Bundestag soll Franz Josef Jung rügen


FDP-Fraktion fordert vom Deutschen Bundestag: Missbilligung der Äußerungen von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung zum Abschuss von in Terrorabsicht entführten Flugzeugen
Franz Josef Jung hat die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts und das geltende Verfassungsrecht missachtet - Eine Abwägung zwischen verschiedenen Rechtsgütern ist bei Betroffenheit der Menschenwürde grundsätzlich ausgeschlossen


Guido Westerwelle kontra Franz Josef Jung:
Guido Westerwelle kontra Franz Josef Jung: Jung missachtet Verfassungsrecht, Bild: guido-westerwelle.de

(01.10.07) - Die FDP-Fraktion fordert in einem Antrag (16/6490) vom deutschen Bundestag die Missbilligung der Äußerungen von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung zum Abschuss von in Terrorabsicht entführten Flugzeugen. Der Minister habe mit seinen Aussagen die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts und das geltende Verfassungsrecht missachtet, so die Liberalen.

Wortlaut des FDP-Antrags
Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Bundesminister der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung hat in einem Interview im Magazin "FOCUS" am 17. September 2007 zum Abschuss von Flug- zeugen mit unbeteiligten Passagieren gesagt: "Deshalb müsste ich im Notfall vom Recht des übergesetzlichen Notstands Gebrauch machen: Wenn es kein anderes Mittel gibt, würde ich den Abschussbefehl geben, um unsere Bürger zu schützen."

In der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages am 19. September 2007 hat der Bundesminister seine Aussagen weder korrigiert noch zurückgenommen.

Der Bundesminister missachtet damit die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und das geltende Verfassungsrecht. In dem Urteil zum Luftsicherheitsgesetz (1 BvR 375/05) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass § 14 Abs. 3 des Luftsicherheitsgesetzes mit der Menschenwürdegarantie des Artikels 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und mit dem Grundrecht auf Leben gemäß Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht in Einklang steht, soweit er es den Streitkräften gestattet, Luftfahrzeuge abzuschießen, in denen sich Menschen als Opfer eines Angriffs auf die Sicherheit des Luftverkehrs befinden.

Das Gericht hat in seiner Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz klar darauf hingewiesen, dass es dem Staat im Hinblick auf das Verhältnis von Lebensrecht und Menschen- würde untersagt ist, durch eigene Maßnahmen unter Verstoß gegen das Verbot der Missachtung der menschlichen Würde in das Grundrecht auf Leben einzu- greifen. Unter der Geltung des Artikels 1 Abs. 1 GG sei es schlechterdings unvorstellbar, auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich in einer derart hilflosen Lage befinden, vorsätzlich zu töten.

Bei der Wahl der Mittel zur Sicherung der staatlichen Schutzpflicht zugunsten derjenigen, gegen deren Leben das als Tatwaffe missbrauchte Luftfahrzeug ein- gesetzt werden soll, kommen immer nur solche Mittel in Betracht, deren Einsatz mit der Verfassung in Einklang steht, so das Bundesverfassungsgericht.

Die klaren und unmissverständlichen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung der Menschenwürdegarantie zeigen, dass der Abschuss eines Passagierflugzeugs niemals legalisiert werden kann. Der Gesetzgeber kann nicht durch Schaffung einer gesetzlichen Eingriffsbefugnis zu Maßnahmen wie dem Abschuss eines von Terroristen entführten Passagierflugzeuges ermächtigen, solche Maßnahmen nicht auf diese Weise als rechtmäßig qualifizieren und damit erlauben.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist daher als deutliche Mahnung an den Gesetzgeber zu verstehen, Abstand zu nehmen von allen Plänen, Menschen als Mittel zum Zweck zu verwenden und ihnen damit die Menschenwürde zu nehmen. Die Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries erklärte dazu: "Wir haben eine Verfassungsgerichtsentscheidung, die uns solcher Diskussionen völlig enthebt." Daher sei dazu nichts zu sagen, "außer auf die geltende Verfassungslage hinzuweisen, die seine Aussage nicht deckt" (ddp vom 17. September 2007).

Eine Abwägung zwischen verschiedenen Rechtsgütern ist bei Betroffenheit der Menschenwürde grundsätzlich ausgeschlossen. Dem Institut des übergesetzlichen Notstands kann keine Rechtslegitimation für die Anordnung des Abschusses entnommen werden. Es ist nicht möglich, sich bereits im Vorfeld auf den übergesetzlichen Notstand zu berufen und damit eine Rechtsgrundlage für den Abschuss eines Passagierflugzeuges zu schaffen. Da es sich bei den Fällen des übergesetzlichen Notstands ausnahmslos um seltene Grenzsituationen handelt, die immer nur im Einzelfall zu bewerten sind, entziehen sie sich einer abstrakten Normierung.

II. Der Deutsche Bundestag missbilligt danach die Äußerungen des Bundesministers der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung zum Abschuss von in Terrorabsicht entführten Flugzeugen.

Berlin, den 21. September 2007
Dr. Guido Westerwelle und Fraktion
(Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Gleichstellung als verbindliches Förderkriterium

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (21/790) die Bundesregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichstellung von Frauen und Mädchen im organisierten Sport in Deutschland deutlich zu verbessern.

  • Ausbau der digitalen Infrastruktur

    Die von der schwarz-roten Koalition geplante Novelle des Telekommunikationsgesetzes ist bei einer Mehrheit der Sachverständigen auf Zustimmung zu den Zielen und Kritik an Details gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses zum TKG-Änderungsgesetz 2025 bezeichnete eine Reihe von Sachverständigen den Entwurf als ein wichtiges Signal für die Branche.

  • Auskunft zum Cum/Ex und Cum/Cum

    Zum Stichtag 31. Dezember 2023 befanden sich 380 Verdachtsfälle zur Steuergestaltung bei Cum-Ex-Geschäften bei den Obersten Finanzbehörden der Länder und beim Bundeszentralamt für Steuern mit einem Volumen nicht anrechenbarer/erstatteter Kapitalertragssteuer inklusive Solidaritätszuschlag von rund 3,8 Milliarden Euro in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/548) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion die Linke (21/310).

  • Kosten der Vermeidung von CO2-Emissionen

    Keine konkreten Angaben zu den Kosten, die ihre Pläne zur Vermeidung von CO2-Emissionen verursachen, macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/715) auf eine Kleine Anfrage (21/296) der AfD-Fraktion. Zur Begründung verweist sie darauf, dass Deutschland zur Erreichung der Klimaschutzziele auf ein "breites Spektrum aufeinander abgestimmter Klimaschutzmaßnahmen" setze. Diese dienten neben der Minderung von Treibhausgasen auch der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, dem sozialen Ausgleich sowie der langfristigen Transformation hin zur Klimaneutralität. Die Ausgestaltung der Klimaschutzmaßnahmen gehe dabei über eine "kurzfristige, rein statische Betrachtung der CO2-Vermeidungskosten" hinaus.

  • Steuerung des Windenergieausbaus

    An der von den Koalitionsfraktionen geplanten Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED III) besteht Nachbesserungsbedarf. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses zu dem Gesetzentwurf "zur Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie (EU) 2023/2413 für Zulassungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz, zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes, zur Änderung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes und zur Änderung des Baugesetzbuchs" (21/568) deutlich.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen