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Wirksamer Wettbewerb auf den Gasmärkten


Kartellrecht: Europäische Kommission testet Verpflichtungszusagen von Gazprom für mittel- und osteuropäische Gasmärkte
Kommission der Auffassung, dass die Verpflichtungszusagen ihre Vorgaben erfüllen und alle wettbewerbsrechtlichen Bedenken ausräumen



Die Europäische Kommission bittet alle Interessenträger um Stellungnahme zu den Verpflichtungsangeboten, die der russische Staatskonzern Gazprom unterbreitet hat, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der EU-Wettbewerbsaufsicht in Bezug auf die Gasmärkte in Mittel- und Osteuropa auszuräumen. Die Verpflichtungszusagen sollen dafür sorgen, dass im grenzüberschreitenden Gashandel wettbewerbsbestimmte Preise erhoben werden. "Dies ist für Millionen Europäer von Belang, die zu Hause und in ihren Betrieben auf Gas angewiesen sind. Bevor wir abschließend über die Verpflichtungszusagen befinden, wollen wir jedoch die Stellungnahmen von Abnehmern und anderen Interessenträgern einholen und sorgfältig prüfen", sagte die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin, Margrethe Vestager.

Gazprom ist in mehreren mittel- und osteuropäischen Ländern der marktbeherrschende Erdgaslieferant. Im April 2015 übermittelte die Kommission Gazprom eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Darin vertrat sie den vorläufigen Standpunkt, dass Gazprom mit seiner Gesamtstrategie zur Abschottung der mittel- und osteuropäischen Gasmärkte gegen EU-Kartellvorschriften verstößt.

Nach Ansicht der Kommission werden die Bedenken der Kommission durch Verpflichtungszusagen von Gazprom ausgeräumt, denn sie tragen zu einer besseren Integration der mittel- und osteuropäischen Gasmärkte bei und erleichtern so den grenzüberschreitenden Gashandel zu wettbewerbsbestimmten Preisen.

"Wir sind davon überzeugt, dass die Verpflichtungszusagen von Gazprom die uneingeschränkte Lieferung von Gas in Mittel- und Osteuropa zu wettbewerbsbestimmten Preisen ermöglichen. Durch die Angebote von Gazprom werden unsere wettbewerbsrechtlichen Bedenken ausgeräumt. Sie bilden eine zukunftsorientierte Lösung, die mit den EU-Vorschriften im Einklang steht. Konkret führen sie zu einer besseren Integration der Gasmärkte in der Region", so Vestager.

Die Kommission ist insbesondere der Auffassung, dass die Verpflichtungszusagen ihre Vorgaben erfüllen und alle wettbewerbsrechtlichen Bedenken ausräumen, da sie gewährleisten, dass

>> die Beschränkungen des grenzüberschreitenden Weiterverkaufs von Erdgas endgültig beseitigt werden, sodass der grenzüberschreitende Gashandel auf den mittel- und osteuropäischen Märkten erleichtert wird,
>> die Gaspreise in Mittel- und Osteuropa den Benchmarks für wettbewerbsbestimmte Preise entsprechen, und
>> Gazprom die etwaigen durch die Gasinfrastruktur bedingten Vorteile, die das Unternehmen durch die Ausnutzung seiner Marktstellung im Bereich der Gasversorgung von Abnehmern erhalten hat, nicht geltend machen kann.

Die Kommission ruft nun alle Interessenträger auf, innerhalb von sieben Wochen nach Veröffentlichung der Verpflichtungszusagen im Amtsblatt dazu Stellung zu nehmen. Unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen wird die Kommission einen endgültigen Standpunkt zu der Frage einnehmen, ob die Verpflichtungszusagen geeignet sind, die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen.

Wenn das der Fall ist, kann die Kommission einen Beschluss erlassen, mit dem sie die Verpflichtungszusagen (nach Artikel 9 der EU-Kartellverordnung 1/2003) für Gazprom für bindend erklärt. Hält ein Unternehmen sich nicht an die Verpflichtungen, so kann die Kommission gegen das Unternehmen eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes verhängen, ohne einen Verstoß gegen die Kartellvorschriften feststellen zu müssen.

Allgemein hängt ein wirksamer Wettbewerb auf den mittel- und osteuropäischen Gasmärkten jedoch nicht nur von der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der EU, sondern auch davon ab, inwieweit in die Diversifizierung der Gasversorgung investiert wird und ob und inwieweit auf EU- und nationaler Ebene eine zielgerichtete Energiepolitik besteht und ordnungsgemäß umgesetzt wird. Aus diesem Grund ist die Schaffung einer Europäischen Energieunion eine Schlüsselpriorität der Kommission.

Die Verpflichtungszusagen von Gazprom im Einzelnen

In ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte hatte die Kommission drei zentrale wettbewerbsrechtliche Bedenken angeführt, die nun von den Verpflichtungszusagen von Gazprom ausgeräumt werden. Das Unternehmen hat zugesagt, diese Verpflichtungen acht Jahre lang einzuhalten.

1) Ermöglichung eines freien Gashandels in Mittel- und Osteuropa
Die Kommission hat Bedenken, dass Gazprom Großhändlern und einigen gewerblichen Abnehmern in acht Mitgliedstaaten (Bulgarien, Tschechische Republik, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Ungarn und Slowakei) in seinen Lieferverträgen territoriale Beschränkungen aufzwingt. Diese Beschränkungen behindern den freien Handel mit Erdgas in Mittel- und Osteuropa.

Gazprom hat sich verpflichtet, sämtliche vertraglichen Hindernisse für den freien Gashandel auf den mittel- und osteuropäischen Märkten zu beseitigen. Außerdem hat das Unternehmen zugesagt, aktive Maßnahmen zu ergreifen, um die Integration der Märkte zu verbessern:

>> Beseitigung der Marktsegmentierung – Gazprom wird alle mittelbaren und unmittelbaren vertraglichen Beschränkungen beseitigen, die seine Abnehmer daran hindern, das grenzüberschreitend eingekaufte Erdgas weiterzuverkaufen, oder die dazu führen, dass ein solcher Weiterverkauf für die Abnehmer wirtschaftlich weniger attraktiv ist. Neben der Beseitigung von Beschränkungen des Weiterverkaufs von Gas (z. B. in Form von Ausfuhrverboten oder Klauseln zum Bestimmungsort) wird Gazprom somit auch alle Bestimmungen streichen, die den Weiterverkauf von Erdgas für Abnehmer weniger attraktiv machen (z. B. weil ein Teil des Gewinns aus dem Wiederverkauf an Gazprom abgetreten werden muss). Außerdem hat Gazprom zugesagt, solche Bestimmungen in Zukunft nicht wieder einzuführen.

>> Erleichterung der Netzkopplungen mit Bulgarien – Die in den Gazprom-Verträgen enthaltenen Bestimmungen zur Überwachung und Erfassung des Verbrauchs von Erdgas in Bulgarien haben zur Abschottung des bulgarischen Gasmarkts von den benachbarten Gasmärkten in der EU geführt. Gazprom hat sich verpflichtet, die entsprechenden Verträge zu ändern. Dadurch erhält der bulgarische Betreiber der Gasfernleitungsinfrastruktur die Kontrolle über die grenzübergreifenden Gaslieferungen, sodass Netzkopplungsverträge zwischen Bulgarien und seinen EU-Nachbarländern, insbesondere Griechenland, ermöglicht werden.

>> Möglichkeiten zur Steigerung der Gasverkäufe in die baltischen Länder und Bulgarien – Wenn Abnehmer Erdgas grenzüberschreitend weiterverkaufen wollen, brauchen sie zur Beförderung des Erdgases Zugang zur Gasinfrastruktur. Bulgarien und die baltischen Staaten verfügen derzeit über keinen Zugang zu den Verbindungsleitungen mit ihren EU-Nachbarländern. Gazprom hat zugesagt, den einschlägigen Abnehmern in Ungarn, Polen und der Slowakei die Möglichkeit einzuräumen, zu beantragen, dass ein Teil oder die Gesamtheit der vertraglich vereinbarten Gasliefermengen an Punkte zur Einspeisung in die baltischen Mitgliedstaaten und Bulgarien geliefert werden. Dadurch könnten Abnehmer, noch bevor sie Zugang zu den Verbindungsleitungen erhalten, neue Geschäftsmöglichkeiten in den baltischen Ländern und Bulgarien erschließen. Gazprom dürfte dafür ein festes und transparentes Dienstleistungsentgelt erheben, das seinen üblichen Tarifen für solche Dienstleistungen auf dem Markt entspricht.

2) Gewährleistung wettbewerbsbestimmter Gaspreise in Mittel- und Osteuropa

Die Kommission hat Bedenken, dass Gazprom den Markt durch territoriale Beschränkungen so zersplittern könnte, dass das Unternehmen in die Lage versetzt wurde, in fünf Mitgliedstaaten (Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen und Polen) systematisch überhöhte Preise zu erheben.

Gazprom hat sich verpflichtet, eine Reihe wesentlicher Änderungen an seinen vertraglichen Preisrevisionsklauseln vorzunehmen, um auf diesen fünf Gasmärkten wettbewerbsbestimmte Gaspreise zu gewährleisten:

An Wettbewerbs-Benchmarks gekoppelte Gaspreise:In seinen Verträgen mit Abnehmern in den fünf Mitgliedstaaten wird Gazprom in die Preisrevisionsklauseln Wettbewerbs-Benchmarks, darunter auch die Preise an westeuropäischen Handelsplätzen, aufnehmen. Durch Preisrevisionsklauseln werden Abnehmer in die Lage versetzt, eine Anpassung der von ihnen gezahlten Gaspreise zu fordern. Durch die Verpflichtungszusagen wird den Abnehmern ein ausdrückliches vertragliches Recht auf ein Preisrevisionsverfahren eingeräumt, wenn die von ihnen gezahlten Preise von den Benchmarks für wettbewerbsbestimmte Preise abweichen. Durch diese Maßnahmen würden in diesen Regionen künftig wettbewerbsbestimmte Gaspreise sichergestellt.

Häufigere und effiziente Preisrevisionen:Gazprom wird häufiger und rascher Preisrevisionen vornehmen. In Verträge, die derzeit noch keine Preisrevisionsklauseln enthalten, z. B. in den baltischen Staaten, wird Gazprom entsprechende Klauseln aufnehmen.

3) Verzicht auf durch seine marktbeherrschende Stellung erhaltene Forderungen
Und schließlich hat die Kommission Bedenken, dass Gazprom seine marktbeherrschende Stellung auf dem Gasversorgungsmarkt ausgenutzt haben könnte, um sich Vorteile hinsichtlich des Zugangs zur bzw. der Kontrolle über die Gasinfrastruktur zu verschaffen. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte wurden Bedenken in Bezug auf das South-Stream-Projekt in Bulgarien und die Jamal-Pipeline in Polen geäußert.

Verzicht auf Gazprom-Forderungen – Gazprom hat zugesagt, im Zusammenhang mit der Einstellung des South-Stream-Projekts keinen Schadenersatz von seinen bulgarischen Partnern zu fordern. Die Frage, ob solche Forderungen überhaupt legitim gewesen wären, bleibt unberührt.
Was die Jamal-Pipeline betrifft, so hat die Untersuchung der Kommission ergeben, dass das Kartellverfahren aufgrund eines bestehenden Abkommens zwischen Polen und Russland in dieser Sache nichts bewirken kann.

Um künftig internationale Abkommen besser zu handhaben, hat die Kommission im Februar 2016 einen Legislativvorschlag vorgelegt, nach dem zwischenstaatliche Abkommen einer Vorabprüfung durch die Kommission unterzogen werden sollen. Der Vorschlag ist bereits vom Europäischen Parlament am 2. März 2017 angenommen worden und wird derzeit im Rat erörtert (siehe auch die Pressemitteilung der Kommission, in der die im Dezember 2016 erzielte politische Einigung begrüßt wird).

In den länderspezifischen Factsheets werden die Vorteile der Verpflichtungen für jeden einzelnen der betroffenen Mitgliedstaaten aufgeführt: Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Ungarn und die Slowakei. (Europäische Kommission: ra)

eingetragen: 26.04.17
Home & Newsletterlauf: 24.05.17



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