Zahlungsdienstleistungen mutieren Kreditgeschäft


Anhörung vor dem Finanzausschuss zum Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz: Experten warnen vor neuer Schuldenfalle durch Kreditkarten mit Wucherzinsen
Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf könnte zu einer Liberalisierung des Kreditmarktes über Kreditkarten führen, weil Kreditkartenanbieter keine Banklizenz mehr benötigen würden


(13.02.09) - Mehrere Sachverständige haben auf eine für Kreditkartenkunden möglicherweise folgenschwere Regelungslücke im geplanten Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz (16/11613, 16/11640) hingewiesen.

In einer Anhörung des Finanzausschusses am Mittwochnachmittag erklärte Professor Udo Reifner vom Institut für Finanzdienstleistungen zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf, die Neuregelung könne zu einer Liberalisierung des Kreditmarktes über Kreditkarten führen, weil Kreditkartenanbieter keine Banklizenz mehr benötigen würden. Die Öffentlichkeit könne jedoch kein Interesse haben, dass ein "aufsichtsfreies Tor nach Deutschland" geöffnet werde.

Mit dem Gesetz will die Bundesregierung den Zahlungsverkehr neu regeln und an das durch eine EU-Richtlinie vorgegebene europäische Niveau angleichen. Reifner warnte, in diesem Zusammenhang könne sich das anglo-amerikanische Kreditkartensystem, bei dem jeder Kreditkarte ein eigener Kreditrahmen zugeordnet sei, auch in Deutschland ausbreiten. Auf diese Weise könne der Kunde eine Vielzahl von Kreditkarten nutzen. "Diese Systeme erlauben eine unkontrollierte Schuldenexplosion, überhöhte Zinsen, Zinseszinsen und zusätzliche Gebühren, die im Zinssatz nicht enthalten sind", warnte der Sachverständige. In den USA und Großbritannien würden Kreditkartenschuldner ihre Schulden bezahlen, indem sie Geld von einer auf die andere Kreditkarte umbuchen würden. Sie würden Opfer von "wucherverdächtigen Zinssätzen".

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wies darauf hin, das System der zügellosen Vergabe von Kreditkarten habe in Amerika zahlreiche Verbraucher in eine ausweglose Überschuldungssituation getrieben.

In Deutschland hätten, so argumentierte der DGB, Kreditkarten bisher überwiegend eine der EC-Karte ähnliche Funktion. Der Überziehungsrahmen messe sich am Lohn und Gehalt des Kartenbesitzers. Private Banken gingen jedoch dazu über, den Kartenbesitzern Teilzahlungsfunktionen anzubieten. Dabei verliere der Verbraucher schnell den Überblick und gerate in eine Verschuldungspirale. Die Regelung, dass in Deutschland nur zugelassene Banken und Sparkassen das Kreditgeschäft betreiben dürften, werde aufgeweicht. "Die freie Gestaltungshoheit für Anbieter (Höhe des Zinssatzes, Gebühren, Effektivzinssatz) ist vor dem Hintergrund der Finanzkrise der letzten Monate nicht nachvollziehbar", kritisierte der DGB.

In einer Stellungnahme der Verbraucherzentrale hieß es, Zahlungsdienstleistungen dürften nicht zu einem verdeckten Kreditgeschäft mutieren. Daher dürfe der mit einer Zahlung eingeräumte Kredit nicht länger als vier Monate laufen und müsse in dieser Zeit vollständig zurückgeführt werden. Dagegen sah die Deutsche Bundesbank keine Probleme in dem Gesetzentwurf, der rechtlich nicht zu beanstanden sei, weil EU-Recht eins zu eins umgesetzt werde.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar machte auf einen anderen Aspekt aufmerksam. Schaar kritisierte die Herausnahme der Finanzaufsicht aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes, was vom Bundesrat vorgeschlagen worden war. Damit hätten die Bürger keinen Anspruch mehr auf Zugang zu amtlichen Informationen in diesem Bereich. Eine solche Bereichsausnahme vom Informationsfreiheitsgesetz habe es bisher nur für Nachrichtendienste gegeben.

Es könnten weitere Behörden vom Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen werden. Damit drohe ein "Dammbruch", warnte Schaar. Dagegen hatte der Zentrale Kreditausschuss (ZKA) keine Bedenken gegen die Regelung. (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Regierung: Berichtspflichten zu umfangreich

    Die Berichtspflichten für Unternehmen sind nach Auffassung der Bundesregierung im internationalen Wettbewerb zu umfangreich. Dazu zählt die Regierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion auch Nachhaltigkeitsberichtspflichten. Die Offenlegung ähnlicher Sachverhalte solle weiter vereinheitlicht werden, um "Doppelreporting" zu vermeiden.

  • Digitale Souveränität in der Bundesverwaltung

    Über die Beschaffung und den Einsatz von IT-(Sicherheits-)Produkten durch den Bund als öffentlichen Auftraggeber informiert die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/14887) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (20/14226). Unter der Überschrift "Digitale Souveränität in der Bundesverwaltung" wird darin ein umfassender Überblick über die Beschaffung und Zulassung von einzelnen IT-Sicherheitsprodukten und -diensten gegeben.

  • Aktive Beteiligungsführung bei Unternehmen

    Die Bundesregierung bestätigt in ihrer Antwort (20/14693) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/14379) die zu Ende 2024 erfolgte Änderung der Richtlinien für eine aktive Beteiligungsführung bei Unternehmen mit Bundesbeteiligung. Bereits die bis November 2024 geltenden Regelungen hätten vorgesehen, dass Mitglieder des Bundestages "in Ausnahmefällen" in Aufsichtsgremien von Unternehmen mit Bundesbeteiligung berufen werden können, heißt es in der Antwort.

  • Risikostrukturausgleich der Krankenkassen

    Verschiedene gesetzliche Initiativen der vergangenen Jahre zielen nach Angaben der Bundesregierung darauf ab, unzulässige Einflussnahmen auf die Datengrundlagen des Risikostrukturausgleichs (RSA) der Krankenkassen zu verhindern und die Manipulationsresistenz des RSA zu stärken. Zuletzt sei mit dem "Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz" (GKV-FKG) 2020 die sogenannte Manipulationsbremse eingeführt worden, heißt es in der Antwort (20/14678) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/14442) der Unionsfraktion.

  • Souveräne Dateninfrastruktur

    Die Bundesregierung strebt eine effiziente, wirtschafts- und innovationsfreundliche Umsetzungsstruktur der europäischen KI-Verordnung an, die knappe Ressourcen klug einsetzt. Das antwortet die Bundesregierung (20/14421) der AfD-Fraktion auf eine Kleine Anfrage (20/14109).

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen