Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Bundesgerichtshof

Ist der Vertragsarzt Amtsträger?


BGH muss entscheiden: Werden Vertragsärzte, wenn sie ihren gesetzlich versicherten Patienten Arzneimittel verordnen, als Amtsträger oder Beauftragte im geschäftlichen Verkehr tätig
In dem zugrundeliegenden Verfahren hat das Landgericht Hamburg einen Vertragsarzt wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und eine Pharmareferentin wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr jeweils zu Geldstrafen verurteilt


(10.08.11) - Der 5. (Leipziger) Strafsenat hat unter Bezugnahme auf den inhaltsgleichen Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats (dazu BGH-Presseerklärung Nr. 76/2011 vom 5. Mai 2011) dem Großen Senat für Strafsachen ebenfalls die Frage vorgelegt, ob Vertragsärzte (Kassenärzte) Amtsträger oder – hilfsweise – Beauftragte eines geschäftlichen Betriebs sind.

In dem zugrundeliegenden Verfahren hat das Landgericht Hamburg einen Vertragsarzt wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und eine Pharmareferentin wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr jeweils zu Geldstrafen verurteilt. Lediglich die Pharmareferentin hat gegen die Entscheidung Revision eingelegt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb das Unternehmen, bei welchem die Angeklagte als Referentin tätig war, spätestens seit dem Jahr 1997 ein "Verordnungsmanagement", auf dessen Basis Vereinbarungen mit niedergelassenen Ärzten geschlossen wurden. Danach erhalten diese Ärzte Prämien von 5 Prozent des Herstellerabgabepreises für sämtliche in einem Quartal verordneten Arzneimittel aus dem Vertrieb dieses Unternehmens. Die angeklagte Pharmareferentin übergab in Ausführung dieser Vereinbarung dem mitangeklagten Arzt mehrfach Schecks in Höhe von insgesamt über 10.000 Euro, weiterhin händigte sie auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen auch anderen (gesondert verfolgten) Ärzten Schecks aus. Mit diesen Schecks, die zum Schein als Honorare für tatsächlich nicht gehaltene Vorträge deklariert wurden, erfolgte die Zahlung der Prämien.

Das Landgericht hat in seinem sehr ausführlich begründeten Urteil die Auffassung vertreten, dass ein Vertragsarzt nicht die Anforderungen an eine Amtsträgerstellung nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB erfülle (weshalb auch die Amtsdelikte der Vorteilsannahme bzw. -gewährung, Bestechlichkeit bzw. Bestechung, §§ 331 ff. StGB ausschieden). Er sei jedoch – im Hinblick auf die gesetzlichen Krankenkassen – als Beauftragter eines geschäftlichen Betriebs im geschäftlichen Verkehr im Sinne des § 299 StGB anzusehen. Da auch im vorliegenden Verfahren die Frage entscheidungserheblich ist, ob Vertragsärzte, wenn sie ihren gesetzlich versicherten Patienten Arzneimittel verordnen, als Amtsträger oder Beauftragte im geschäftlichen Verkehr tätig werden, hat der 5. Strafsenat dieses Verfahren gleichfalls dem Großen Senat für Strafsachen vorgelegt. Da beide Fallkonstellationen gewisse Unterschiede aufweisen (u.a. Verordnung einerseits von Hilfsmitteln, andererseits von Arzneimitteln), erweitert die Vorlage für den Großen Senat zudem die Entscheidungsgrundlage.

5 StR 115/11 – Beschluss vom 20. Juli 2011
Landgericht Hamburg - Urteil vom 9. Dezember 2010 – 618 KLs 10/09 5701 Js 47/09
(Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 21.07.11: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Weitere Urteile

  • Regelung der Unternehmensnachfolge gewesen

    Das Verschenken von Geschäftsanteilen an leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge führt, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 20.11.2024 - VI R 21/22 entschieden hat, nicht ohne Weiteres zu steuerpflichtigem Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes).

  • Unerheblichkeit der Unternehmensidentität

    Mit Urteil vom 25.04.2024 - III R 30/21 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein ursprünglich im Betrieb einer Personengesellschaft entstandener und durch Anwachsung auf eine Kapitalgesellschaft übergegangener Gewerbeverlust nicht dadurch entfällt, dass die Kapitalgesellschaft den Verlust verursachenden Geschäftsbereich im Wege eines Asset Deals weiterveräußert.

  • Kläger wandte sich gegen Zinsfestsetzung

    Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hält den gesetzlichen Zinssatz von 6 Prozent p.a. für sog. Aussetzungszinsen für verfassungswidrig. Er hat daher mit Beschluss vom 08.05. 2024 - VIII R 9/23 das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen.

  • Gesamtsumme im Milliardenbereich

    Ein ausländischer Investmentfonds, der unter der Geltung des Investmentsteuergesetzes 2004 (InvStG 2004) mit Kapitalertragsteuer belastete Dividenden inländischer Aktiengesellschaften bezog, hat nach dem Unionsrecht im Grundsatz einen Anspruch auf Erstattung dieser Steuer.

  • Datenverarbeitung durch die Finanzverwaltung

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschlüssen vom 27.05.2024 in zwei Verfahren (II B 78/23 (AdV) und II B 79/23 (AdV)) des vorläufigen Rechtsschutzes zu den Bewertungsregelungen des neuen Grundsteuer- und Bewertungsrechts entschieden, dass Steuerpflichtige im Einzelfall unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit haben müssen, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachzuweisen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen