Sie sind hier: Home » Markt » Hintergrund

Konjunkturelle Entwicklung im Zeichen des Krieges


Mit den politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten wachsen auch die Herausforderungen für die Unternehmensfinanzierung
Die Auswirkungen des Krieges sowie die Nachwirkungen der Pandemie treffen mit voller Wucht auf die an sich gut aufgestellten deutschen Unternehmen



Dietmar Schwarz, Associate Director, Bundesverband deutscher Banken

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine führt nicht nur zu unvorstellbarem Leid aufseiten der ukrainischen Zivilbevölkerung, er hat auch massive Auswirkungen auf die europäische und deutsche Wirtschaft. Zu Recht hat Bundeskanzler Olaf Scholz bereits wenige Tage nach Kriegsausbruch das Wort Zeitenwende benutzt, um die mit dem Krieg in Europa einhergehenden Konsequenzen zu umschreiben. Stand heute ist weder ein Ende des Krieges absehbar noch erkennbar, welche Szenarien oder Eskalationen noch eintreten können. Diese Unsicherheit belastet die Wirtschaft zusehends.

Mit hoher Geschwindigkeit haben sich die Mitgliedstaaten der EU und die übrigen G7-Länder bisher auf umfassende und überwiegend gleichlaufende Sanktionsmaßnahmen gegen Russland und Belarus geeinigt. Damit Unternehmen und Banken diese zielgenau umsetzen können, bedarf es präziser Formulierungen, die keine Auslegungsfragen offenlassen. Ein Nicht-Gleichlauf oder Unklarheiten in den Sanktionsvorgaben führen bei Banken möglicherweise zu stärkerer Zurückhaltung, um Rechtsrisiken zu vermeiden.

Noch Anfang des Jahres standen die Signale mit dem allmählichen Abflauen der Omikron-Welle im Frühjahr auf Wachstum: Sowohl die sinkenden Arbeitslosenzahlen als auch eine anziehende Produktion sendeten – trotz bereits deutlicher Preissteigerungen – vielversprechende Signale. Mit Kriegsausbruch haben sich die Aussichten für das laufende Jahr aber deutlich eingetrübt. Die Kombination aus einer stark erhöhten Inflation, ansteigenden Energie- und Rohstoffpreisen und weiterhin brüchigen Lieferketten sowie einem zunehmenden Fachkräftemangel sorgt dafür, dass die Prognosen für das laufende Jahr zuletzt deutlich nach unten revidiert wurden und in Deutschland lediglich mit einem Wachstum zwischen 1,5 Prozent und 2 Prozent gerechnet wird.

Die Inflationsrate – aktuell knapp über 8 Prozent im Euroraum – dürfte auch mittelfristig deutlich über den von der Europäischen Zentralbank (EZB) avisierten 2 Prozent liegen. Zuletzt veröffentlichte Äußerungen aus den Reihen des EZB-Rats deuten darauf hin, dass erste Reaktionen auf das geänderte Preisumfeld unmittelbar bevorstehen, damit auch die Anhebung des Leitzinssatzes. Aus Sicht des Bankenverbandes sollte die EZB die Negativzinspolitik in einem Schritt von 50 Basispunkten noch vor der Sommerpause beenden. Das wäre ein wichtiges Signal, um die steigenden Inflationserwartungen zu bremsen.

Unternehmen ächzen unter den unterschiedlichen Herausforderungen…
Die Auswirkungen des Krieges sowie die Nachwirkungen der Pandemie treffen mit voller Wucht auf die an sich gut aufgestellten deutschen Unternehmen. Ob direkt oder indirekt vom Krieg betroffen, die Mischung aus (seit Corona) porösen Lieferketten, massiv gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen sowie einem möglicher Gaslieferstopp bzw. plötzlichen Versorgungsengpässen verdüstern gegenwärtig den Ausblick. Indikatoren hierfür sind unter anderem ein bereits in einzelnen Branchen feststellbarer Rückgang der Produktion sowie eine weiterhin zurückhaltende Investitionsbereitschaft. Zwar lässt sich derzeit noch keine Zunahme an Unternehmensinsolvenzen feststellen – im Gegenteil: noch liegen diese deutlich unter dem Vorkrisenniveau –, doch es muss damit gerechnet werden, dass einzelne Unternehmen in den kommenden Monaten in Schwierigkeiten geraten könnten.

Anders als während der Corona-Pandemie sendet die Bundesregierung erste Signale in Richtung Unternehmen und Verbraucher, wonach Effekte wie Preisanstiege oder Engpässe nicht gänzlich zu verhindern seien und die Auswirkungen der sogenannten Zeitenwende dauerhaft spürbar sein dürften. Gleichwohl stehen unverschuldet in Notlage geratenen Unternehmen bereits jetzt erste Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung, die bei Bedarf kurzfristig erweitert werden können. Zwar ist die Nachfrage nach dem neuen KfW-Sonderprogramm sowie den Angeboten der Bürgschaftsbanken gegenwärtig noch recht gering, und anders als während der Corona-Pandemie ist auch kein vorsorgliches Eindecken mit Liquidität erkennbar. Doch dies kann sich je nach weiterer Entwicklung schnell ändern. Zumindest als Signal sind diese staatlichen Angebote ergänzend zur regulären Unternehmensfinanzierung über Kredite oder den Kapitalmarkt ein wichtiges Signal der Stabilisierung in Zeiten der Ungewissheit.

…während deren Kreditbedarf deutlich zunimmt
Deutlich ablesbar ist der höhere Bedarf an Fremdkapital in aktuellen Zahlen der Bundesbank: Nach den volatilen Zahlen während der Hochphase der Pandemie spricht das ausstehende Kreditvolumen von Unternehmen und Selbstständigen im ersten Quartal 2022 für eine dynamische Nachfrage. Bereits im dritten Quartal in Folge steigt das Volumen deutlich an, zuletzt insbesondere bei privaten Banken (v. a. Großbanken und Auslandsbanken), die damit ihre Rückgänge der vergangenen Quartale wettmachen können. Ein weiterer Beleg für den unmittelbaren Finanzierungsbedarf der Unternehmen ist die massive Nachfrage nach kurzfristigen Krediten. Hinsichtlich der Kreditvergabestandards erwarten Banken und Unternehmen derweil eine leichte Verschärfung, die in erster Linie auf höhere Risikoeinschätzungen und -vorsorge bzw. eine geringere Risikotoleranz zurückzuführen ist.

Herausforderungen werden weiter zunehmen – Rahmenbedingungen müssen stimmen
Angesichts der Vielzahl an Herausforderungen muss sich die deutsche Wirtschaft auf massive Änderungen einstellen. Die Bewältigung der unmittelbaren Kriegsauswirkungen, die strategische und resiliente Neuausrichtung von Lieferketten, Rohstoffen und Import-/Exportmärkten sowie die nachhaltige und digitale Transformation sollten den Finanzierungsbedarf der Wirtschaft kurz- bis mittelfristig nochmals deutlich in die Höhe treiben. Banken kommt in ihrer Funktion als Transmissionsriemen der Wirtschaft hierbei eine entscheidende, wenn nicht die zentrale Rolle zu. Um als Intermediär und Kreditgeber nicht unangemessen und womöglich unbeabsichtigt ausgebremst zu werden, müssen die Rahmenbedingungen für Banken insbesondere im Zusammenhang mit Eigen-kapitalvorgaben durch Regulierung und Aufsicht angemessen ausgestaltet sein.

Eine ausführliche Analyse zu diesen Punkten finden Sie im jüngsten Bericht des Bankenverbandes "Unternehmensfinanzierung AKTUELL". (Bundesverband deutscher Banken: ra)

eingetragen: 07.06.22
Newsletterlauf: 22.08.22

Bundesverband deutscher Banken: Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Markt / Hintergrund

  • Wird KI den Finanzberater ersetzen?

    Die Zeiten, in denen Finanzdienstleister in Deutschland künstlicher Intelligenz nur zaghaft begegneten, sind vorbei. Banken, Vermögensverwalter und Asset Manager haben KI eindeutig als eine der strategisch wichtigsten Technologien für die Branche erkannt. Allerdings ist es für viele Akteure nach wie vor schwierig, diese effektiv umzusetzen.

  • Absichern entlang der Lieferkette

    Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sieht für die betroffenen Unternehmen vor, "menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten" (§ 3 Abs. 1 Satz 1 LkSG). Vom Gesetzestext selbst könnten sich viele Unternehmen jedoch erst einmal unbeeindruckt fühlen.

  • Besonders besorgniserregende Stoffe

    Die ECHA hat zwei neue Chemikalien in die Liste der SVHCS (besonders besorgniserregende Stoffe) aufgenommen. Eine davon ist fortpflanzungsgefährdend, die andere hat sehr persistente und stark bioakkumulierbare gefährliche Eigenschaften.

  • KI für modernes Vertragsmanagement

    Laut des neuen "Digital Maturity Report" von DocuSign sind 78 Prozent der europäischen Führungskräfte von ihren aktuellen digitalen Prozessen frustriert. KI-gestützte Tools könnten Abhilfe schaffen und die Produktivität steigern. Anlässlich des "Artificial Intelligence Appreciation Day" stellte DocuSign fünf Trends vor, wie KI den Vertragsprozess revolutioniert:

  • Erhöhung der Cybersicherheit in Europa

    Das verarbeitende Gewerbe ist ein entscheidender Teil der europäischen Wirtschaft und umfasst viele Bereiche von der kleinen Produktion bis hin zu groß angelegten industriellen Prozessen. Mit zunehmender Digitalisierung und Vernetzung ist der Sektor mit immer größeren Cybersicherheitsrisiken konfrontiert, die schwerwiegende Folgen für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit haben könnten.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen