Maßnahmen gegen Steueroasen umstritten


Steueroasen: Wirksam könne nur der Aufbau eines "Drohpotenzials" sein, wie es Finanzminister Peer Steinbrück vorschlage
Urs Roth: Regierung der Schweiz sei zu Revisionen des Doppelbesteuerungsabkommens bereit


(27.03.09) - Bedeutung und Attraktivität von Steueroasen sind unter Experten heftig umstritten. Während der Vertreter der Schweizerischen Bankiervereinigung, Urs Roth, in einer Anhörung des Finanzausschusses zur Steuerhinterziehung am Mittwoch darauf hinwies, dass es in der Schweiz keine anonymen Konten gebe und die Inhaber-Sparbücher abgeschafft worden seien, entgegnete der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Odracek, man könne auch einen "Liechtensteiner Briefkasten als Kontoinhaber nehmen". Es habe sich fast nichts geändert.

Der Ausschuss hörte die Experten zu Anträgen der Koalitionsfraktionen Union und SPD (16/11389), FDP (16/11734, 16/9836), Linksfraktion (16/9479, 16/9166, 16/9168) und Bündnis 90/Die Grünen (16/9421) zum Thema Steuerhinterziehung. Es ging in der Anhörung auch um den vom Bundeskabinett noch nicht verabschiedeten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken und der Steuerhinterziehung. Darin ist die Möglichkeit vorgesehen, den Betriebsausgabenabzug zu begrenzen, wenn Steuerpflichtige ihren Nachweispflichten bei Geschäften mit so genannten Steueroasen nicht nachkommen.

Roth erklärte, die große Mehrheit der Kunden Schweizer Banken sei steuerehrlich. Es dürfe nicht darum gehen, den gläsernen Bürger zu schaffen. Auskünfte sollten nur bei Vorliegen von Verdachtsmomenten gegeben werden. Die Schweiz erteile Auskünfte bei Steuerbetrugsfällen gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen. Auf Nachfragen bestätigte Roth, das das Doppelbesteuerungsabkommen keine Auskünfte bei der in Deutschland ebenfalls strafbaren Steuerhinterziehung vorsehe. Die Regierung der Schweiz sei aber zu Revisionen des Doppelbesteuerungsabkommens bereit, versicherte der Bankier.

Rechtsanwalt Christian Waigel, der nach eigenen Angaben auch als Honorarkonsul für Liechtenstein tätig ist, bezweifelte, dass der Gesetzentwurf viel bringen werde. Das Thema Steuerhinterziehung sei ohnehin durch die Einführung der Abgeltungssteuer "dramatisch entschärft" worden.

Professor Lorenz Jarass (Wiesbaden) bezeichnete Forderungen nach besserer internationaler Zusammenarbeit als "heiße Luft". Wer von Steuerhinterziehung profitiere, sei nicht dazu zu bringen, diesen Vorteil aufzugeben. Die Schweiz und Liechtenstein würden davon profitieren, dass Deutschland Zinserträge quellensteuerfrei ins Ausland lasse, kritisierte Jarass. Wirksam könne nur der Aufbau eines "Drohpotenzials" sein. Dies schlage Finanzminister Peer Steinbrück in seinem Gesetzentwurf vor. Die Wahrscheinlichkeit des Entdeckungsrisikos müsse erhöht werden, forderte der Wissenschaftler.

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte Susanne Uhl, dass es keine internationalen Kooperationen gegen Steuerhinterziehung gebe. Wenn die Bundesregierung jetzt mit einem eigenen Gesetzentwurf komme, sei das ihr gutes Recht. Uhl äußerte die Hoffnung, dass der Gesetzentwurf möglichst bald im Bundestag eingebracht werde. Ein Doppelbesteuerungsabkommen könne auch gekündigt werden, empfahl die DGB-Vertreterin.

Der Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann von der Universität St. Gallen sagte, die Illegitimität von Steueroasen sei überhaupt keine Frage. Alle Staaten seien verpflichtet, sich gegenseitig Auskünfte zu geben. Es gehe um gigantische Summen, die in den Steueroasen liegen würden.

Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft Dieter Ondracek forderte: "Wir brauchen Sanktionen, wenn ein Staat nicht kooperativ ist."

Für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte Lars Salzmann vor erheblichen Mehrkosten für die Wirtschaft durch das neue Gesetz, das zusätzliche Mitteilungspflichten enthalte.

Rainer Spatscheck vom Deutschen Anwaltverein sagte, da die Oasenstaaten nicht zur Zusammenarbeit verpflichtet werden könnten, wolle die Regeierung den Bürgern zusätzliche Meldepflichten auferlegen. Doch hätten nicht nur Steuerhinterzieher Kontakte in die Schweiz. Die umfassenden Pflichten, die die Regierung einführen wolle, "dürften nicht verfassungsgemäß sein", erklärte Spatscheck. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • PKGr-Bericht über Kontrolltätigkeit vorgelegt

    Als Unterrichtung durch das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) liegt dessen "Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß Paragraf 13 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes" (21/12) für den Berichtszeitraum Oktober 2023 bis Februar 2025 vor. Das PKGr kontrolliert die Bundesregierung hinsichtlich der Tätigkeit der Nachrichtendienste des Bundes (Bundesamt für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst, Bundesnachrichtendienst).

  • Deutsche Bahn dominiert

    Die Bundesregierung hat eine auf das 9. Sektorgutachten Bahn der Monopolkommission (20/8027) bezogene Stellungnahme vorgelegt (21/21). Dabei werde auf die Marktsituation bis zum 1. Halbjahr 2024 sowie auf Maßnahmen der Bundesregierung Bezug genommen, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen worden sind oder deren Umsetzung bevorsteht, heißt es in der Unterrichtung.

  • Internationale Standards und Normen

    Nach Ansicht der Bundesregierung werden im Amtsblatt der EU veröffentlichte harmonisierte europäische Normen nicht generell Teil des Unionsrechts, auch wenn die EU-Kommission aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes eine andere Meinung vertritt. Dies erklärt die Bundesregierung in der Antwort (20/15026) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/14834).

  • Treibhausgas (THG)-Emissionen

    Die sektorenübergreifenden Treibhausgas (THG)-Emissionen sind seit dem Jahr 2021 deutlich gesunken,wobei alle Sektoren bis auf den Verkehr Rückgänge verzeichneten. Die Geschwindigkeit der THG-Emissionsminderung variiert erheblich zwischen den Sektoren. Das geht aus einer Unterrichtung der Bundesregierung zum Gutachten des Expertenrats für Klimafragen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen, Trends der Jahresemissionsmengen und zur Wirksamkeit von Maßnahmen hervor (20/14900).

  • Regierung: Berichtspflichten zu umfangreich

    Die Berichtspflichten für Unternehmen sind nach Auffassung der Bundesregierung im internationalen Wettbewerb zu umfangreich. Dazu zählt die Regierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion auch Nachhaltigkeitsberichtspflichten. Die Offenlegung ähnlicher Sachverhalte solle weiter vereinheitlicht werden, um "Doppelreporting" zu vermeiden.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen