Übererfüllung von EU-Rechtsakten


Gold-Plating" von EU-Richtlinien und EU-Verordnungen in der 20. Legislaturperiode
Bundesregierung plant kein "Anti-Gold-Plating"-Gesetz wie in Österreich



Die Bundesregierung gibt in einer Antwort (20/12167) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/11742) Auskunft über das "Gold-Plating" von EU-Richtlinien beziehungsweise EU-Verordnungen. Danach wurden in dieser Legislaturperiode neun Richtlinien und drei Verordnungen über das von der Richtlinie beziehungsweise Verordnung geforderte Mindestmaß hinaus umgesetzt. Ein "Anti-Gold-Plating"-Gesetz, nach dem die AfD-Fraktion mit Verweis auf Österreich gefragt hatte, plant die Bundesregierung den Angaben zufolge nicht.

Vorbemerkung der Fragesteller
56 Prozent des laufenden Erfüllungsaufwands für die Wirtschaft ist auf die Umsetzung von EU-Regelungen zurückzuführen. Dagegen können nur 20 Prozent der Entlastungen der EU zugerechnet werden. Im Zeitraum von 2022 bis 2023 gehen laut Nationalem Normenkontrollrat sogar 87 Prozent des neuen Erfüllungsaufwands auf die EU zurück, während nur 2 Prozent der Entlastungen EU-bedingt sind.

Die 2021 auf EU-Ebene eingeführte "One in, one out"-Bilanz umfasst im Gegensatz zur deutschen Bürokratiebremse nur die reinen Bürokratiekosten, nicht den gesamten Erfüllungsaufwand, der Unternehmen bei der Befolgung von Vorschriften entsteht. Die Bürokratiekosten sind jedoch nur ein Bestandteil der finanziellen Auswirkungen der EU-Rechtssetzung auf Unternehmen, Bürger und Verwaltungen. Der Erfüllungsaufwand der zehn EU-Vorlagen mit dem höchsten Bürokratieaufwand beträgt laut dem Netzwerk RegWatchEurope über 27 Mrd. Euro und ist damit deutlich höher als die reinen Bürokratiekosten in Höhe von 4,4 Mrd. Euro.

Der reale Erfüllungsaufwand der aktuellen Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bzw. Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen in deutsches Recht wird ebenfalls seitens der Bundesregierung womöglich unterschätzt. Wirtschaftsverbände geben an, dass der reale Erfüllungsaufwand für Unternehmen drei bis fünfmal so hoch sein wird, wie der im Entwurf des federführenden Bundesministeriums der Justiz (BMJ) unter der Leitung von Dr. Marco Buschmann (FDP) auf jährlich 1,4 Mrd. Euro bezifferte Erfüllungsaufwand.

Auch die öffentlichen Haushalte werden immer stärker durch EU-Rechtsakte belastet. Die Zahl der Umsetzungsgesetze, die Kosten verursachen, steigt seit 1990 kontinuierlich. Mehr als zwei Drittel der EU-Richtlinien und EU-Verordnungen verursachen mittlerweile Erfüllungsaufwand für Bund und Länder Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 2. Juli 2024 übermittelt.

Unter dem Begriff "Gold-Plating" wird die Übererfüllung von EU-Rechtsakten durch nationale Regelungen verstanden. Bei der Umsetzung von EU-Recht in das nationale Recht werden durch den Gesetzgeber oft im Rahmen des Ermessensspielraums zusätzliche nationale Regulierungen erlassen, die über die Mindestvorgaben hinausgehen, womit die Umsetzung der EU-Richtlinie durch nicht vorgeschriebene Regelungen übererfüllt wird. Hierbei kann unterschieden werden zwischen aktivem Gold-Plating, bei dem eine Regelung über die in der EU-Richtlinie festgeschriebenen Mindeststandards hinausgeht, und passivem Gold-Plating, bei dem in der EU-Richtlinie enthaltende Optionen für Vereinfachungen nicht genutzt werden.

Vor einigen Jahren wurde in Österreich ein "Anti-Gold-Plating-Gesetz" verabschiedet. Das Gesetz nahm die über die EU-rechtlichen Mindestvorgaben hinausgehenden Regulierungen zurück, wovon insbesondere Regelungen in verschiedenen Wirtschafts- und Finanzgesetzen betroffen waren.
(Deutsche Bundesregierung: ra)

eingetragen: 08.08.24
Newsletterlauf: 27.09.24


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Stand zum Emissionshandel für Gebäude und Verkehr

    Die Bundesregierung wird ein neues Klimaschutzprogramm vorlegen, das im Zeitraum bis zum Jahr 2030 auch Maßnahmen zur Treibhausgasminderungsquote im Bereich der durch die EU-Lastenverteilungsverordnung (ESR) erfassten Sektoren Gebäude und Verkehr enthalten wird. Die Maßnahmen für das Programm werden derzeit entwickelt. Das geht aus der Antwort (21/1072) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/762) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor.

  • Fluggastrechteverordnung für reformbedürftig

    Die Bundesregierung lehnt die Erhöhung von Zeitschwellen für Entschädigungen in der Fluggastrechteverordnung der EU ab. Sie stellt sich damit gegen einen entsprechenden Beschluss des Rates der EU-Verkehrsminister, wie aus einer Antwort (21/962) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (21/749) hervorgeht. Eine solche "Abschwächung des Verbraucherschutzniveaus" lehne die Bundesregierung ab. Sie trete für einen "ausgewogenen Ausgleich der Interessen der Fluggäste und der Luftfahrtunternehmen sowie der Reisewirtschaft" ein.

  • Digitalisierung des Gesundheitswesens

    Der Petitionsausschuss hält mehrheitlich an der Widerspruchslösung (Opt-out-Lösung) bei der elektronischen Patientenakte (ePA) fest. In der Sitzung verabschiedete der Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD die Beschlussempfehlung an den Bundestag, das Petitionsverfahren zu der Forderung, die elektronische Patientenakte nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Betroffenen anzulegen (Opt-in-Lösung), abzuschließen, weil keine Anhaltspunkte für parlamentarische Aktivitäten zu erkennen seien.

  • Angaben zu Cum-Cum-Geschäften

    Derzeit befinden sich 253 Cum-Cum-Verdachtsfälle mit einem Volumen in Höhe von 7,3 Milliarden Euro bei den obersten Behörden der Länder und dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/915) auf eine Kleine Anfrage (21/536) der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu den rechtswidrigen Steuergeschäften.

  • Konformitätsbewertung von Produkten

    In einer Kleinen Anfrage (21/946) möchte die AfD-Fraktion von der Bundesregierung wissen, wie die EU-Maschinenverordnung (EU/2023/1230) im Hinblick auf KI-basierte Sicherheitssysteme angewendet und begleitet werden soll. Die Verordnung, die ab dem 20. Januar 2027 gilt, stellt laut Vorbemerkung der Anfrage neue Anforderungen an Maschinen mit eingebetteter Künstlicher Intelligenz.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen