Sie sind hier: Home » Recht » EU & Europa » Europäische Kommission

Erbringung gemeinsamer Gütertransportdienste


Kartellrecht: Kommission lässt Gruppenfreistellung für Seeschifffahrtskonsortien auslaufen
Im August 2022 forderte die Kommission Interessenträger im Rahmen einer Aufforderung zur Stellungnahme auf, sich zur Gruppenfreistellungsverordnung für Konsortien zu äußern



Die Europäische Kommission wird den EU-Rechtsrahmen, nach dem Seeschifffahrtskonsortien von den EU-Kartellvorschriften (Gruppenfreistellungsverordnung für Konsortien) ausgenommen sind, nicht verlängern. Die Kommission ist zu dem Schluss gelangt, dass diese Gruppenfreistellungsverordnung den Wettbewerb im Schifffahrtssektor nicht mehr fördert, und lässt sie daher am 25. April 2024 auslaufen.

Der Beschluss ist das Ergebnis einer Überprüfung der Verordnung, die aufgrund des Auslaufdatums im April 2024 im August 2022 eingeleitet wurde, um festzustellen, ob die angestrebten Ziele im Zeitraum seit 2020 erreicht wurden. Die Verordnung ermöglicht es Schifffahrtsunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen, Konsortien zu bilden, d. h. Kooperationsvereinbarungen zur Erbringung gemeinsamer Gütertransportdienste zu schließen.

Ergebnisse der Evaluierung
Im August 2022 forderte die Kommission Interessenträger im Rahmen einer Aufforderung zur Stellungnahme auf, sich zur Gruppenfreistellungsverordnung für Konsortien zu äußern. Gleichzeitig richtete sie an die wichtigsten Interessenträger in der maritimen Linienschifffahrt (d. h. Seeverkehrsunternehmen, Verlader und Spediteure sowie Hafen- und Terminalbetreiber) gezielte Fragebögen dazu, wie sich Seeschifffahrtskonsortien und die Gruppenfreistellungsverordnung auf ihre Geschäftstätigkeit ausgewirkt haben.

Vor der Evaluierung fand im Rahmen der sektoralen Überwachung zwischen der Kommission, Marktteilnehmern und Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden in Europa, den USA und anderen Rechtsräumen ein regelmäßiger Austausch über die Herausforderungen statt, mit denen der Schifffahrtssektor konfrontiert ist. Darüber hinaus hat die Kommission i) an Beförderungsunternehmen Fragebögen zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ihren Betrieb und die maritime Lieferkette gerichtet sowie ii) eine unabhängige Sondierungsstudie in Auftrag gegeben.

Die Kommission hat eine Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen veröffentlicht, in der die Ergebnisse der Evaluierung zusammengefasst sind. Die Informationen der Interessenträger deuten insgesamt darauf hin, dass die Gruppenfreistellungsverordnung für Konsortien im Zeitraum 2020 bis 2023 allenfalls begrenzt wirksam und effizient war.

Angesichts der geringen Zahl und des geringen Umfangs von Konsortien, die in den Anwendungsbereich der Gruppenfreistellungsverordnung fallen, erzielten die Seeschifffahrtsunternehmen nur begrenzte Einsparungen bei den Befolgungskosten und spielte die Verordnung bei Entscheidungen über eine Kooperation nur eine untergeordnete Rolle. Ferner bot die Verordnung kleineren Seeschifffahrtsunternehmen während des Bewertungszeitraums nicht mehr die Möglichkeit, zusammen Dienste anzubieten, die mit den Angeboten größerer Unternehmen konkurrierten.

Angesichts der eingegangenen Rückmeldungen hat die Kommission beschlossen, die Gruppenfreistellungsverordnung nicht zu verlängern, sondern sie am 25. April 2024 auslaufen zu lassen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Zusammenarbeit zwischen Reedereien nach dem EU-Kartellrecht dann rechtswidrig wäre. Vielmehr müssen Seeschifffahrtsunternehmen, die Transporte in die oder aus der EU anbieten, künftig auf der Grundlage der umfassenden Leitlinien in der horizontalen Gruppenfreistellungsverordnung und der Gruppenfreistellungsverordnung für Spezialisierungsvereinbarungen prüfen, ob ihre Kooperationsvereinbarungen mit den EU-Kartellvorschriften vereinbar sind.

Hintergrund
Seeverkehrsliniendienste umfassen die Erbringung von regelmäßigen, fahrplangebundenen maritimen Diensten im Bereich des Gütertransports (ohne Massengüter, überwiegend in Containern) auf einer bestimmten Route. Solche Dienste erfordern erhebliche Investitionen und werden daher in der Regel von mehreren, im Rahmen von Konsortien zusammenarbeitenden Schifffahrtsunternehmen erbracht. Konsortien können zu Größenvorteilen und einer besseren Auslastung der Schiffe beitragen. Diese Vorteile wiederum können – z. B. durch bessere Hafenabdeckung und bessere Dienste – zu einem angemessenen Teil an die Nutzer der Seeverkehrsdienste weitergegeben werden.

Artikel 101 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) untersagt wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Unternehmen. Nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV können solche Vereinbarungen jedoch für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden, wenn sie unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne den Wettbewerb auszuschalten.

Die Verordnung (EG) Nr. 246/2009 des Rates sieht vor, dass die Kommission nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV Konsortien für einen auf fünf Jahre begrenzten Zeitraum von der Anwendung des Artikels 101 Absatz 1 AEUV freistellen kann, wobei die Möglichkeit einer Verlängerung besteht. Vor diesem Hintergrund nahm die Kommission im Jahr 2009 die Gruppenfreistellungsverordnung für Seeschifffahrtsunternehmen (Verordnung (EG) Nr. 906/2009 der Kommission) an, in der die spezifischen Voraussetzungen für eine solche Freistellung festgelegt sind. Über diese Voraussetzungen sollte insbesondere sichergestellt werden, dass die Kunden angemessen an dem entstehenden Gewinn beteiligt würden.

Die Kommission hat die Geltungsdauer dieser Gruppenfreistellungsverordnung in den Jahren 2014 und 2020 verlängert. Der Beschluss zur Verlängerung der Verordnung im Jahr 2020 war im Wesentlichen deshalb gerechtfertigt, weil sich die Wettbewerbsparameter (v. a. Frachtraten, Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Dienste) in den Jahren 2014 bis 2019 nicht verschlechtert hatten. Doch war die Verlängerung auf vier Jahre begrenzt, um möglichen Veränderungen der Marktbedingungen besser Rechnung tragen zu können. (EU-Kommission: ra)

eingetragen: 16.10.23
Newsletterlauf: 08.12.23


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Europäische Kommission

  • Kontrollen der Zoll- und Marktüberwachungsbehörden

    Die Europäische Kommission ergreift Maßnahmen gegen Risiken durch Einfuhren von geringem Wert, die von Online-Einzelhändlern aus Drittländern und über Marktplätze, auf denen Händler aus Nicht-EU-Ländern tätig sind, verkauft werden. Diese Maßnahmen sind Teil der Mitteilung über den elektronischen Geschäftsverkehr mit dem Titel "Ein umfassendes EU-Instrumentarium für einen sicheren und nachhaltigen elektronischen Geschäftsverkehr", die die Kommission vorgelegt hat.

  • HTA-Rechtsvorschriften und -Verfahren

    Die Bewertung von Gesundheitstechnologien (Health Technology Assessment - HTA) ist ein wissenschaftlicher, evidenzbasierter Prozess, bei dem Informationen über medizinische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und ethische Gesichtspunkte im Zusammenhang mit dem Einsatz einer Gesundheitstechnologie zusammengefasst werden. Beispiele für Gesundheitstechnologien sind Arzneimittel und Medizinprodukte.

  • Arzneimittel und Medizinprodukte

    Am 12. Januar 2025 trat die Verordnung über die Bewertung von Gesundheitstechnologien (HTA) in Kraft. Damit soll der EU-weite Zugang von Patienten zu innovativen und wirksamen Gesundheitstechnologien erheblich verbessert werden.

  • Diskriminierung von Medizinprodukten

    Ein veröffentlichter Bericht, in dem die anhaltende Diskriminierung von EU-Medizinprodukten auf dem chinesischen Beschaffungsmarkt hervorgehoben wird, fließt in die Entscheidung der Kommission ein, mit welchen Maßnahmen hier gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen der EU und China hergestellt werden sollen.

  • Entscheidungen in Vertragsverletzungsverfahren

    Die EU-Kommission erlässt eine Reihe von Beschlüssen zu Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten, die nicht mitgeteilt haben, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht ergriffen haben. Dabei übermittelt die Kommission zunächst Aufforderungsschreiben an alle Mitgliedstaaten, die keine nationalen Maßnahmen zur Umsetzung von Richtlinien gemeldet haben, deren Umsetzungsfrist vor Kurzem abgelaufen ist.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen