Untersuchungsausschuss zu Murat Kurnaz


Bremer Verfassungsschützer Wolfgang Deuß kritisiert seinen Chef im Untersuchungsausschuss: Es hätte keine Hinweise auf terroristische Aktivitäten von Murat Kurnaz ergeben
Deuß äußerte sich bei seiner Befragung mehrfach kritisch über die Zustände im LfV Bremen, wo Zuständigkeiten und Aufgabenzuteilungen unklar geregelt seien


(21.09.07) - Aus Sicht von Wolfgang Deuß hat das Verhör des zwischen Februar 2002 und August 2006 in Guantanamo einsitzenden Murat Kurnaz durch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) keine Hinweise auf terroristische Aktivitäten des Bremer Türken ergeben. Diesen Schluss zog der Leiter der Abteilung Islamismus beim Bremer Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss aus dem Verlauf einer im Oktober 2002 erfolgten Unterrichtung des LfV durch einen BfV-Vertreter über die Vernehmung in Guantanamo, die im Herbst jenes Jahres stattfand.

Dessen seinerzeitige Ausführungen resümierte der Zeuge jetzt so: An dem Verdacht gegen Kurnaz sei wohl nichts dran, man müsse noch einige aus Bremen stammende Erkenntnisse über den Türken überprüfen, und wahrscheinlich sei der Gefangene Ende November 2002 wieder zu Hause. Auf Nachfrage von SPD-Obmann Thomas Oppermann sagte Deuß, diese seine Einschätzung fuße auf einem schriftlichen Bericht über den Besuch des BfV-Abgesandten im LfV, er selbst habe an das damalige Treffen, an dem er teilnahm, keine Erinnerung.

Der Zeuge erklärte, nach seinem Eindruck hätten die im Herbst 2002 mit der Affäre Kurnaz befassten Regierungsstellen und Behörden alle Möglichkeiten ausschöpfen wollen, um im Falle einer Freilassung des Deutsch-Türken dessen Rückkehr nach Deutschland zu verhindern. Im Oktober 2002 hatten der heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier als seinerzeitiger Chef des Kanzleramts und die Spitzen der Geheimdienste für den Fall einer Entlassung von Kurnaz aus Guantanamo eine Einreisesperre gegen den Türken wegen dessen Einstufung als eines "Gefährders" verfügt.

Wie Deuß ausführte, habe man beim Bremer LfV gegen Kurnaz nichts in der Hand gehabt. Der Zeuge bezeichnete es als "fatal", dass sich die von Amtschef Walter Wilhelm 2002 und dann wieder 2005 in einem Papier formulierten Sicherheitsbedenken zu Kurnaz auf Aussagen von Wilhelms Stellvertreter bezögen, die eine solche Einschätzung jedoch nicht abdeckten.

Deuß äußerte sich bei seiner Befragung mehrfach kritisch über die Zustände im LfV, wo Zuständigkeiten und Aufgabenzuteilungen unklar geregelt seien. Er selbst sei, obwohl Leiter der Abteilung Islamismus, mit dem Fall Kurnaz direkt nie befasst worden. Um diese Angelegenheit habe sich der Amtschef selbst gekümmert.

Deuß schilderte den Abgeordneten der Basis seiner eigenen lückenhaften Erkenntnisse seinen persönlichen Eindruck über Kurnaz: Der junge Mann sei wohl "in einer Moschee heiß gemacht worden", sei deshalb nach Afghanistan aufgebrochen und habe dort erschreckt festgestellt, wie die Wirklichkeit sei.

Laut Thomas Rausch, der 2002 im Bundeskriminalamt (BKA) auch mit dem Fall Kurnaz zu tun hatte, wurde damals den US-Verbindungsbeamten im BKA wie den zuständigen Stellen in den USA nur eine "abgespeckte Version" der vom Bremer Landeskriminalamt an seine Behörde übermittelten Informationen zu dem Deutsch-Türken weitergereicht.

Zum Auftakt seiner Befragung bestätigte der BKA-Vertreter die vom FDP-Abgeordneten Max Stadler geäußerte These, die seinerzeitigen Bremer Erkenntnisse seien ungesichert und nicht verifiziert gewesen.

Erste Zeugenaussagen, wonach Kurnaz Anfang Oktober 2001 zwecks Teilnahme an den Kämpfen der Taliban nach Pakistan geflogen sei, seien später teilweise widerrufen worden, so Rausch. Über das Verhör von Kurnaz in Guantanamo durch deutsche Geheimdienstler in Guantanamo habe im BKA der Eindruck geherrscht, dass diese Vernehmungen keine Hinweise auf einen Aufenthalt des Bremer Türken in Lagern der Taliban ergeben hätten. Vielmehr habe Kurnaz in Pakistan eine "spirituelle Ausbildung" gesucht. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Internationale Standards und Normen

    Nach Ansicht der Bundesregierung werden im Amtsblatt der EU veröffentlichte harmonisierte europäische Normen nicht generell Teil des Unionsrechts, auch wenn die EU-Kommission aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes eine andere Meinung vertritt. Dies erklärt die Bundesregierung in der Antwort (20/15026) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/14834).

  • Treibhausgas (THG)-Emissionen

    Die sektorenübergreifenden Treibhausgas (THG)-Emissionen sind seit dem Jahr 2021 deutlich gesunken,wobei alle Sektoren bis auf den Verkehr Rückgänge verzeichneten. Die Geschwindigkeit der THG-Emissionsminderung variiert erheblich zwischen den Sektoren. Das geht aus einer Unterrichtung der Bundesregierung zum Gutachten des Expertenrats für Klimafragen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen, Trends der Jahresemissionsmengen und zur Wirksamkeit von Maßnahmen hervor (20/14900).

  • Regierung: Berichtspflichten zu umfangreich

    Die Berichtspflichten für Unternehmen sind nach Auffassung der Bundesregierung im internationalen Wettbewerb zu umfangreich. Dazu zählt die Regierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion auch Nachhaltigkeitsberichtspflichten. Die Offenlegung ähnlicher Sachverhalte solle weiter vereinheitlicht werden, um "Doppelreporting" zu vermeiden.

  • Digitale Souveränität in der Bundesverwaltung

    Über die Beschaffung und den Einsatz von IT-(Sicherheits-)Produkten durch den Bund als öffentlichen Auftraggeber informiert die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/14887) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (20/14226). Unter der Überschrift "Digitale Souveränität in der Bundesverwaltung" wird darin ein umfassender Überblick über die Beschaffung und Zulassung von einzelnen IT-Sicherheitsprodukten und -diensten gegeben.

  • Aktive Beteiligungsführung bei Unternehmen

    Die Bundesregierung bestätigt in ihrer Antwort (20/14693) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/14379) die zu Ende 2024 erfolgte Änderung der Richtlinien für eine aktive Beteiligungsführung bei Unternehmen mit Bundesbeteiligung. Bereits die bis November 2024 geltenden Regelungen hätten vorgesehen, dass Mitglieder des Bundestages "in Ausnahmefällen" in Aufsichtsgremien von Unternehmen mit Bundesbeteiligung berufen werden können, heißt es in der Antwort.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen