Harte Kritik auf Siemens-Hauptversammlung


Siemens-Hauptversammlung: Wechselbad der Gefühle – Kartellstrafe bremst ein starkes Quartal aus
Krisenmanagement "mangelhaft": Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer und Vorstandsvorsitzender Klaus Kleinfeld hart kritisiert


(26.01.07) - Das hätte auf der Hauptversammlung vor 12.000 Aktionären in der Münchner Olympiahalle der große Tag für die Siemens AG werden können, wenn da nicht der Korruptionsskandal, die EU-Kartellstrafe, BenQ und der Ärger um die Vorstandgehälter gewesen wären.

"Im Hinblick auf die operative Stärke unseres Geschäfts verdeutlichen die Ergebnisse des ersten Quartals den hervorragenden Start des Geschäftsjahrs 2007", sagte Klaus Kleinfeld, Vorsitzender des Vorstands der Siemens AG.

>> Das Ergebnis der Bereiche (Operatives Geschäft) wuchs um 51 Prozent auf 1,631 Mrd. Euro.

>> Der starke operative Ergebnisanstieg schlug sich aber wegen der Kartellstrafe nicht im Gewinn (nach Steuern) 788 Mio Euro nieder. Dieser enthält einen negativen Effekt von 423 Mio. Euro im Zusammenhang mit von der Europäischen Kommission verhängten Bußgeldern gegen einige große Anbieter von gasisolierten Hochspannungsschaltanlagen. Das ist gegenüber dem Vorjahreswert von 939 Mio. Euro ein Rückgang um 16 Prozent. Der Gewinn je Aktie sank von 0,99 Euro auf 0,83 (verwässert 0,80) Euro. Im Vorjahresquartal gab es keinen Verwässerungseffekt.

>> Das Ergebnis der fortgeführten Aktivitäten, das ebenfalls den Effekt aus diesem Verfahren beinhaltet, stieg dennoch um 18 Prozent auf 714 Mio. Euro.

>> Der Umsatz kletterte im Vorjahresvergleich um 6 Prozent auf 19,068 Mrd. Euro, der Auftragseingang stieg um 4 Prozent auf 24,582 Mrd. Euro. Ohne Berücksichtigung von Währungs- und Portfolioeffekten nahmen der Umsatz um 10 Prozent und der Auftragseingang um 8 Prozent zu.

>> Der Geldsaldo betrug auf fortgeführter Basis minus 1,160 Mrd. Euro, nach minus 724 Mio. Euro im ersten Geschäftsquartal des Vorjahres.

Den guten Start ins neue Geschäftsjahr 2006/07 verdankt Siemens der Sparte Medizintechnik und der Industrieautomatisierungssparte A&D. Die Bereichsergebnisse der beiden Segmente sind um je ein Viertel gewachsen. Zudem schrieb die IT-Sparte SBS nach mehreren verlustreichen Jahren wieder schwarze Zahlen.

Wenige Stunden vor der Hauptversammlung hatte der Konzern zwei wichtige Entscheidungen bekannt gegeben. Zum einen will das Unternehmen den Autozulieferer Siemens VDO ausgliedern und an die Börse bringen. Zum anderen verkündete der Konzern in der Nacht zum Donnerstag den Kauf des amerikanischen Softwareherstellers UGS für insgesamt 3,5 Milliarden Dollar (2,7 Milliarden Euro) inklusive Schulden.

Trotz der guten Ergebnisse haben Siemens-Aktionäre die Führung des Konzerns hart kritisiert. Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) stellte fest: "Das Unternehmen schlittert von einer Affäre in die nächste." Besonders für die Kontrollsysteme sei der Korruptionsskandal ein Armutszeugnis. Weiter war Bergdolt der Siemens vor, sie habe zu langsam auf die Vorfälle reagiert und die Öffentlichkeit über das wahre Ausmaß der Affäre lange im Dunkeln gelassen. Bergdolt verurteilte zudem die 30prozentige Gehaltserhöhung für den Vorstand: Der Vorstand verlange einerseits von den Arbeitnehmern Opfern und erhöhe andererseits im Gegenzug sein Gehalt.

Wie FAZ.net berichtete sprachen sich nicht nur Vertreter von Kleinaktionären gegen eine Entlastung der Konzernführung aus. Auch Hans-Christof Hirt vom britischen Fondsmanager Hermes sagte lautFAZ.net, er könne Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlasten, da die Ergebnisse der Ermittlungen noch offen seien. Vorstand und Aufsichtsrat hätten nach seiner Ansicht die Schmiergeldaffäre aber zumindest nicht verhindert und die Aufklärung spät eingeleitet."

Ob eine Entlastung des Vorstands erfolgte, war zum Zeitpunkt es Redaktionsschlusses noch nicht bekannt.

Gegen die Kritik, für die Korruptionsfälle indirekt mitverantwortlich zu sein, verwahrte sich Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer. Er habe in seiner Amtszeit als Vorstandschef "ganz wesentliche Schritte zur Bekämpfung der Korruption eingeleitet". Dass diese Maßnahmen offenbar nicht gegriffen haben, "bedrücke" ihn "persönlich besonders stark". Von Pierer wies ferner darauf hin, dass die Verantwortung für die Aufklärung der Bestechungsaffäre beim Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats liege und er selbst an den Sitzungen des Ausschusses, die sich um die Affäre drehen, nicht teilnehme. "Damit ist, so meine ich, der Besorgnis der Befangenheit vorgesorgt."

Klaus Kleinfeld, Vorstandsvorsitzende des Siemens-Konzerns, versprach eine umfassende Aufklärung der Bestechungsaffäre. "Ich versichere Ihnen, wir tun alles, um die Vorfälle umfassend und vollständig aufzuklären", erklärte er. Außerdem will Kleinfeld das Image von Siemens, das man immer mit "Integrität, Rechtschaffenheit und Vorbildlichkeit" verbunden habe, wieder auf die rechte Bahn bringen. "Unser Ziel heißt, auch auf diesem Gebiet Vorbild für andere zu werden."
(Siemens: ra)



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