Klima des Misstrauens gegenüber Anwälten?


Pro und Contra zu Gesetzentwurf zu Anwalts- und Notarkammern
Die Intention des Gesetzgebers, damit der Steuerhinterziehung entgegenzuwirken und weitere Vorschriften zur Geldwäscheprävention zu schaffen, befürworte die BRAK nicht



Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen der Anwalts- und Notarkammern und zur Änderung weiterer Vorschriften (20/8674) war zusammen mit einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen Thema einer Anhörung im Rechtsausschuss. Während die Sachverständigen aus Praxis und Wissenschaft die Einführung von hybriden und virtuellen Versammlungen prinzipiell begrüßten, war die in dem Änderungsantrag vorgesehene Einführung einer anlassunabhängigen Überprüfung von Sammelanderkonten heftig umstritten.

So erklärte André Haug, Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), in seiner schriftlichen Stellungnahme, der Vorschlag der Bundesregierung, den Rechtsanwaltskammern zu ermöglichen, zukünftig ihre Versammlungen auch in virtueller oder hybrider Form abhalten zu können, werde ausdrücklich begrüßt. Befürwortet werde auch, dass den Kammern dabei viel Gestaltungsspielraum belassen werde. Ausdrücklich abgelehnt werde hingegen die Einführung anlassloser Kontrollen von Sammelanderkonten durch die Rechtsanwaltskammern. Der entsprechende Paragraf 73a im Änderungsantrag müsse gestrichen werden, da er aus rechtsstaatlichen und praktischen Gesichtspunkten unverhältnismäßig sei. Die Intention des Gesetzgebers, damit der Steuerhinterziehung entgegenzuwirken und weitere Vorschriften zur Geldwäscheprävention zu schaffen, befürworte die BRAK nicht, sagte Haug, der von einem allgemeinen Klima des Misstrauens gegenüber Anwälten sprach.

Auch Professor Thomas Gasteyer, Vorsitzender des Berufsrechtausschusses des Deutschen Anwaltvereins, begrüßte die Ermöglichung hybrider und virtueller Versammlungen. Im Gegensatz zu Haug unterstützte Gasteyer in seiner Stellungnahme aber auch die Einführung anlassloser Kontrollen von Sammelanderkonten. Mit dem Änderungsantrag sollten Bedenken wegen der Führung von Sammelanderkonten von Rechtsanwälten ausgeräumt werden, so Gasteyer. Die Kündigung dieser Konten durch Kreditinstitute habe zu erheblichen Problemen bei der Anwaltschaft geführt. Die anlasslose Prüfung werde zu Mehraufwand und finanziellen Belastungen führen. Sie sei aber als noch verhältnismäßig hinzunehmen, da die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ein von der Anwaltschaft getragenes Ziel sei.

Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Professor Dirk Uwer erklärte, die Einführung von hybriden und virtuellen Kammerversammlungen sei zur Sicherung der demokratischen Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung geboten. Auf die Möglichkeit, bestimmte Gegenstände Präsenzversammlungen vorzubehalten, sollte jedoch verzichtet werden. Seiner Meinung nach sei zweifelhaft, ob angesichts des bestehenden, erst 2023 verschärften berufsrechtlichen Rechtsrahmens für Sammelanderkonten die beabsichtigte Einführung einer anlassunabhängigen Überprüfung von Sammelanderkonten sachlich gerechtfertigt ist. Die damit verbundenen Grundrechtseingriffe seien gravierend. Der Vorschlag füge sich einem Dilemma, das ein inter- und supranationaler geldwäschepräventiv motivierter, hinsichtlich der Anwaltschaft aber evidenzloser Regulierungsdruck erzeugt habe.

Auch Henning Löwe, Hauptgeschäftsführer der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg, begrüßte die vorgeschlagene Regelung hybrider und virtueller Versammlungen grundsätzlich. Die angedachten Regelungen zu einer Aufsicht der Rechtsanwaltskammern über die Sammelanderkonten begegneten jedoch erheblichen praktischen und prinzipiellen Bedenken und sollten nicht umgesetzt werden. Gleichzeitig bat er den Gesetzgeber in seiner Stellungnahme, für möglichst klare, einfache Gesetze mit möglichst bestimmten Rechtsbegriffen und einer Besinnung auf das Notwendige zu sorgen. Zudem müsse Bürokratie eher ab- als aufgebaut werden. Die Kammern litten, wie viele andere auch, unter zu viel bürokratischem Aufwand.

Rechtsanwalt Markus Hartung vom Legal Tech Verband Deutschland betonte, der im Änderungsantrag enthaltene neue Paragraf 73a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) bewirke erhebliche Eingriffe in die Berufsfreiheit der Anwaltschaft und stelle Kammern vor große Herausforderungen. Trotz dieser Herausforderungen müsse die Anwaltschaft ihren Beitrag zur Bekämpfung von Geldwäschekriminalität leisten. Der vorliegende Regierungsentwurf sowie der Änderungsantrag seien überwiegend sinnvolle Ergänzungen, die möglichst rasch umgesetzt werden sollten. Allerdings bewirkten die Regelungen zur Mandatsgesellschaft erhebliche Probleme. Auch bei den Regelungen für Auslandsgesellschaften sieht Hartung Nachbesserungsbedarf.

Detlef von Ahsen, Präsident des Bundesverband Deutscher Patentanwälte (BDPA), unterstützte den Hauptzweck des Entwurfs, Online- oder hybride Kammerversammlungen zu ermöglichen. Kritisch sei nach Auffassung des BDPA jedoch die derzeit vorgeschriebene Kammermitgliedschaft in der Patent- beziehungsweise der zuständigen Rechtsanwaltskammer für Mitglieder des Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgans von Berufsausübungsgesellschaften, unabhängig davon, ob diese bereits als Person beziehungsweise Berufsträger Mitglied einer anderen Kammer sind. "Wir sind mit der Regelung nicht glücklich", sagte von Ahsen. Sie sei unnötig. Nach Auffassung des BDPA gehe dies zu weit, da in solchen Fällen das Erfordernis einer vergleichbaren Berufsaufsicht bereits erfüllt sei.

Der Präsident der Bundesnotarkammer, Jens Bormann, sagte, was die Notare betreffe, sei der Gesetzentwurf gelungen und zu begrüßen. Die neu hinzugekommenen Fragen der Überprüfung der Sammelanderkonten und der Kammerzugehörigkeit hätten keine Auswirkungen auf das notarielle Berufsrecht. Die im Regierungsentwurf vorgesehenen Änderungen in der Bundesnotarordnung halte die Kammer für gelungen, die Möglichkeit der hybriden oder virtuellen Kammerversammlung erlaube mehr Flexibilität und trage den geänderten Rahmenbedingungen insbesondere nach den Covid-19-Erfahrungen Rechnung. Die dauerhafte Einführung dieser Optionen werde begrüßt.

Matthias Kilian von der Universität zu Köln gab ebenfalls zu Bedenken, dass mit der Einführung einer anlasslosen Überwachung anwaltlicher Berufspflichten zu Sammelanderkonten das anwaltliche Berufsgeheimnis weiter relativiert und erheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand für die Rechtsanwaltskammern ausgelöst werde. Die Neuregelung rechtfertige sich in Abhängigkeit davon, in welchem Umfang Sammelanderkonten in der Praxis grundsätzlich und insbesondere zu Zwecken grenzüberschreitender Steuergestaltungen genutzt werden. Hierzu fehle es an Evidenzen, eine Neuregelung sollte zumindest unter einen Evaluationsvorbehalt gestellt werden sollte. Die Erleichterung der Teilnahme von Kammermitgliedern an Kammerversammlungen durch die Ermöglichung virtueller beziehungsweise hybrider Formate sei als Beitrag zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit der berufsständischen Selbstverwaltung zu begrüßen.

