Zuwanderung ausländischer Fachkräfte


"Fachkräftezuzug und Integration": Ein Plädoyer für eine sachliche Auseinandersetzung, von Oliver Tuszik, Vorstandsvorsitzernder Computacenter Deutschland
"Der Fachkräftezuzug kann also nicht das alleinige Mittel der Wahl sein - Vielmehr müssen wir auch in eine noch bessere Aus- und Weiterbildung investieren, denn Deutschland war immer ein Ausbildungsland"


(24.11.10) - "Eine unschöne Melange aus sachlichen Gründen für den Zuzug von Fachkräften auf der einen und Parteipolitik sowie Polemik auf der anderen Seite", erkennt Oliver Tuszik, Vorstandsvorsitzernder Computacenter Deutschland. Er plädiert beim Thema "Bekämpfung des Fachkräftemangels und Zuwanderung ausländischer Fachkräfte" für eine sachliche Auseinandersetzung innerhalb der politischen Lager und Vertreter kontroverser Meinungen. Dies gelte besonders für die Punkte "Fachkräftezuzug und Integration".

"Wer aber ohne Grund und aus Kalkül die Themen vermischt, verhindert eine sachliche Auseinandersetzung mit einer Herausforderung, die den Wirtschaftsstandort Deutschland bedroht. Denn unabhängig von der Integrationsdebatte haben wir einen Fachkräftemangel, mit dem wir umgehen und den wir lösen müssen.

Die dramatische Fachkräftelücke kostet die Gesellschaft jährlich Milliarden. So hat allein der bestehende Ingenieurmangel nach einer Studie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und des IW Köln im Krisenjahr 2009 zu einem Wertschöpfungsverlust in Höhe von 3,4 Milliarden Euro geführt. Stark betroffen ist auch die IT-Branche: So hat Computacenter seit Jahren durchgehend über hundert offene Stellen. Und gerade derzeit, wo die Wirtschaft wieder boomt, wird der Mangel an Fachkräften auch für uns zunehmend zu einem Wachstumshemmer.

Ob wir die Lücke durch Aus- und Weiterbildung oder durch Zuzug schließen, ist aus meiner Sicht keine Frage eines Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Wir müssen offen für ausländische Experten sein und ein klares Zeichen in ihre Richtung senden, dass wir ein modernes Land sind – dieses Signal muss insbesondere auch von einer innovativen Branche wie der IT ausgehen. Aber wir brauchen auch einen Fachkräftenachwuchs in und aus Deutschland. Denn alleine durch Zuzug lässt sich das Problem auf Dauer nicht lösen.

Laut Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) gab es im Oktober in der IT 20.000 offene Stellen. In den vier Jahren Greencard kamen aber nur 17.931 IT-Experten nach Deutschland. Auch wenn die Gegenüberstellung der Zahlen nicht fair ist, da die Greencard vom Zusammenbruch der New Economy überschattet war, zeigt der Vergleich doch, dass wir uns nicht allein auf den Zuzug verlassen sollten.

Fraglich ist nämlich auch, ob Deutschland für Zuwanderer tatsächlich attraktiv ist: Wir haben andere gesellschaftliche Strukturen als die USA oder als Großbritannien, das seit der Kolonialzeit als Einwanderungsland gilt. Und es mangelt uns tatsächlich an einer 'Willkommenskultur', was beispielsweise bei der schwierigen Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse offensichtlich wird. Zudem macht auch die Sprache andere Standorte attraktiver.

Ein Drittel der Greencard-Empfänger kamen aus Indien und natürlich gehen diese lieber ins englischsprachige Ausland, da sie sich dort ohne weiteres verständigen können. Das gilt aber auch für Experten aus anderen Ländern, von denen viele die Weltsprache Englisch in der Schule gelernt haben. Und man sollte auch nicht vernachlässigen, dass beispielsweise unsere Kunden deutschsprachige Ansprechpartner haben wollen. Und letztlich sind soziale Bindungen der Zuwanderer nicht zu unterschätzen. Natürlich gehen sie lieber in Länder, in denen sich bereits Familienangehörige oder Freunde wohlfühlen. Dass Deutschland für ausländische Experten nicht erste Wahl ist, zeigt sich auch daran, dass die meisten der 17.931 Greencard-Experten wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind.

Der Fachkräftezuzug kann also nicht das alleinige Mittel der Wahl sein. Vielmehr müssen wir auch in eine noch bessere Aus- und Weiterbildung investieren, denn Deutschland war immer ein Ausbildungsland.

Aber auch da ist Ehrlichkeit angesagt: Es ist richtig, dass drei Millionen Arbeitslose und eine weitere Millionen in Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen sind. Es ist auch richtig, wenn gefordert wird, dass wir verstärkte Anstrengungen benötigen, das 'einheimische Potenzial' zu heben. Aber man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Nicht jeder Arbeitssuchende eignet sich für eine Laufbahn als IT-Experte oder Ingenieur. Das hängt von individuellem Potenzial und Neigungen ab. Wer Menschen vorgaugelt, Deutschland könne den Fachkräftemangel nur über die Fortbildung von Arbeitssuchenden beheben, der spielt mit der Zukunft unseres Landes.

Unsere Kunden – dazu gehören auch viele deutsche Globalplayer – fragen derzeit insbesondere hochqualifizierte IT-Experten nach. Diese sollen Projekte umsetzen, die das Geschäft der Kunden und Wachstum sichern. Jemand, der eine kurze Fortbildung im IT-Umfeld gemacht hat, können wir hier nicht ins Rennen schicken.

Die Devise muss daher lauten: Das eine tun und das andere nicht lassen! Egal welche Lösung die Politik anstreben wird, Industrie und Unternehmen sollten das Heft des Handelns selber in die Hand nehmen. So bildet Computacenter jedes Jahr aus und hat die Zahl der Auszubildenden in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt.

Zudem ermöglichen wir mit unserem Absolventen- und Praktikantenprogramm 'Exploras' und unseren Trainee-Programmen Studierenden und Absolventen den Einstieg in unsere Branche. Und wir gehen eigeninitiativ oder über das IT-Scout-Programm des Bitkom an Schulen, um frühzeitig für die IT zu werben.

Der Hintergrund: Eine Studie zur Generation Digital, die Computacenter im Herbst 2008 zusammen mit TNS Emnid durchgeführt hat, zeigte, dass Uniabsolventen und Berufseinsteiger sich selten für unsere Branche entscheiden, weil diese ein 'total uncooles Image' hat.

Viele halten IT-Mitarbeiter für Eigenbrödler, die mit Pizza und Cola alleine vor dem PC sitzen. Dass meine Kolleginnen und Kollegen aber alle in Teams arbeiten und etwa drei viertel von ihnen regelmäßig bei Kunden sind, das sehen sie leider nicht. Soziale Kompetenz und Offenheit sind bei uns ein absolutes Muss und das versuchen wir in regelmäßigem Dialog mit jungen Menschen zu vermitteln.

Wir müssen Interesse wecken, Missverständnisse ausräumen und Erkenntnisse gewinnen, was junge Erwachsene vom Job erwarten, um sie gezielter anzusprechen. Das gilt aber nicht nur für die IT, sondern für alle technischen und hochqualifizierten Berufe. Im Studienjahr 2009/2010 haben in Deutschland 603.309 Studierende begonnen, davon nur etwa ein drittel in Mathematik, den Naturwissenschaften und den Ingenieurswissenschaften. Im Bereich der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften haben mit 202.149 Studierenden fast genauso viele begonnen. Und in den Sprach- und Kulturwissenschaften starteten mit 116.423 Studierenden mehr als in den Ingenieurswissenschaften (109.241).

Wenn wir den Hightechstandort Deutschland erhalten wollen, dann müssen wir mehr junge Menschen für technische Berufe begeistern und die oben dargestellte Studienverteilung in Richtung Natur- und Ingenieurswissenschaften verändern.

Hinsichtlich der Frage 'Fachkräftezuzug oder Ausbildung?' gilt es also, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Nur so können wir den Wirtschaftsstandort Deutschland und unseren Wohlstand auf Dauer sichern. Ich hoffe, dass das auch die Politik erkennt."
(Computacenter: ra)


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