Novellierung des Arzneimittelgesetzes


"Antibiotika sind keine Betriebsmittel": Novelle des Arzneimittelgesetzes soll Antibiotikaeinsatz eindämmen
Expertin: Es müsse auf Impfstoffe gesetzt werden, die zu einem deutlichen Rückgang des Einsatzes von Antibiotika führen


(07.01.13) - "Immer besser, immer nachhaltiger muss die Formel für die Lebensmittelproduktion sein", sagte Dr. Thomas von der Bundestierärztekammer im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in einer öffentlichen Anhörung zur Novellierung des Arzneimittelgesetzes. Er machte darauf aufmerksam, dass Deutschland aufgrund seiner Lage als Transitland bei der Pflege der Tiergesundheit vor besonderen Herausforderungen stehe. Ein direkter Vergleich mit anderen EU-Ländern sei aus diesem Grund schwierig, weil das Verbreitungspotential von Krankheiten höher sei. Der Tierarzt plädierte dafür, den Fokus auf Impfungen von Tierbeständen zu setzen, um besser vorbeugen zu können. "Aber es muss auch die Einsicht einkehren, dass Antibiotika keine Betriebsmittel sind."

Mängel in Haltung oder Management dürfen nicht mit Antibiotika korrigiert werden, auch wenn es betriebswirtschaftlich günstiger sei. Dr. Hans-Joachim Götz vom Bundesverband praktizierender Tierärzte stellte fest, dass eine Verbesserung hinsichtlich der Besatzdichten in Ställen und der Futterqualität schnell zur Erhöhung der Tiergesundheit beitragen könnte. Solche Maßnahmen würden mit steigenden Produktions- und Lebensmittelkosten einhergehen.

"Die Landwirtschaft zeigt ihre ernsthafte Bereitschaft, sich diesem Problem mithilfe des QS zu stellen", sagte Brigitte Wenzel vom Deutschen Bauernverband. Auch den Bauernverband habe die verwendete Menge von 1.734 Tonnen Antibiotika im Jahr 2011 in der Landwirtschaft "nachdenklich gestimmt". Es müsse auf Impfstoffe gesetzt werden, die zu einem deutlichen Rückgang des Einsatzes von Antibiotika führen. Sie sprach sich gegen eine geplante staatliche Datenbank zur Datenerhebung aus. "Das ist unverhältnismäßig und auch überflüssig", sagte sie vor dem Hintergrund einer bereits eingerichteten Datenbank bei QS - ein wirtschaftsgetragenes Qualitätssicherungssystem der Ernährungswirtschaft für die Herstellung, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln.

Nach Ansicht von Peter Knitsch vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, ist der Einsatz von Antibiotika in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern viel zu hoch. Knitsch kritisierte den Gesetzentwurf der Regierung, weil dieser zu keiner nennenswerten Senkung der Antibiotikaanwendung führen werde. "Der Anwendungsbereich muss über die Mast drastisch auf den Aufzuchtbereich erweitert werden", sagte er. In diesem Sektor würden 70 bis 80 Prozent der Antibiotika angewendet. Knitsch machte zudem eine "leistungsmäßige Überforderung der Nutztiere" in der Mast als Grund häufiger Erkrankungen aus. So würden nach seiner Stellungnahme "energetisch hochkonzentrierte Rationen" verfüttert, bei denen wichtige Rohfasergehalte auf das Minimum reduziert seien. Die Fütterung führe zu entzündlichen Veränderungen im Magen-Darmbereich. Dies führe zwangsläufig zum Einsatz von Antibiotika, um Ausfälle zu vermieden.

Für Dr. Dirk Freitag vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern ist die angestrebte Novellierung des Arzneimittelgesetzes "ein Schritt in die richtige Richtung". Freitag machte in seiner Stellungnahme auf die sogenannte "Restmengenproblematik" aufmerksam. Die Herstellung kleinerer "Gebinde" durch die pharmazeutische Industrie könnte eine "punktgenaue" Versorgung von Tierbeständen mit Antibiotika ermöglichen und würde zu weniger Resten führen.