Christian Wolf von der Leibniz Universität Hannover erklärte in seiner Stellungnahme, virtuelle und hybride Versammlungen könnten eine Alternative zur Präsenzversammlung sein, keinesfalls sollten diese ersetzt werden. Am Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen bemängelte Wolf, dass die Neuregelung der Geldwäschekontrolle erst sehr spät in den Entwurf eingefügt worden sei. Zwischen dem eigentlichen Gesetzgebungsgegenstand und der geplanten anlasslosen Überprüfung der Sammelanderkonten durch die Kammern bestehe kein inhaltlicher Zusammenhang. Die Möglichkeit, die Expertise der Landesregierungen einzubeziehen, bestehe nicht mehr. Die geplante Änderung hätte aber einer sorgfältigen Evaluierung und Beratung bedurft. Sie sei mit dem Rechtsstaatsprinzip schwer zu vereinbaren.

Die Sachverständigen Gasteyer, Löwe und Wolf waren von der Fraktion der CDU/CSU für die Anhörung vorgeschlagen worden, Bormann und Haug von der SPD, Kilian und Uwer von der FDP und von Ahsen und Hartung von Bündnis 90/Die Grünen. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 28.05.24
Newsletterlauf: 24.07.24


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Stand zum Emissionshandel für Gebäude und Verkehr

    Die Bundesregierung wird ein neues Klimaschutzprogramm vorlegen, das im Zeitraum bis zum Jahr 2030 auch Maßnahmen zur Treibhausgasminderungsquote im Bereich der durch die EU-Lastenverteilungsverordnung (ESR) erfassten Sektoren Gebäude und Verkehr enthalten wird. Die Maßnahmen für das Programm werden derzeit entwickelt. Das geht aus der Antwort (21/1072) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/762) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor.

  • Fluggastrechteverordnung für reformbedürftig

    Die Bundesregierung lehnt die Erhöhung von Zeitschwellen für Entschädigungen in der Fluggastrechteverordnung der EU ab. Sie stellt sich damit gegen einen entsprechenden Beschluss des Rates der EU-Verkehrsminister, wie aus einer Antwort (21/962) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (21/749) hervorgeht. Eine solche "Abschwächung des Verbraucherschutzniveaus" lehne die Bundesregierung ab. Sie trete für einen "ausgewogenen Ausgleich der Interessen der Fluggäste und der Luftfahrtunternehmen sowie der Reisewirtschaft" ein.

  • Digitalisierung des Gesundheitswesens

    Der Petitionsausschuss hält mehrheitlich an der Widerspruchslösung (Opt-out-Lösung) bei der elektronischen Patientenakte (ePA) fest. In der Sitzung verabschiedete der Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD die Beschlussempfehlung an den Bundestag, das Petitionsverfahren zu der Forderung, die elektronische Patientenakte nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Betroffenen anzulegen (Opt-in-Lösung), abzuschließen, weil keine Anhaltspunkte für parlamentarische Aktivitäten zu erkennen seien.

  • Angaben zu Cum-Cum-Geschäften

    Derzeit befinden sich 253 Cum-Cum-Verdachtsfälle mit einem Volumen in Höhe von 7,3 Milliarden Euro bei den obersten Behörden der Länder und dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/915) auf eine Kleine Anfrage (21/536) der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu den rechtswidrigen Steuergeschäften.

  • Konformitätsbewertung von Produkten

    In einer Kleinen Anfrage (21/946) möchte die AfD-Fraktion von der Bundesregierung wissen, wie die EU-Maschinenverordnung (EU/2023/1230) im Hinblick auf KI-basierte Sicherheitssysteme angewendet und begleitet werden soll. Die Verordnung, die ab dem 20. Januar 2027 gilt, stellt laut Vorbemerkung der Anfrage neue Anforderungen an Maschinen mit eingebetteter Künstlicher Intelligenz.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen