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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz unzureichend


Die Linksfraktion sagt: "Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) stellt einen unzureichenden Schritt zur Gewährleistung effektiven Schutzes vor Diskriminierung dar"
"Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz widerspricht offensichtlich den europäischen Vorgaben in den Richtlinien für einen effektiven Diskriminierungsschutz"


(26.06.08) - Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) stellt nach Ansicht der Linksfraktion einen unzureichenden Schritt dar, um einen effektiven Schutz vor Diskriminierung zu gewährleisten. Die Abgeordneten haben deshalb einen Antrag (16/9637) eingereicht, um das AGG zu erweitern und zu verbessern.

Die Linksfraktion fordert unter anderem, das AGG um die Diskriminierungsmerkmale "Staatsangehörigkeit" und die "soziale Herkunft oder sozialen Lebensumstände" zu erweitern. Diese Merkmale im Alltag seien Ausgangspunkt diskriminierender Verhaltensweisen. Ferner sprechen sich die Abgeordneten dafür aus, Verbände, die entsprechend ihrer Satzung die besonderen Interessen von benachteiligten Personen oder Gruppen wahrnehmen, ein Verbandsklagerecht zu geben.

Dies müsse unabhängig von ihrer Mitgliederzahl geschehen. Ebenso müsse unberücksichtigt bleiben, ob sie gewerbsmäßig arbeiten. Den Betroffenen bzw. den Antidiskriminierungsverbänden sei ein Auskunftsrecht gegenüber der diskriminierenden Stelle oder Person, beispielsweise gegenüber Unternehmen, zu geben, damit sie ihre Rechte effektiv verfolgen könnten.

Derzeit geltende Fristen, um einen Anspruch nach dem AGG geltend zu machen, werden nach den Vorstellungen der Linksfraktion drei Jahre betragen. Lediglich im Arbeitsrecht solle die Frist sechs Monate betragen. Die Linksfraktion erklärt, das AGG widerspreche offensichtlich den europäischen Vorgaben in den Richtlinien für einen effektiven Diskriminierungsschutz. Es müsse deshalb reformiert werden.

Hier die detaillierte Begründen der Linksfraktion
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz widerspricht offensichtlich den europäischen Vorgaben in den Richtlinien für einen effektiven Diskriminierungsschutz. Dem gesamten bisherigen Umgang mit dem Gesetz ist anzumerken, dass es eher aus Pflicht denn aus wirklicher Überzeugung umgesetzt wurde. Die Kompromisslinie der schwarz-roten Koalition führt dazu, dass Diskriminierungsschutz entweder gar nicht besteht oder nur sehr schwer durchgesetzt werden kann. Das AGG verfehlt dadurch die Vorgaben der europäischen Richtlinien, worauf Expertinnen und Experten und die EU-Kommission in ihren Aufforderungsschreiben an die Bundesrepublik Deutschland verweisen.

Die deutsche Gesetzgebung darf nicht dazu führen, dass die von Diskriminierung Betroffenen unabhängig von den sonstigen tatsächlichen Barrieren auf zusätzliche rechtliche Barrieren durch bewusst unklare und schlecht handhabbare Regelungen treffen. Der Gesetzgeber trägt die Verantwortung dafür, dass die Regelungen zum Diskriminierungsschutz klar und eindeutig sind und nicht zu langwierigen juristischen Auseinandersetzungen um Grundsatzfragen in Bezug auf die Europarechtskonformität oder das Verhältnis zu anderen Gesetzen führen.

Bereits ein Jahr nach dem Inkrafttreten des AGG hat der Antidiskriminierungsverband Deutschland wesentliche Kritik an dem Gesetz geäußert und diese in seiner Stellungnahme anhand von konkreten Beispielsfällen nachvollziehbar begründet.

Die unter Nummer 1 Buchstabe a) angesprochenen, von der EU-Kommission geforderten Änderungen stellen das Minimum dar, welches der Gesetzgeber bei einer Novellierung mindestens umsetzen muss, um den Richtlinien gerecht zu werden. Der Mindeständerungsbedarf zur vollständigen Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien stellt sich auch aufgrund der Ausführungen der EU-Kommission in den Aufforderungsschreiben vom 17. Oktober 2007 und vom 31. Januar 2008 wie folgt dar:

1. Die Ausnahmeregelung der Zulässigkeit unterschiedlicher Behandlung bei der Vermietung von Wohnraum „im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen“ in § 19 Abs. 3 AGG und die Ausnahmeregelung in § 19 Abs. 5 Satz 3 AGG hinsichtlich der Vermietung von nicht mehr als 50 Wohnungen in Bezug auf die Anwendbarkeit der Vorschriften zum Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr i. S. d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG müssen gestrichen werden.

2. Die Regelung in § 2 Abs. 4 AGG, wonach für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten sollen, ist aufzuheben.

3. Die ausschließliche Geltung des Betriebsrentengesetzes für betriebliche Altersvorsorge (§ 2 Abs. 2 Satz 2 AGG) ist zu streichen.

4. Die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen innerhalb von zwei Monaten in § 15 Abs. 4 AGG ist zumindest auf drei Monate anzuheben.

5. Die Beteiligungsrechte von Verbänden im gerichtlichen Verfahren sind in § 23 AGG auszubauen und die Beschränkung von Antidiskriminierungsverbänden auf solche, die „nicht gewerbsmäßig“ arbeiten und mindestens 75 Mitglieder haben oder einen Zusammenschluss aus mindestens sieben Verbänden bilden (§ 23 Abs. 1 AGG), ist zu streichen.

6. Der Schutz durch das Maßregelungsverbot (§ 16 AGG) ist auf den Bereich des Zivilrechts auszudehnen.

7. Das europarechtswidrige Verschuldenserfordernis in § 15 Abs. 1 und 3 AGG ist durch eine Regelung zu ersetzen, die sicherstellt, dass eine Haftung für Diskriminierung unabhängig vom Verschulden eintritt.

8. Die Leistungsbeschränkungen bei Beamtinnen und Beamten, Soldatinnen und Soldaten, die einen Bund nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz eingegangen sind, sind abzuschaffen. Hierzu zählen Bestimmungen zu Beihilfe, Familienzuschlag und Witwen- oder Witwergeld.

9. § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB ist aufzuheben.

10. Die Ausnahmeregelung im Arbeitsrecht für Religionsgemeinschaften nach § 9 Abs. 1 AGG ist so auszugestalten, dass eine unterschiedliche Behandlung nur dann zulässig ist, wenn die Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses nach der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung und auch im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt.

11. Es ist eine allgemeine Regelung für angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen insbesondere im Arbeitsrecht zu schaffen.

12. Die Einschränkung, derzufolge es bei zulässigen unterschiedlichen Behandlungen wegen des Alters nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts kommen darf, ist in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG aufzunehmen.

13. Das vor Inkrafttreten des AGG geltende Schutzniveau insbesondere im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht und Behinderung ist vollumfänglich zu erhalten. Daher ist eine unterschiedliche Behandlung zum Beispiel im Hinblick auf das Geschlecht im Arbeitsrecht nur dann zulässig, wenn dies für die Tätigkeit eine „unverzichtbare“ Voraussetzung ist (vgl. § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB a. F.).

14. Der Schadenersatz wird in der Höhe nach oben nicht begrenzt, da die Richtlinie 2000/43/EG fordert, dass die Schadenersatzleistungen wirksam, verhältnismäßig und vor allem abschreckend sein müssen. Eine gesetzliche Begrenzung der Höhe des Schadenersatzes ist ein falsches Signal.

15. Die Entgeltgleichheit ist effektiver zu gewährleisten und dieser Grundsatz daher zu präzisieren (§ 8 Abs. 2 AGG).

16. Sexuelle Belästigung ist auch dann als Diskriminierung zu behandeln, wenn sie außerhalb des Arbeitsbereiches stattfindet. Es handelt sich hierbei um eine besonders weit verbreitete Diskriminierung insbesondere von Frauen, die auch in sonstigen zivilrechtlichen Verhältnissen effektiv bekämpft werden muss.
(Deutscher Bundestag: Fraktion Die Linke: ra)

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