Sie sind hier: Home » Recht » EU & Europa » Europäische Kommission

EU-Kommission als Hüterin der Verträge


Vertragsverletzungen: Häufig gestellte Fragen - Welche Phasen umfasst das Vertragsverletzungsverfahren?
Hält ein Mitgliedstaat das EU-Recht nicht ein, kann die Kommission beschließen, den betreffenden Mitgliedstaat vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen


(25.01.12) - Gemäß Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union kann die Kommission rechtliche Schritte gegen einen Mitgliedstaat einleiten, der seinen Verpflichtungen gemäß dem EU-Recht nicht nachkommt. Das Vertragsverletzungsverfahren beginnt mit der Übermittlung eines Auskunftsersuchens ("Fristsetzungsschreiben") an den betreffenden Mitgliedstaat, der sich hierzu innerhalb einer bestimmten Frist – normalerweise binnen zwei Monaten – äußern muss.

Hält die Kommission die Auskünfte nicht für ausreichend und gelangt sie zu dem Schluss, dass der betreffende Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen gemäß dem EU-Recht nicht nachkommt, kann sie ihn (mittels einer "mit Gründen versehenen Stellungnahme") förmlich auffordern, das EU-Recht einzuhalten und ihr die entsprechenden Maßnahmen innerhalb einer bestimmten Frist, in der Regel zwei Monate, mitzuteilen.

Hält ein Mitgliedstaat das EU-Recht nicht ein, kann die Kommission beschließen, den betreffenden Mitgliedstaat vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen. In etwa 95 Prozent der Vertragsverletzungsverfahren kommen jedoch die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen gemäß dem EU-Recht nach, bevor der Gerichtshof befasst wird. Stellt der Gerichtshof in seinem Urteil fest, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, so muss dieser Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um dem Urteil nachzukommen.

Hat ein Mitgliedstaat die Maßnahmen zur Umsetzung von Richtlinien nicht innerhalb der vom EU-Ministerrat und vom Europäischen Parlament gesetzten Frist getroffen, kann die Kommission den Gerichtshof ersuchen, bereits mit seinem ersten Urteil in dieser Rechtssache eine Geldstrafe gegen den betreffenden Mitgliedstaat zu verhängen, und nicht erst dann, wenn er mit dieser Rechtssache ein zweites Mal befasst wird. Diese mit dem Vertrag von Lissabon eingeführte Möglichkeit ist in Artikel 260 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgeschrieben.

Was geschieht, wenn ein Mitgliedstaat dem Urteil des Gerichtshofs nicht nachkommt?
Kommt ein Mitgliedstaat trotz des vom Gerichtshof erlassenen Urteils seinen Verpflichtungen immer noch nicht nach, tritt das Vertragsverletzungsverfahren in eine neue Phase (Artikel 260 des Vertrags), welche die Übermittlung einer einzigen schriftlichen Mahnung vorsieht. Ruft die Kommission den Gerichtshof erneut an, kann sie dem Gerichtshof vorschlagen, Geldstrafen entsprechend der Dauer und Schwere der Vertragsverletzung und der Größe des Mitgliedstaats zu verhängen.

Es können zwei Arten von Geldstrafen verhängt werden:
>> ein Pauschalbetrag, der auf dem seit dem ersten Urteil verstrichenen Zeitraum basiert;
>> ein pro Tag zu verhängendes Zwangsgeld ab dem zweiten Gerichtsurteil bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen gemäß dem EU-Recht nachkommt.

Wer trifft den endgültigen Beschluss über die Verhängung von Geldstrafen?
Geldstrafen werden von der Kommission vorgeschlagen; der Gerichtshof kann die jeweiligen Beträge in seinem Urteil ändern.

Welche Rolle kommt der Kommission zu?
Die Kommission ist als Hüterin der Verträge verpflichtet, den Schutz des öffentlichen Interesses zu gewährleisten. Das Verfahren ist im Vertrag geregelt (Maßnahmen, Fristen) und kann auch die Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union umfassen.

Der Beschluss, gegen einen Staat ein Vertragsverletzungsverfahren zu eröffnen, wird vom Kollegium getroffen. Dem Beschluss geht eine gründliche und objektive Analyse der Kommissionsdienststellen voraus, in der diese die rechtlichen Aspekte der von den Parteien übermittelten Dokumente und Informationen sowie alle einschlägigen Beschwerden prüfen.

Die Beschlüsse der Kommission bei Vertragsverletzungen werden einmal monatlich im Rahmen eines allgemeinen Verfahrens, das verschiedene Politikbereiche umfasst, zusammengestellt. Diese Beschlüsse werden veröffentlicht.

Aktuelle Statistiken zu Vertragsverletzungsverfahren:
http://ec.europa.eu/community_law/infringements/infringements_de.htm
(Europäische Kommission: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Europäische Kommission

  • Kontrollen der Zoll- und Marktüberwachungsbehörden

    Die Europäische Kommission ergreift Maßnahmen gegen Risiken durch Einfuhren von geringem Wert, die von Online-Einzelhändlern aus Drittländern und über Marktplätze, auf denen Händler aus Nicht-EU-Ländern tätig sind, verkauft werden. Diese Maßnahmen sind Teil der Mitteilung über den elektronischen Geschäftsverkehr mit dem Titel "Ein umfassendes EU-Instrumentarium für einen sicheren und nachhaltigen elektronischen Geschäftsverkehr", die die Kommission vorgelegt hat.

  • HTA-Rechtsvorschriften und -Verfahren

    Die Bewertung von Gesundheitstechnologien (Health Technology Assessment - HTA) ist ein wissenschaftlicher, evidenzbasierter Prozess, bei dem Informationen über medizinische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und ethische Gesichtspunkte im Zusammenhang mit dem Einsatz einer Gesundheitstechnologie zusammengefasst werden. Beispiele für Gesundheitstechnologien sind Arzneimittel und Medizinprodukte.

  • Arzneimittel und Medizinprodukte

    Am 12. Januar 2025 trat die Verordnung über die Bewertung von Gesundheitstechnologien (HTA) in Kraft. Damit soll der EU-weite Zugang von Patienten zu innovativen und wirksamen Gesundheitstechnologien erheblich verbessert werden.

  • Diskriminierung von Medizinprodukten

    Ein veröffentlichter Bericht, in dem die anhaltende Diskriminierung von EU-Medizinprodukten auf dem chinesischen Beschaffungsmarkt hervorgehoben wird, fließt in die Entscheidung der Kommission ein, mit welchen Maßnahmen hier gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen der EU und China hergestellt werden sollen.

  • Entscheidungen in Vertragsverletzungsverfahren

    Die EU-Kommission erlässt eine Reihe von Beschlüssen zu Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten, die nicht mitgeteilt haben, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht ergriffen haben. Dabei übermittelt die Kommission zunächst Aufforderungsschreiben an alle Mitgliedstaaten, die keine nationalen Maßnahmen zur Umsetzung von Richtlinien gemeldet haben, deren Umsetzungsfrist vor Kurzem abgelaufen ist.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen