Personalsituation an den Hochschulen


Kurzverträge für wissenschaftliche Mitarbeiter weiter keine Seltenheit
Wissenschaftszeitvertragsgesetz verhindere keine unbefristete Perspektive für forschende und lehrende Mitarbeiter


(08.12.11) - Die Arbeitssituation für wissenschaftliche Mitarbeiter an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist wegen vieler befristeter Verträge weiter unsicher. Darin waren sich die Sachverständigen im öffentlichen Fachgespräch des Forschungsausschusses einig. Die Ursache liege aber nicht im Wissenschaftszeitvertragsgesetz.

Ursula Nelles, Jura-Professorin und Rektorin der Universität Münster, schilderte die Personalsituation an den Hochschulen. "Auf eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle setzt man häufig vier Doktoranden", sagte Nelles. Auf der einen Seite könnten die Hochschulen nicht genügend reguläre Stellen schaffen, auf der anderen Seite steige die Zahl der Qualifizierten. Die Universitäten würden angehalten, verstärkt Drittmittel für befristete Projekte einzuweben. Gleichzeitig werde die institutionelle Förderung gekürzt, mit der unbefristete Stellen möglich wären.

"Man verwechselt Ursache und Wirkung, wenn man das Ansteigen der Befristung mit dem Gesetz begründet", sagte Professor Ulrich Preis, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Köln. Es sei klar, dass "das Ansteigen der Studierendenzahlen bei gleichbleibender Zahl der Professoren zu dieser Schieflage" führen müsse. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz verhindere keine unbefristete Perspektive für forschende und lehrende Mitarbeiter. "Wenn ich Stellen zu vergeben habe, kann ich auch unbefristet beschäftigen", meinte Preis. Das sei aber oft nicht der Fall.

Manfred Scheifele vom Gesamtbetriebsrat der Fraunhofer-Gesellschaft sagte, die Möglichkeit, einen Mitarbeiter ohne Begründung nur für maximal zwei Jahre einzustellen, ermögliche es Arbeitgebern, das Risiko auf Arbeitnehmer abzuwälzen. Das Fraunhofer-Institut erlebe ein kontinuierliches Wachstum in den vergangenen Jahren. Trotzdem werde ein Großteil der Mitarbeiter nur befristet eingestellt. Es handele sich um eine Art "dauerhafte Erprobung".

"Der größte Handlungsbedarf liegt im Postdoc-Bereich", meinte Anke Burkhardt, Geschäftsführerin des Instituts für Hochschulforschung der Universität Halle-Wittenberg. Das Gesetz sei nur "die Spitze des Eisbergs, es muss längerfristig grundsätzlich eine andere Lösung gefunden werden".

"Die Daten haben deutlich gemacht, so kann es nicht weitergehen", sagte Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Die hohe Zahl der befristet beschäftigten Wissenschaftler habe auch Folgen für die Qualität von Forschung und Lehre. Er forderte unter anderem eine gesetzlich festgelegte Mindestlaufzeit von Arbeitsverträgen, die verbindliche Ausgestaltung der "familienpolitischen Komponente", mit der Verträge verlängert werden können, wenn Mitarbeiter Kinder großziehen, und die Pflicht, dass der Bund bei der Vergabe von Aufträgen auf die Personalpolitik der Auftragnehmer achten muss.

Georg Jongmanns von der Hochschul-Informations-System GmbH, die im Auftrag des Bundesforschungsministeriums das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ausgewertet hatte, zeigte Aspekte auf, in denen das Gesetz überarbeitet werden könnte. So gebe es beispielsweise keine einheitliche Regelung, wie mit studentischen Hilfskräften verfahren werde. Diese könnten befristet angestellt werden, solange das Studium nicht abgeschlossen sei. Für manche Hochschulen sei das Ende des Studiums schon mit dem Bachelor erreicht, für andere erst mit dem Master. Die Möglichkeit, Mitarbeiter über Drittmittel-finanzierte Projekte einzustellen, nutzten einige Hochschulen auch, obwohl sie die Wissenschaftler ebenso gut aus eigenen Töpfen bezahlen könnten. Auf diese Weise erhielten sie mehr Flexibilität. (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Kernkraftwerk kein Notstromaggregat

    Unter den deutschen Atomkraftbetreibern herrschten offenbar unterschiedliche Auffassungen über die Möglichkeiten des Weiterbetriebs der letzten drei deutschen Atomkraftwerke, die aufgrund der Gesetzeslage Ende 2022 abgeschaltet werden sollten, wegen der durch den Ukraine-Krieg erwarteten Energieprobleme aber dann doch bis zum 15. April 2023 in Betrieb blieben. Während PreussenElektra bereit war, sein Kraftwerk Isar 2 auch über den mehrmonatigen Streckbetrieb hinaus weiter zu betreiben, war der RWE-Konzern weniger geneigt, sein Kraftwerk Emsland noch länger zu betreiben.

  • Unterrichtung zu Online-Verfahren an Gerichten

    Über die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit (20/13082) informiert die Bundesregierung in einer Unterrichtung (20/13635). Das Gesetz sieht vor, dass an ausgewählten Amtsgerichten künftig bestimmte zivilgerichtliche Verfahren auch als Online-Verfahren geführt werden können.

  • Mutmaßlich gefälschte UER-Zertifikate

    Ein Drittel der unter Betrugsverdacht stehenden Upstream-Emissionsreduktions-Projekte (UER-Projekte) in China hat das Umweltbundesamt (UBA) inzwischen bereits rückabgewickelt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung (20/13705) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/13509) hervor.

  • Lobbygesellschaft für Digitale Transformation

    Die Bundesregierung gestaltet nach eigener Darstellung die digitale Transformation im Sinne der Bürger durch digitalpolitische Initiativen aktiv mit. Dazu würden bestehende Verfahren kontinuierlich modernisiert und implementiert im Hinblick auf aktuelle technische Entwicklungen, heißt es in der Antwort (20/13814) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/13448) der AfD-Fraktion.

  • AfD fordert Stopp der Wärmewende

    Die AfD-Fraktion will durch einen Stopp der Wärmewende Wohnen wieder bezahlbar machen. In einem Antrag (20/13764) wird insbesondere eine Absenkung der Energiestandards bei Neubauten verlangt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen