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Konflikte über FRAND-Bedingungen


Kartellrecht: EU-Kommission nimmt bindende Verpflichtungszusagen von Samsung Electronics zu Unterlassungsverfügungen bei standardessentiellen Patenten an
Die Verpflichtungszusagen verschaffen somit sämtlichen potentiellen Lizenznehmern Rechtssicherheit, die bei Samsung eine Lizenz für einschlägige SEP erwerben wollen

(20.05.14) - Die Europäische Kommission hat von Samsung Electronics (Samsung) angebotene Verpflichtungszusagen für bindend erklärt nach EU-Kartellrecht. Samsung hat sich verpflichtet, in Europa keine Unterlassungsverfügungen auf Grundlage ihrer standardessentiellen Patente (SEP) für Smartphones und Tablet-Computer gegen Unternehmen zu erheben, die einen bestimmten Lizenzierungsrahmen einhalten. Nach diesem Lizenzierungsrahmen werden Meinungsverschiedenheiten zwischen Patentinhaber und Lizenznehmer, welche Bedingungen als fair, zumutbar und diskriminierungsfrei ("FRAND"-Bedingungen) zu betrachten sind, vor Gericht oder - bei Einverständnis der Parteien - vor einer Schiedsstelle geklärt. Die Verpflichtungszusagen verschaffen somit sämtlichen potentiellen Lizenznehmern Rechtssicherheit, die bei Samsung eine Lizenz für einschlägige SEP erwerben wollen. Potentielle Lizenznehmer, die den Lizenzierungsrahmen akzeptieren, sind vor Unterlassungsklagen Samsungs auf der Grundlage einschlägiger SEP geschützt. Die Kommission hat ferner heute auch einen Verbotsbeschluss in einem separaten Verfahren gegen Motorola gefasst.

Der für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsident der Kommission, Joaquín Almunia, erklärte: "Sowohl der Schutz geistigen Eigentums als auch der Wettbewerb sind wichtige Triebfedern für Innovation und Wachstum. Deswegen dürfen Rechte an geistigem Eigentum nicht zu Lasten eines gesunden Wettbewerbs und letztendlich zum Nachteil der Verbraucher missbraucht werden. Ich begrüße daher die Verpflichtungszusagen Samsungs, Konflikte über standardessentielle Patente ohne einen Rückgriff auf Unterlassungsverfügungen zu lösen, die den Wettbewerb beeinträchtigen könnten. Die Kommissionsbeschlüsse in dieser und in der Motorola-Sache verschaffen dem Markt Klarheit, in welchem Rahmen Konflikte über FRAND-Bedingungen EU-Recht konform beigelegt werden können. Ich würde andere Marktteilnehmer anregen, darüber nachzudenken ähnliche Streitbeilegungsmechanismen einzuführen."

Die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission
Bei SEP handelt es sich um Patente, deren Nutzung für Geräte, die einer bestimmten Industrienorm genügen müssen, unumgänglich ist. Es ist nicht möglich, ein normengerechtes Produkt herzustellen, ohne eine Lizenz für diese Patente zu erwerben. Das kann Unternehmen, die SEP besitzen, beträchtliche Marktmacht verschaffen. Deshalb verlangen die Normungsorganisationen von ihren Mitgliedern üblicherweise, dass sie Lizenzen für diese Patente zu FRAND-Bedingungen vergeben. Mit einer solchen Verpflichtung soll sichergestellt werden, dass alle Marktteilnehmer Zugang zu einer Norm haben und eine Blockierung (sogenanntes "Hold-up") durch einen einzelnen SEP-Inhaber verhindert wird. Dank der Lizenzvergabe zu FRAND-Bedingungen haben die Verbraucher eine größere Auswahl an interoperablen Geräten, und die Patentinhaber erhalten eine angemessene Vergütung für ihr geistiges Eigentum.

Im Falle einer Patentverletzung ist es in der Regel eine legitime Reaktion des Patentinhabers, bei Gericht eine Unterlassungsverfügung zu beantragen. Die Beantragung einer Verfügung wegen Verletzung grundlegender Patente kann jedoch den Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, wenn sich der Patentinhaber verpflichtet hat, für diese Patente Lizenzen zu "FRAND"-Bedingungen zu erteilen, und das Unternehmen, gegen das sich die beantragte Verfügung richtet, bereit ist, eine Lizenzvereinbarung zu solchen FRAND-Bedingungen zu schließen. Da Unterlassungsverfügungen generell ein Verkaufsverbot für das Produkt, mit dem das Patent verletzt wurde, beinhalten, können Unterlassungsklagen wegen Patentverletzung dazu führen, dass Produkte dem Markt vorenthalten werden, obwohl der Hersteller zum Erwerb einer Lizenz bereit ist. Zudem kann die Drohung mit einer Unterlassungsverfügung bereits die Lizenzverhandlungen verzerren und zu wettbewerbswidrigen Lizenzkonditionen führen, die der Lizenznehmer ansonsten nicht akzeptiert hätte. Ein solches Ergebnis würde Wettbewerb, Innovation und Verbraucher schädigen.

Samsung ist Inhaber von SEP, die mit mehreren Mobilfunknormen in Zusammenhang stehen, und hat sich verpflichtet, Lizenzen für diese SEP zu "FRAND"-Bedingungen zu erteilen. Im April 2011 hatte Samsung begonnen, unter Berufung auf ihre SEP Unterlassungsverfügungen gegen Apple zu erwirken. Die fraglichen SEP von Samsung beziehen sich auf den UMTS-Mobilfunkstandard 3G des Europäischen Instituts für Telekommunikationsnormen (European Telecommunications Standardisation Institute – ETSI), einen zentralen Industriestandard für mobile und drahtlose Telekommunikation. Im Dezember 2012 setzte die Kommission Samsung von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis, dass Apple in ihren Augen die Bereitschaft nachgewiesen hatte, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erwerben, und dass die Beantragung einer Verfügung gegen Apple wegen Verletzung grundlegender UMTS/3G-Patente von Samsung in mehreren EU-Mitgliedstaaten daher gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen könnte, der die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung verbietet.

Die Verpflichtungszusagen Samsungs
Um die Bedenken der Kommission auszuräumen, verpflichtet sich Samsung, im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) fünf Jahre lang gegen kein Unternehmen, das einem bestimmten Lizenzrahmen zustimmt, wegen Verletzung eines ihrer (bestehenden oder künftigen) SEP für Smartphone- und Tablet-Computer-Technologie eine Verfügung zu beantragen.

Der Lizenzrahmen sieht Folgendes vor:

>> eine Verhandlungsdauer von bis zu zwölf Monaten, und
>> wenn keine Einigung gefunden wird, eine Festlegung der "FRAND"-Bedingungen durch ein Gericht oder durch eine Schiedsstelle, falls beide Seiten zustimmen.

Ein unabhängiger Treuhänder wird die Kommission bei der Überwachung der ordnungsgemäßen Umsetzung der Verpflichtungen beraten.

Hintergrund
Nach Artikel 9 der EU-Kartellverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1/2003) kann die Kommission ein Kartellverfahren beenden, indem sie die von einem Unternehmen angebotenen Verpflichtungen für rechtlich bindend erklärt. Mit einem derartigen Beschluss wird nicht festgestellt, ob die EU-Kartellvorschriften verletzt worden sind, sondern die Unternehmen werden rechtlich zur Einhaltung der von ihnen eingegangenen Zusagen verpflichtet. Bei Nichterfüllung der Verpflichtungen kann die Kommission gegen das Unternehmen eine Geldbuße von bis zu 10 Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes verhängen, ohne einen Verstoß gegen Artikel 101 Artikel 102 AEUV feststellen zu müssen. Eine Erläuterung zu Beschlüssen gemäß Artikel 9 ist hier abrufbar.

Die Kommission leitete im Januar 2012 ein förmliches Prüfverfahren ein. Im Dezember 2012 legte die Kommission in einer Mitteilung der Beschwerdepunkte an Samsung ihre wettbewerbsrechtlichen Bedenken dar. Im September 2013 bot Samsung Verpflichtungen an, um die Bedenken der Kommission auszuräumen. Im Oktober 2013 befragte die Kommission in einem Markttest die Branche zu den Verpflichtungsangeboten von Samsung. Am 3. Februar 2014 hat Samsung die endgültige Fassung ihrer Verpflichtungszusagen vorgelegt, mit der die Wettbewerbsbedenken der Kommission ausgeräumt werden.

Wie die Kommission betonte, können auch andere Regelungen als die, zu denen sich Samsung verpflichtet hat, zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten über FRAND-Lizenzen getroffen werden.

Weitere Informationen zu dieser Untersuchung können über das öffentlich zugängliche Register der Kommission auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb unter der Nummer 39939 eingesehen werden. (Europäische Kommission: ra)


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