Gesetz zum autonomen Fahren


Autonomes Fahren: Statt die Haftung entsprechend dem Grad der Automatisierung auf den Hersteller auszudehnen, weite das Gesetz die Halterhaftung sogar noch aus, kritisiert die Verbraucherzentrale Bundesverband
Gesetzentwurf stellt nach Auffassung des Rechtsanwalts Stefan Hessel allenfalls die Vorstufe zu der benötigten umfassenden Regulierung dar - Erhebliche Risiken würden sich aktuell mit Blick auf Cyberangriffe ergeben



Als einen Schritt in die richtige Richtung haben die zu einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses geladenen Sachverständigen mehrheitlich den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum autonomen Fahren (19/27493) bewertet. Die Regelungen zielten eher auf gewerbliche Anbieter und weniger auf den Individualverkehr ab, lautete der überwiegende Tenor. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung einen Regelungsrahmen schaffen, damit autonome Fahrzeuge künftig bundesweit ohne einen physisch anwesenden Fahrer in festgelegten Betriebsbereichen des öffentlichen Straßenverkehrs im Regelbetrieb fahren können. Dazu werden die technischen Anforderungen an den Bau, die Beschaffenheit und die Ausrüstung von Fahrzeugen mit autonomen Fahrfunktionen geregelt - ebenso wie die Prüfung und das Verfahren für die Erteilung einer Betriebserlaubnis durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Geregelt wird des Weiteren der Umgang mit den für den Betrieb benötigten Daten. Zudem wird der Begriff der Technischen Aufsicht bestimmt. Diese muss laut Bundesregierung eine natürliche Person sein, die im Einzelfall die Deaktivierung oder Freigabe von Fahrmanövern des Fahrzeuges von außen vornehmen kann.

Martin Schmitz vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) erwartet von dem Gesetz "Impulse für die Mobilitäts- und Verkehrswende". Aus dem Entwurf gehe hervor, dass eine Vernetzung des automatisierten Fahrens mit den öffentlichen Verkehren notwendig ist, um nicht Parallelsysteme aufzubauen. Richtig sei es auch, den Wegfall des Fahrers durch eine Rechtsfigur - der Technischen Aufsicht - auszugleichen, deren Haftung im Vergleich zum Hersteller einzuschränken sei.

Jürgen Bönninger, Geschäftsführer der FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH, hält die technischen Vorgaben in dem Gesetz dem neuesten Stand der Technik entsprechend. Zu kurz komme ihm aber die Validierung der Leistungsfähigkeit hoch- und vollautomatisierter Fahrzeuge. Es fehle eine lernende Rückspiegelung. Vergleichbar dem lebenslangen Lernen eines Fahrers nach dem Fahrerlaubniserwerb müsse auch die Leistungsfähigkeit der automatisierten Fahrzeuge über die Jahre im Verkehr validiert werden, sagte Bönninger. Als unzureichend im Sinne dieses Lernens bewertete er die geplanten Datenerhebungen.

Für Barbara Lenz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt bietet das Gesetz die Chance, weiter in Richtung Verkehrswende zu gehen. Im öffentlichen Verkehr, aber auch bei geteilten Verkehren, könnten so neue Angebote gemacht werden, die den Umfang der Nutzung des Pkw in der jetzigen Form deutlich reduzieren könnten. Lenz forderte eine breite gesellschaftliche Diskussion. Dabei müsse der Einfluss der Fahrzeugautomatisierung auf Klima und Umwelt stärker thematisiert werden und gleichberechtigt neben ethischen, sicherheitsbezogenen und rechtlichen Fragestellungen stehen.

Peter Liggesmeyer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering, nannte den Gesetzentwurf "grundsätzlich positiv" und die Einrichtung der Technischen Aufsicht "vernünftig". Festzustellen sei aber, dass der Entwurf auf den ÖPNV abziele und die Regelungen für den Individualverkehr nicht realistisch seien. Seiner Einschätzung nach ist das autonome Fahren in einer deutschen Innenstadt auf der Basis heutiger Technologien nicht abzudecken. Es sei auch nicht abschätzbar, wann dies möglich sein wird. Durch das Gesetz könnten aber benötigte Erfahrungen mit autonomen Systemen gewonnen werden, sagte Liggesmeyer.

Auch aus Sicht von Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ist das Gesetz "sinnvoll und richtig für gewerbliche Anwendungsfälle" - nicht aber für private Fahrzeughalter. Diese würden durch die im Gesetz auferlegten Aufgaben überfordert. Daher, so ihre Forderung, sollte der Anwendungsbereich des Gesetzes auch auf gewerbliche Halter beschränkt werden. Änderungsbedarf sieht Jungbluth bei der Haftungsfrage. Statt die Haftung entsprechend dem Grad der Automatisierung auf den Hersteller auszudehnen, weite das Gesetz die Halterhaftung sogar noch aus, kritisierte sie.

Der Gesetzentwurf stellt nach Auffassung des Rechtsanwalts Stefan Hessel, Erster Vorsitzender des Vereins Algoright, allenfalls die Vorstufe zu der benötigten umfassenden Regulierung dar. Erhebliche Risiken würden sich aktuell mit Blick auf Cyberangriffe ergeben. Cybersicherheit sei eine der größten Herausforderungen beim autonomen Fahren, sagte er. Der Gesetzentwurf sei hier "etwas dünn" und bleibe hinter europäischen Regelungen zurück.

Katharina Seifert, Leiterin des Instituts für Verkehrssystemtechnik beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, sah Klärungsbedarf in Sachen Datennutzung. Es brauche eine Balance zwischen dem Datenschutz für die Nutzer auf der einen und den benötigten Daten für eine sichere Verkehrssteuerung auf der anderen Seite.

Walter Eichendorf, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrates, geht davon aus, dass das automatisierte Fahren einen ganz wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit leisten werde. Gleichwohl gebe es beim heutigen Stand der Technik auch Risiken. Eichendorf sprach sich unter anderem dafür aus, die Leistungsfähigkeit der autonomen Fahrfunktion durch das KBA im Rahmen einer Feldüberwachung kontinuierlich zu überwachen. Sollten potentiell sicherheitskritische Fehler erkannt werden, müsse die Betriebserlaubnis durch das KBA solange entzogen werden können, bis der Fehler durch ein Hard- oder Softwareupdate behoben wurde, forderte er. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 26.06.21
Newsletterlauf: 13.09.21


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