FDP: Neuer Schritt in die Zwei-Klassen-Medizin


Erstattungsprinzip beim Arztbesuch: Philipp Rösler bläst zum Angriff auf das Solidaritätsprinzip der "Gesetzlichen Krankenkassen"
GKV-Spitzenverband: "Das klingt alles sehr nach einem staatlichen Förderprogramm für die private Krankenversicherung als Nischenanbieter, weil ihr die Kosten davon laufen"

(04.10.10) - Wenn es nach dem Willen des FDP-Gesundheitsministers Philipp Rösler geht, müssen gesetzlich Krankenversicherte ihre Behandlung künftig häufiger beim Arzt selbst bezahlen und sich hinterher einen entsprechenden Anteil von der Krankenkasse ersetzen lassen. Der Haken dabei: Immer häufiger wird es dann passieren, dass nur ein Teil der Kosten erstattet bzw. das ein notwendiger Arztbesuch aus Kostengründen erst gar nicht wahrgenommen wird.

Schon jetzt gibt es für gesetzlich Versicherte die Möglichkeit, Kostenerstattungstarife zu wählen - sie erhalten dann aber nur 90 Prozent der bezahlten Arztkosten zurück.

Was für Rösler, Ex-Stabsarzt der Bundeswehr, eine Angleichung des gesetzlichen an das private Kassensystem darstellt, ist der endgültige Schritt in die Zwei-Klassen-Medizin - was Transparenz und Wettbewerb stärken soll, die Abkehr vom Solidaritätsprinzip durch die Hintertür.

Kranksein muss man sich zukünftig im Land eines FDP-Gesundheitsministers Philipp Rösler leisten können, ebenso wie den dazugehörigen Arztbesuch.

Der angenehme Nebeneffekt, wenn man die Folgen betrachtet:
Die FDP beugt auf diese Weise einer Überalterung der Bevölkerung und damit verbunden auch einem Zusammenbruch des Rentensystems vor. Gesund alt wird nur noch derjenige, der das nötige Kleingeld hat. Der Rest der "ärmeren" Bevölkerung würde sich auf diese Weise diskret selbst entsorgen, weil das Geld zum Arztbesuch bzw. für die notwendige Therapie fehlt.

Eigentlich wäre dies ein richtiger Selbstläufer: Medizinische Non-Compliance auf höchsten Niveau. Zu mangelhaften Therapietreue kommt es erst gar nicht, wenn man den Arztbesuch aus Kostengründen meiden muss.

Für die FDP ist dies wahrscheinlich ein akzeptabler Kollateralschaden, denn die Gruppe der "Unterschicht" stellt ohnehin nicht ihre traditionelle Wählerschaft dar.

Wer der "geistige" Vater von Röslers Idee ist, lässt sich nur schwer ausmachen. Liberale Klientelpolitik für private Krankenkassen kann dahinter ebenso stehen, wie Lobbyarbeit für die Ärzteschaft gepaart mit fehlender Sensibilität für die Nöte der ärmeren Bevölkerung. Bereits in der Vergangenheit geriet Röslers "Partei"-Arbeit für die Industrie in Kritik.

Das Internet-Lexikon Wikipedia registrierte:

"Beeinflussung durch Pharmaindustrie
Im Juni 2009 unterzeichnete Rösler als niedersächsischer Wirtschaftsminister in Absprache mit dem Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) - einem Interessenverband der Pharmaindustrie - eine Stellungnahme gegen das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Da der von den Landeswirtschaftministern gefasste Beschluss, das IQWiG schade dem Standort Deutschland, in weiten Teilen identisch mit dem VfA-Entwurf ist, sehen Kritiker darin eine erfolgreiche Lobbyarbeit der Pharmaindustrie gegen die Kontrolle von Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.[9]

PKV-Direktor im Gesundheitsministerium
Im Januar 2010 berief Rösler den stellvertretenden Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung Christian Weber zum Leiter der Grundsatzabteilung im Gesundheitsministerium.[10] Da Weber eine Umstellung des Gesundheitssystems von der solidarischen Umlagefinanzierung auf eine private Basis ausarbeiten soll, bezeichnen Kritiker Röslers Vorgehen als Klientelpolitik.[11][12]"

Zu den Plänen von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler das Prinzip der Kostenerstattung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu stärken, erklärte der Pressesprecher des GKV-Spitzenverbandes Florian Lanz:

"Vorkasse heißt, dass den Ärzten der direkte Griff in die Portemonnaies ihrer Patienten ermöglicht wird. Das lehnen wir ab. Das Sachleistungsprinzip ist ein Eckpfeiler der sozialen Krankenversicherung. Wenn kranke Menschen zum Arzt gehen, dann sollen sie sich nicht erst fragen müssen, ob ihr Geld dafür reicht.

Mit der Stärkung der Kostenerstattung geht das Förderprogramm der privaten Krankenversicherung ganz offenbar weiter: Besserverdienende sollen schneller aus der GKV in die PKV wechseln können, von den Ergebnissen der Arzneimittel-Preisverhandlungen der gesetzlichen Kassen werden nach Regierungsplänen auch die privaten Versicherungen profitieren können und dann sollen auch noch die Zusatzversicherungen der gesetzlichen Kassen eingeschränkt werden. Das klingt alles sehr nach einem staatlichen Förderprogramm für die private Krankenversicherung als Nischenanbieter, weil ihr die Kosten davon laufen."

Begriffsklärung:
Kostenerstattung ist ein Prinzip der privaten Krankenversicherung. Der Patient erhält vom Arzt eine Rechnung, die er zuerst selbst bezahlt. Dann reicht er die Rechnung bei seiner Krankenkasse ein und erhält das ausgelegte Geld – allerdings nur für jene Leistungen, die dem Leistungskatalog der Kasse entspricht. Hat der Patient Leistungen bezahlt, die dem Katalog nicht entsprechen, bleibt er auf den Kosten sitzen.

In der GKV gilt das Sachleistungsprinzip. Das heißt, über die Beiträge hat der Versicherte bereits alle Kosten, die bei einem Arztbesuch anfallen, bezahlt. Für ihn verbleiben lediglich die gesetzlichen Zuzahlungen und die Praxisgebühr.
(GKV-Spitzenverband: ra)

Lesen Sie auch:
Arbeitslosengeld II & private Krankenversicherung

GKV-Spitzenverband: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Berichtspflichten dürfen kein Selbstzweck sein

    Die Europäische Kommission hat ihre Omnibus-Initiative zur Vereinfachung der ESG-Regulierung vorgestellt. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) hat bereits im Vorfeld Vorschläge gemacht, wie das Regelwerk effizienter und steuerungsrelevanter werden kann.

  • Vereinfachung von Nachhaltigkeitsvorschriften

    Die EU-Kommission legte ihr erstes sogenanntes Omnibus-Paket zur Vereinfachung von Nachhaltigkeitsvorschriften vor, um Regulierungen und Bürokratie abzubauen. Zugleich sollen mit dem Clean Industrial Deal (CID) wichtige industriepolitische Weichen gestellt werden.

  • FIDA-Einführung belastet Finanzsektor erheblich

    Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) fordert eine umfassende und sorgfältige Überprüfung des Vorschlags der Europäischen Kommission zur Financial Data Access Regulation (FiDA). Die Debatte um das neue Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission bis hin zu einer Rücknahme des FiDA-Vorschlags verdeutlicht den erheblichen Klärungsbedarf in zentralen Fragen.

  • EU-Regulierung von Online-Marktplätzen

    Zur Mitteilung der EU-Kommission zu den aktuellen Herausforderungen im Bereich von E-Commerce-Plattformen erklärt Dr. Bernhard Rohleder, Bitkom-Hauptgeschäftsführer: "Die EU-Kommission schlägt mit ihrer Mitteilung den richtigen Weg ein. Wer online einkauft, muss sich auf die Sicherheit der angebotenen Produkte verlassen können. Dafür braucht es allerdings keine weiteren Regeln, sondern stärkere Importkontrollen und die Aufhebung der Zollfreigrenze von 150 Euro. Denn wenn außereuropäische Händler unter Ausnutzung dieser Grenze illegale Produkte einführen, gefährdet das nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch europäische Anbieter."

  • Künstliche Intelligenz: Was für Unternehmen gilt

    Seit Sonntag, 2. Februar 2025 sind weitere Regelungen der europäischen KI-Verordnung (AI Act) in Kraft. Dabei handelt es sich zum einen um Verbote von bestimmten KI-Praktiken wie Social-Scoring-Systemen, manipulative KI-Techniken oder Emotionserkennung am Arbeitsplatz. Zum anderen greifen Vorgaben für KI-Kompetenzanforderungen von Beschäftigten.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen