Grundrechtsschutz zum Nulltarif möglich?


"So wird daraus nichts": ULD kommentiert Planungen der Deutschen Bundesregierung zum Thema "Stiftung Datenschutz"
"Die Erfahrungen des ULD in seiner über 10jährigen Zertifizierungspraxis zeigen, dass Transparenz und eine qualifizierte unabhängige Zertifizierungsstelle für vertrauenswürdige und erfolgreiche Verfahren unabdingbar sind"


(29.02.12) - In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz (BT-Drs. 17/8513) vom 13. Februar 2012 legt die Bundesregierung teilweise ihre Planungen offen zur "Stiftung Datenschutz", "die Produkte und Dienstleistungen auf Datenschutzfreundlichkeit prüfen, Bildung im Bereich des Datenschutzes stärken, den Selbstdatenschutz durch Aufklärung verbessern und ein Datenschutzaudit entwickeln soll": "Um das Stiftungsvermögen dauerhaft zu erhalten, sollen die Personal- und Sachkosten gering gehalten werden."

Laufende, über den im Haushalt 2011 vorgesehene Zuwendungen in Höhe von 10 Mio. Euro sind nicht vorgesehen. Trotzdem ist als Gremium neben Vorstand und Verwaltungsrat ein 33köpfiger Beirat geplant, bei dem 15 der Mitglieder von der Wirtschaft gestellt werden sollen, um "Fachkompetenz und eine angemessene Interessenwahrnehmung durch unterschiedliche Beteiligte zu gewährleisten". Die den Beiräten entstehenden Aufwendungen werden nicht erstattet. Der Satzungsentwurf der Stiftung sehe vor, "dass die Prüfung von Produkten und Dienstleistungen möglichst in Zusammenarbeit mit Stellen erfolgen soll, die sich die unabhängige Prüfung von Produkten und Dienstleistungen auf ihre Datenschutzfreundlichkeit zum Ziel gesetzt haben".

Diese Planungen werden von Thilo Weichert, dem Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), kommentiert: "So wie die Bundesregierung dieses im Grunde richtige Projekt bisher angefasst hat, kann nichts daraus werden: Die Anregungen und Vorschläge der Datenschutzbehörden blieben bisher weitestgehend unberücksichtigt. Bei der Standortwahl werden ausschließlich Aspekte der Wirtschaftsförderung berücksichtigt, ohne an vorhandene Strukturen anzuknüpfen. Die Regierung meint anscheinend, Anreize zum Grundrechtsschutz seien zum Nulltarif ohne Übernahme eigener Verantwortung möglich, und legt diese voll in die Hände der Wirtschaft. Für Akzeptanz und wirksamen Grundrechtsschutz sind aber allgemein vertrauenswürdige Rahmenbedingungen nötig – nur auf dieser Basis kann sich das Geschäftsfeld Datenschutzzertifizierung für private Prüfgesellschaften erfolgreich entwickeln.

Die Erfahrungen des ULD in seiner über 10jährigen Zertifizierungspraxis zeigen, dass Transparenz und eine qualifizierte unabhängige Zertifizierungsstelle für vertrauenswürdige und erfolgreiche Verfahren unabdingbar sind. Dazu fehlen bei den Regierungsplanungen bisher alle Voraussetzungen: genügend technisch und rechtlich qualifiziertes Personal, die sinnvolle Einbindung der Expertise der Datenschutzaufsicht und schlanke, fachlich orientierte Verfahren. Geplant ist bisher nicht viel mehr als eine Geschäftsstelle, die vorrangig einen wirtschaftsgetriebenen Debattierclub koordiniert. Der aufgeblähte Beirat wird selbst vom IT-Branchenverband Bitkom kritisiert. Spätestens seit der aktuellen Vorlage der Entwürfe der Europäischen Kommission für eine Datenschutz-Grundverordnung sollte auch der Bundesregierung klar sein, dass die Zukunft des Datenschutzes nicht in einem Schachern über Bedingungen der personenbezogenen Datenverarbeitung liegt, sondern in der präventiven Sicherung von `Compliance´ – also der Beachtung verpflichtender Datenschutznormen.

Es besteht die Gefahr, dass sich hier Deutschland mit einem kleinkarierten und bürokratischen Ansatz die Chance verbaut, europa- und weltweit in der aufstrebenden Datenschutzbranche führend zu sein. Wirklicher Grundrechtsschutz und effektive Wirtschaftsförderung gehen anders."
(ULD)

ULD: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Weitere Maßnahmen sollten folgen

    Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) begrüßt die Entscheidung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), den sektoralen Systemrisikopuffer für Wohnimmobilienfinanzierungen von zwei auf ein Prozent zu senken. Damit reagiert die Aufsicht auf die veränderten Marktbedingungen und kommt einer Forderung der Kreditwirtschaft nach. Der Schritt ist ein wichtiges Signal für die differenzierte und verantwortungsvolle Anwendung makroprudenzieller Instrumente.

  • Dringend gesetzliche Klarheit & Bürokratieabbau

    Als am 1. Juli 2024 die Pflegepersonalbemessungsverordnung (PPBV) in Kraft getreten ist, waren sich die meisten Krankenhäuser über die weitreichenden Folgen vermutlich noch gar nicht im Klaren. Denn: Auch wenn der ursprüngliche Gedanke aus dem Gesundheitsministerium durchaus begrüßenswert ist - nämlich Pflege und Versorgung im Gesundheitswesen zu verbessern - ist es wieder einmal das Wie, das eine Besserung der oftmals dramatischen Lage verhindert. In der Praxis erweist sich die Verordnung nämlich nicht als pragmatische Lösung für bessere Arbeitsbedingungen oder einen Abbau von zeitintensiver Bürokratie, sie ist ziemlich genau das Gegenteil: ein bürokratisches Monster, das an inhaltlicher Komplexität seinem eigenen Namen in nichts nachsteht.

  • Stärkung der Demokratie notwendiger denn je

    Transparency Deutschland (TI-D) hat den Koalitionsvertrag der neuen Regierung geprüft - die Bilanz fällt weitgehend ernüchternd aus. Mit Blick auf Lieferkettengesetz, Geldwäschebekämpfung sowie Klima- und Umweltpolitik seien leider erhebliche Rückschritte zu erwarten.

  • Bewertung von PCI DSS 4.0

    Am 31. März 2025 trat die neueste Version des Payment Card Industry Data Security Standard (PCI DSS) in Kraft - Version 4.0*. PCI DSS 4.0 verlangt nicht nur, dass digitale Identitäten eindeutig Personen zugeordnet werden, sondern legt zudem den Fokus auf die Aufrechterhaltung robuster Sicherheitsmaßnahmen angesichts sich ständig weiterentwickelnder Cyberbedrohungen. Organisationen, die mit Zahlungskartendaten arbeiten, müssen verbesserte Sicherheitsanforderungen umsetzen - darunter auch starke Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA).

  • EU-Richtlinie gegen Diskriminierung muss kommen

    Auf EU-Ebene fanden weitere Verhandlungen zur "5. Antidiskriminierungsrichtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung" statt. Der Sozialverband VdK fordert die Bundesregierung auf, sich endlich dafür einzusetzen, dass diese verabschiedet wird.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen