Inkasso braucht Compliance-Regeln


Verbraucherzentralen kritisieren: Unseriöses Inkasso ist eine bedrohliche Plage - Die Inkasso-Branche bedarf dringend einer Regulierung
Untersuchung über Inkassoforderungen: In 84 Prozent der Fälle war bereits die Hauptforderung unberechtigt, in 15 Prozent der Fälle blieb auch auf Nachfrage unklar, ob es sich um eine berechtigte Forderung handelt


(20.12.11) - Unseriöses Inkasso geht Hand in Hand mit Kostenfallen im Internet und unlauterer Telefonwerbung. Willkür und Phantasiegebühren treiben Inkassoforderungen in schwindelerregende Höhen. Dies belegt eine Auswertung der Verbraucherzentralen von rund 4.000 Verbraucherbeschwerden. Demnach sind 99 Prozent der Beschwerden über unseriöse Inkassopraktiken berechtigt. "Unseriöses Inkasso ist eine bedrohliche Plage. Abzocke und Einschüchterung müssen endlich gestoppt werden", fordert Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) und ergänzt: "Seriöses Inkasso ist legitim und sinnvoll. Aber auch hier kann es nicht ohne Regeln weitergehen."

Die nicht repräsentative Untersuchung zeigt: In 84 Prozent der Fälle war bereits die Hauptforderung unberechtigt, in 15 Prozent der Fälle blieb auch auf Nachfrage unklar, ob es sich um eine berechtigte Forderung handelt. Lediglich ein Prozent der erfassten Inkassoforderungen waren eindeutig berechtigt. Meist stehen nach Erkenntnis der Verbraucherberatungen unberechtigte Inkassoforderungen im Zusammenhang mit untergeschobenen Verträgen, die durch Abofallen im Internet, unerlaubte Telefonwerbung oder Gewinnspielwerbung angebahnt wurden. "Viele Betroffene zahlen aus Unkenntnis und Angst selbst unberechtigte Forderungen", berichtet Olaf Weinel, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Niedersachen. Verbraucher fühlten sich bedroht und eingeschüchtert.

Vielfach sorgen – auch bei berechtigen Forderungen – Phantasiegebühren für eine Kostenexplosion der Gesamtrechnung. So verlangten laut Untersuchungsergebnis Inkassounternehmen in rund 50 Prozent der ausgewerteten Fälle nicht nachvollziehbare Gebühren, Auslagen oder Zinsen. Unterm Strich erhöhte sich dadurch die Summe der Hauptforderungen von rund 490.000 Euro auf Gesamtforderungen in Höhe von rund 750.000 Euro.

"Inkasso braucht Regeln, gesetzliche Informationspflichten, verlässliche Gebührenvorgaben und eine schlagkräftige Aufsicht", lautet das Fazit von Gerd Billen. Auch der Bundesrat und die Verbraucherschutzministerkonferenz fordern konkrete Maßnahmen im Kampf gegen unseriöses Inkassogebaren. Gefordert sei jetzt das zuständige Bundesjustizministerium, unlautere Inkassopraktiken in die Schranken zu weisen.

Konkret fordern der vzbv und die Verbraucherzentralen:

>> die gesetzliche Verankerung von Informationspflichten für Inkassodienstleister,
>> die angemessene Deckelung der Gebührensätze für Inkassodienstleistungen in Anlehnung an das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG),
>> die rechtliche Festschreibung der Verhältnismäßigkeit zwischen Haupt- und Nebenforderung (analog zu Österreich),
>> die Verhinderung von Phantasiegebühren und –zinsen durch klare Kostenvorgaben,
>> eine schlagkräftige Aufsicht mit lediglich einer zuständigen Aufsichtsbehörde pro Bundesland,
>> ein effektives Sanktionsregime, das von gestaffelten Geldbußen bis hin zum Entzug der Zulassung reicht.

Inkassounternehmen können ihre Gebühren nach Gutsherrenart nahezu willkürlich festlegen, kritisieren die Verbraucherzentralen. Das Prinzip sei einfach: Eine auf den ersten Blick kleine Hauptforderung blähe sich durch Phantasiegebühren, Aufschläge und Zinsen zu einem Vermögen auf. So wachsen Bagatellforderungen zu Beträgen von mehreren Hundert oder gar tausend Euro an. Ein krasser Fall aus der Schuldnerberatung der Verbraucherzentralen: Die Hauptforderung belief sich auf 20,84 Euro, am Ende wurde die Zahlung von 1.200 Euro verlangt. "Angeschwollene Bagatellforderung" nennen das die Fachleute.

Bedrohung und Einschüchterung
Rund drei Viertel der in der Untersuchung befragten Verbraucher fühlten sich von den Inkassoschreiben bedroht und eingeschüchtert. Gedroht werde mit Hausbesuchen, einem Eintrag bei der Schufa oder Lohn- und Kontopfändung. "Ein Inkassounternehmen drohte mit der Beauftragung einer Detektei, die Vermögens- und Arbeitsverhältnisse des Schuldners auszuspionieren – wegen einer Hauptforderung von 15,87 Euro", berichtet Olaf Weinel. Ein anderes Inkassounternehmen fügte ihrer Zahlungsaufforderung in vielen Fällen einen auf den Verbraucher zugeschnittenen "Entwurf einer Klageschrift" bei.

Aufsicht und Selbstregulierung versagen
Auch sonst könnten die Unternehmen weitgehend unkontrolliert agieren. "Ein Mangel an effektiven Kontrollen und Sanktionen ist geradezu eine Einladung für Betrüger", sagt Gerd Billen. Bundesweit sind rund 80 Aufsichtsbehörden für Inkassounternehmen zuständig. Eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein im Jahr 2010 ergab, dass bundesweit lediglich in zwei Fällen Inkassofirmen aufgrund von Verbraucherbeschwerden die Zulassung entzogen wurde. Auch die Selbstregulierung der Branche funktioniere nicht. So würden die "berufsrechtlichen Richtlinien" des Bundesverbandes Deutscher Inkassounternehmen (BDIU) weder eine Gebührenordnung noch konkrete Informationspflichten vorgeben.

750 zugelassene Inkassounternehmen
In Deutschland gibt es rund 750 zugelassene Inkassounternehmen. Zwei Drittel davon sind im Dachverband BDIU organisiert. Sie bewegen nach Auskunft des Verbandes jährlich ein Forderungsvolumen von über 24 Milliarden Euro. Nur bei Gerichten registrierte Inkassounternehmen dürfen Schulden eintreiben. (Verbraucherzentralen Bundesverband: ra)

Verbraucherzentrale Bundesverband: Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Studien

  • Gefahren von strategischer Korruption

    Transparency International hat den Korruptionswahrnehmungsindex 2024 (Corruption Perceptions Index, CPI) veröffentlicht. Der jährlich erscheinende Index ist der weltweit bekannteste Korruptionsindikator. Er umfasst 180 Staaten und Gebiete und bewertet den Grad der in Politik und Verwaltung wahrgenommenen Korruption. Der Meta-Index beruht auf der Einschätzung von Experten sowie Führungskräften.

  • Budgets für Datenschutz 2025 werden sinken

    Mehr als zwei von fünf (45 Prozent) Datenschutzbeauftragten in Europa glauben, dass das Datenschutzbudget ihrer Organisation unterfinanziert ist. Dies bedeutet einen Anstieg von 41 Prozent im Jahr 2024. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) erwartet zudem, dass die Budgets im Jahr 2025 weiter sinken werden. Das geht aus einer neuen Studie von ISACA hervor, dem weltweit führenden Berufsverband, der Einzelpersonen und Organisationen bei ihrem Streben nach Digital Trust unterstützt.

  • Compliance-Regulierungsdruck nimmt weltweit zu

    Sphera hat ihren Supply Chain Risk Report 2025 veröffentlicht. Dieser Bericht umfasst eine eingehende Analyse der dringendsten Risiken und aufkommenden Chancen, die die globalen Lieferketten verändern. Er bietet Führungskräften aus den Bereichen Beschaffung, Lieferkette und Nachhaltigkeit handlungsrelevante Einblicke, um die komplexen Herausforderungen zu meistern, mit denen sich Unternehmen angesichts neuer gesetzlicher Bestimmungen, wirtschaftlicher Unbeständigkeit und erhöhter ökologischer und sozialer Verantwortung auseinandersetzen müssen.

  • Digitale Steuer-Transformation

    Eine von Vertex veröffentlichte Studie zeigt, dass Fachkräftemangel und Qualifikationsdefizite in Steuerteams Unternehmen auf ihrem Weg zu einer erfolgreichen digitalen Steuer-Transformation behindern können. Die Studie "Global Tax Transformation" befragte 610 Fachleute in Europa und den USA, um die aktuelle Situation in den Unternehmen und die Einstellung der Fachleute zur Transformation in ihrer Organisation zu verstehen.

  • NIS2-Richtlinie & wie es um die Vorbereitung steht

    Eine aktuelle Veeam-Studie zur NIS2-Richtlinie zeichnet ein ernüchterndes Bild der IT-Sicherheitslage in deutschen Unternehmen. Während sich 70 Prozent der befragten Firmen gut auf die neue EU-Richtlinie vorbereitet fühlen, sind nur 37 Prozent von ihnen nach eigener Angabe tatsächlich konform zur NIS2. Diese eklatante Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und Realität ist bezeichnend für den oftmals leider noch zu laxen Umgang vieler Organisationen mit Cyber-Sicherheit und vor allem im KRITIS-Bereich bedenklich.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen