Kampf gegen Sexismus im Blick


Umsetzung der Gleichstellung und Chancengleichheit der Geschlechter
Auseinandersetzung mit sexistischer Diskriminierung dürfe nicht allein in den privaten Bereich zurückgeschoben oder der freien Wirtschaft überantwortet werden



Die Notwendigkeit von Maßnahmen gegen Sexismus stand im Mittelpunkt einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Anhörung unter Vorsitz von Paul Lehrieder (CDU/CSU) geht auf einen Antrag der Fraktion Die Linke (18/8723) zurück, in dem die Deutschen Bundesregierung aufgefordert wird, in Abstimmung mit den Bundesländern einen bundesweiten Aktionsplan zu initiieren, der alle staatlichen Ebenen in die Pflicht nimmt und auch Expertinnen und Experten aus Theorie und Praxis mit einbezieht.

Unter der Überschrift "Sexismus die Rote Karte zeigen" heißt es darin, die Auseinandersetzung mit sexistischer Diskriminierung dürfe nicht allein in den privaten Bereich zurückgeschoben oder der freien Wirtschaft überantwortet werden. Komme der Staat seinen eigenen Schutzpflichten nicht nach, mache er sich mitverantwortlich. Ein entsprechender Aktionsplan sollte unter anderem Maßnahmen der geschlechtersensiblen Pädagogik, Maßnahmen im Bereich der medialen Darstellung, Maßnahmen gegen Sexismus in der Arbeitswelt, Maßnahmen zur Stärkung und Ausweitung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sowie Maßnahmen im Bereich Gewalt gegen Frauen umfassen.

Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, befasste sich in ihrem Statement mit der Stärkung und Ausweitung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Sie bezog sich auf eine Evaluation des AGG aus dem Jahr 2016 und Ergebnisse einer Kommission, die 2015 der Frage nachgegangen waren, wie Betroffene bessere vor Diskriminierung geschützt werden können. Notwendig seien danach eine Verlängerung der Geltendmachungsfristen, die Einführung eines Verbandsklagerechts, die Erweiterung des Schutzbereichs bei sexuellen Belästigungen, die Stärkung von Beschwerdemöglichkeiten, die Erleichterung der Beweislast sowie die Stärkung sowie personelle und finanzielle Absicherung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Prof. Dr. Sabine Sczesny vom Institut fur Psychologie der Universität Bern erklärte in ihrem Statement, in der deutschen Gesellschaft bestehe ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber, dass die Beseitigung von Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern zu den Prioritäten von Regierungen gehören sollte. Obwohl für viele gesellschaftliche Bereiche bereits wissenschaftlich fundierte Maßnahmen entwickelt worden seien, reichten die vorhandenen Gesetze und Maßnahmenkataloge nicht aus. Eine zeitnahe Umsetzung des geforderten bundesweiten Aktionsplans könne einen wesentlichen Schritt zu einer tatsächlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Deutschland darstellen.

Aus Sicht der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, vertreten durch Jutta Troost vom Deutschen Städtetag, stellt der in dem Antrag geforderte bundesweite Aktionsplan eine Bündelung aller bisherigen und noch auszuweitenden Maßnahmen dar, bietet aber keine weiteren Entwicklungsmöglichkeiten bei der Bekämpfung von Diskriminierungstatbeständen oder sexistischer Gewalt. Außerdem seien verschiedene Maßnahmen bereits in Bundesgesetzen umgesetzt oder befänden sich gerade in der Abstimmung. Es sollte zunächst zumindest eine Zeit abgewartet werden, ob diese Gesetze greifen.

Dr. Stevie Meriel Schmiedel, Geschäftsführerin Pinkstinks Germany e.V, stimmte in ihrem Statement allen Punkten des Antrags zu. Pinkstinks versteht sich als junge Protestorganisation, die gegen Produkte, Werbe- und Medieninhalte agiert, die Kindern eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen. Dringend gebraucht wird Schmiedel zufolge eine bundesweite Aktion "Schule ohne Sexismus", um insbesondere Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern für Alltagssexismus zu sensibilisieren. Diese sollte - ähnlich wie die "Schule ohne Rassismus" - Teil eines bundesweiten Aktionsplans sein.

Prof. Dr. Gerd Bohner von der Abteilung für Psychologie der Universität Bielefeld, erklärte in seinem Statement, die im Antrag präsentierte Überlegung, dass es sich bei sexueller Belästigung und Gewalt gegen Frauen nur um die Spitze eines sexistischen Eisbergs handle, decke sich mit dem Stand der Forschung. Es sei zu erwarten, dass wirksame Maßnahmen gegen Sexismus auch zu einer Reduktion anderer gruppenbezogener Vorurteile beitragen und damit weitere wünschenswerte Effekte entfalten. Wichtig sei daneben die Förderung der Forschung zum Thema Sexismus.

Karin Nordmeyer, Vorsitzende U.N. Women Nationales Komitee Deutschland e.V., erklärte, der geforderte bundesweite Aktionsplan könne die Umsetzung der Gleichstellung und Chancengleichheit der Geschlechter voranbringen. Dafür bestehe auch in Deutschland noch Bedarf. Die im Antrag vorgeschlagenen Maßnahmen seien geeignet, in vielen gesellschaftlichen Bereichen ein Umdenken und eine Veränderung im Verhalten der Menschen herbeizuführen.

Dagmar Freudenberg vom Deutschen Juristinnenbund erklärte auf eine Frage nach Möglichkeiten, was die staatliche Seite tun könne, um sexistische Verhaltens- und Denkmuster zu durchbrechen, dass die Einführung einer flächendeckenden verpflichtenden Fortbildung für Juristen und Juristinnen geprüft werden sollte. In Nordrhein-Westfalen gebe es so etwas bereits. Denkbar seien auch Maßnahmen, um eine solche Fortbildung attraktiver zu machen. Hintergrund sei, dass in der Justiz die Begrifflichkeit des Sexismus nicht so geläufig sei. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 25.04.17
Home & Newsletterlauf: 11.05.17


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