Dr. Hermann-Josef Nienhoff von der QS Qualität und Sicherheit GmbH erklärte die grundsätzliche Bereitschaft zu einer "Kopplung" der geplanten staatlichen Datenbank mit der QS-Datenbank. Nur dürfe es nicht zu einer doppelten Erfassung der Daten kommen. Anders als in der Novelle vorgesehen, sprach er sich dafür aus, dass auch Tierärzte relevante Daten in eine solche Datenbank eingeben müssen. Aktuell seien insgesamt 4.059 Geflügelmastbetriebe und 25.227 landwirtschaftliche Betriebe mit Schweinemast in der QS-Datenbank registriert. Sämtliche Stammdaten für die Betriebe würden bereits in der Datenbank vorliegen. Für Geflügel erhebe QS die Antibiotikaverschreibungen seit April 2012. Bisher seien für 84 Prozent der Betriebe sämtliche Produktions- und Herdendaten erfasst. Für die Schweinemast erfolge die Datenerfassung seit September 2012. Die Angaben zum Antibiotikaeinsatz würden von den behandelnden Tierärzten in die QS-Datenbank eingegeben. Aktuell seien 925 Tierärzte für die Dateneingabe registriert.

Für die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) machte Susanne Mauersberg deutlich, dass die Sorge der Verbraucher über die Zunahme von Antibiotikaresistenzen steigt. Immer mehr resistente Keime würden auf Produkten gefunden. Allein mit einer Änderung des Arzneimittelgesetzes werden die Haltungsbedingungen in der Nutztierhaltung nach Ansicht Mauersbergs nicht verbessert und dadurch die Ursachen nicht bekämpft. Deshalb dürfe der Einsatz von Antibiotika nur ausnahmsweise und nur nach tierärztlicher Untersuchung im Rahmen einer Therapie und bei nachgewiesener bakterieller Infektion zulässig sein. Der Verband forderte ein Anwendungsverbot von Antibiotika in der Tiermedizin für Mittel, die im Humanbereich eingesetzt werden.

"Antibiotika sind ein wichtiges Instrument in der Hand von Arzt und Tierarzt und dürfen nicht verteufelt werden", sagte Prof. Dr. Jörg Hartung von der Stiftung Tierärztliche Hochschule, Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie. Seiner Ansicht nach sind die Gesundheitslehre und die Tierhygiene der "Schlüssel" zur Lösung vieler bestehender Probleme. Die Gesundheitsversorge in den vielen unterschiedlichen Haltungssystemen in Deutschland würde sehr stark von den Kenntnissen der Tierhalter abhängen. Insofern müsse auf die Ausbildung der Landwirte gesetzt werden, die sich bereits deutlich gebessert habe. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Gleichstellung als verbindliches Förderkriterium

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (21/790) die Bundesregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichstellung von Frauen und Mädchen im organisierten Sport in Deutschland deutlich zu verbessern.

  • Ausbau der digitalen Infrastruktur

    Die von der schwarz-roten Koalition geplante Novelle des Telekommunikationsgesetzes ist bei einer Mehrheit der Sachverständigen auf Zustimmung zu den Zielen und Kritik an Details gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses zum TKG-Änderungsgesetz 2025 bezeichnete eine Reihe von Sachverständigen den Entwurf als ein wichtiges Signal für die Branche.

  • Auskunft zum Cum/Ex und Cum/Cum

    Zum Stichtag 31. Dezember 2023 befanden sich 380 Verdachtsfälle zur Steuergestaltung bei Cum-Ex-Geschäften bei den Obersten Finanzbehörden der Länder und beim Bundeszentralamt für Steuern mit einem Volumen nicht anrechenbarer/erstatteter Kapitalertragssteuer inklusive Solidaritätszuschlag von rund 3,8 Milliarden Euro in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/548) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion die Linke (21/310).

  • Kosten der Vermeidung von CO2-Emissionen

    Keine konkreten Angaben zu den Kosten, die ihre Pläne zur Vermeidung von CO2-Emissionen verursachen, macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/715) auf eine Kleine Anfrage (21/296) der AfD-Fraktion. Zur Begründung verweist sie darauf, dass Deutschland zur Erreichung der Klimaschutzziele auf ein "breites Spektrum aufeinander abgestimmter Klimaschutzmaßnahmen" setze. Diese dienten neben der Minderung von Treibhausgasen auch der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, dem sozialen Ausgleich sowie der langfristigen Transformation hin zur Klimaneutralität. Die Ausgestaltung der Klimaschutzmaßnahmen gehe dabei über eine "kurzfristige, rein statische Betrachtung der CO2-Vermeidungskosten" hinaus.

  • Steuerung des Windenergieausbaus

    An der von den Koalitionsfraktionen geplanten Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED III) besteht Nachbesserungsbedarf. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses zu dem Gesetzentwurf "zur Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie (EU) 2023/2413 für Zulassungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz, zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes, zur Änderung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes und zur Änderung des Baugesetzbuchs" (21/568) deutlich.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen