzuleiten.

Hintergrund
Ein Hauptmerkmal nicht-diskriminierender Straßennutzungsgebühren ist, dass alle Nutzer den gleichen Preis für die Nutzung der Straßen entrichten. Die Erhebung von Straßennutzungsgebühren für Personenkraft- und Lastkraftwagen liegt im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten. Falls ein Mitgliedsstaat ausländische Nutzer für die Nutzung der Straßen bezahlen lassen will, muss diese Gebühr für alle Nutzer gelten – also sowohl für in- als auch ausländische. Eine Einführung einer Straßennutzungsgebühr ausschließlich für Ausländer wäre diskriminierend.

Die Entlastung inländischer Nutzer in Form einer 1:1 Absenkung der Kfz-Steuer, so wie es im Falle Deutschlands und des Vereinigten Königreichs bei zeit-basierten Vignetten beabsichtigt ist, führt de facto zu einer Befreiung inländische Nutzer von der Straßennutzungsgebühr. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, eine solche Diskriminierung zu vermeiden:

>> Mitgliedsstaaten könnten die steuerliche Entlastung inländischer Nutzer im Zusammenhang mit der Einführung einer Straßennutzungsgebühr an andere Kriterien als die Staatsangehörigkeit koppeln - etwa an Umweltbilanzkosten und/oder an Infrastrukturabgaben. Die Anwendung solcher Kriterien wurde die 1:1-Verbindung zwischen der Abgabe und der Entlastung bei der Kfz-Steuer - und somit die Diskriminierung ausländischer Nutzer - vermeiden.

>> Im Gegensatz zu zeitbasierten stehen entfernungsbasierte Straßennutzungsgebühren im Verhältnis zu den zurückgelegten Kilometern. Die Kommission befürwortet verhältnismäßige, entfernungsbasierte Straßennutzungsgebühren, die gemäß des "Verursacherprinzips" die Nutzungs- und Verschmutzungskosten genauer abbilden. Die Einführung einer entfernungsbasierten Straßennutzungsgebühr schließt eine unterschiedslose Befreiung aller Nutzer von der KfZ-Steuer aus, weil solche Steuern ja gerade nicht im Verhältnis zur gefahrenen Strecke stehen.

Die Kommission will Autofahrer in der EU schützen

>>
1990 verklagte die Kommission Deutschland vor dem Gerichtshof (Fall C-195/90), als zeitgleich eine LKW-Straßennutzungsgebühr ('Gesetz über Gebühren für die Benutzung von Bundesfernstraßen mit schweren Lastfahrzeugen') und eine Absenkung der Kfz-Steuer eingeführt wurde, was eine Diskriminierung ausländischer Nutzer zur Folge gehabt hätte. Der Gerichtshof entschied, dass dies gegen Artikel 76 des EWG-Vertrags verstieß. Die Straßennutzungsgebühr wurde verworfen.

>> 1996 bestand die Kommission darauf, dass Österreich eine Wochenvignette für PKW einführte, um Touristen und Gelegenheitsnutzer nicht zu diskriminieren, die ansonsten eine 2-Wochen-Vignette oder eine Jahresvignette für den Besuch oder den Transit durch Österreich hätten erwerben müssen.

>> 2008 und 2014 bestand die Kommission gegenüber Slowenien darauf, dass PKW-Kurzzeitvignetten, die in der Regel von ausländischen Autofahrern erworben werden, im Preis verhältnismäßig zu den PKW-Langzeitvignetten sind, die in der Regel von inländischen Autofahrern erworben werden. Dadurch bezahlen Ausländer, die lediglich einige Tage in Slowenien verbringen, einen fairen Preis.

>> 2012 gab die Kommission eine Mitteilung (COM(2012) 199 final) "über die Erhebung nationaler Straßenbenutzungsgebühren auf leichte Privatfahrzeuge" heraus. Die Mitteilung enthält Leitlinien zur Einführung von Vignetten ohne diskriminierende Wirkung.

>> 2013 gab die Kommission im Rahmen der Eurovignetten-Richtlinie eine negative Stellungnahme zur LKW- Straßennutzungsgebühr in Ungarn ab. Ungarn kam daraufhin den Bedenken der Kommission nach. Grundsätzlich müssen alle entfernungsbasierten Straßennutzungsgebühren für LKW vor ihrer Anwendung der Kommission mitgeteilt werden, woraufhin die Übereinstimmung mit geltendem EU-Recht erfolgt.

>> 2014 gab die Kommission nach Konsultationen mit den belgischen Behörden eine positive Stellungnahme zur LKW- Straßennutzungsgebühr in Belgien ab. Die neue Regelung ist im April 2016 in Kraft getreten.

>> Die Europäische Kommission leitet heute rechtliche Schritte gegen Straßennutzungsgebühren in Deutschland und im Vereinigten Königreich ein, da diese die Bestimmungen des EU-Binnenmarktes missachten.

>> Die Europäische Kommission leitet heute rechtliche Schritte gegen Straßennutzungsgebühren in Deutschland und im Vereinigten Königreich ein, da diese die Bestimmungen des EU-Binnenmarktes missachten. Die Kommission befürwortet das "Verursacherprinzip", wonach Nutzer eine Straßennutzungsgebühr entrichten, die anschließend in die Verkehrsinfrastruktur fließen kann. Hierbei sind verschiedene Modelle von Nutzungsgebühren möglich, und die meisten Mitgliedsstaaten haben entsprechende Abgaben eingeführt.

Als Hüterin der Verträge ist die Kommission verpflichtet sicherzustellen, dass solche Straßennutzungsgebühren innerhalb der EU nicht zu einer Diskriminierung zwischen einheimischen und Autofahrern aus anderen Mitgliedsstaaten führen. In mehreren Fällen, darunter Belgien, Slowenien, Österreich und Ungarn, half die Kommission Mitgliedsstaaten bei der Ausarbeitung von EU-rechtskonformen Straßennutzungsgebühren. In zwei Fällen muss die Kommission nun jedoch Schritte setzen, um zu verhindern, dass Fahrer wegen ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert werden. (Europäische Kommission: ra)

eingetragen: 04.05.16
Home & Newsletterlauf: 03.06.16


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