Währungsunion und einheitliche Finanzaufsicht


Sachverständige: Euro-Turbulenzen sind "dritter Akt der globalen Finanzkrise"
Stabilität des privaten Finanzsystems habe von den überwiegend rein national operierenden Aufsichtsbehörden nicht gewährleistet werden können


(18.01.11) - Der Sachverständigenrat hält die Krise des Euro-Raums für den "dritten Akt der globalen Finanzkrise". In dem von der Bundesregierung als Unterrichtung (17/3700) vorgelegten Jahresgutachten 2010/11 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung werden umfassende Reformen der Europäischen Währungsunion verlangt.

Diese werde auf mittlere und längere Sicht nur eine Zukunft haben, wenn es ihr gelinge, ihren institutionellen Rahmen grundlegend zu reformieren. "Das derzeitige Regelwerk hat in drei Bereichen versagt", bilanzieren die Wissenschaftler. So sei die Stabilität der öffentlichen Finanzen nicht gesichert. Auch die Stabilität des privaten Finanzsystems habe von den überwiegend rein national operierenden Aufsichtsbehörden nicht gewährleistet werden können. Und in der Krise habe es sich als "sehr nachteilig" bemerkbar gemacht, dass der Vertrag von Maastricht über die No-bail-out-Klausel hinaus keinerlei Vorkehrungen für Krisenfälle getroffen habe.

Der Sachverständigenrat plädiert für die Errichtung von drei Säulen zur Verbesserung der Euro-Stabilität.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt müsse so reformiert werden, "dass Länder mit unzureichender Fiskaldisziplin konsequent sanktioniert werden".

Ein erheblicher Teil der Fehlentwicklungen sei auf die "ungezügelte Kreditvergabe" vor allem an private Unternehmen und Haushalte in Peripherieländern zurückzuführen. Daher benötige die Währungsunion eine einheitliche Finanzaufsicht, "die über umfassende Kompetenzen und Durchgriffsrechte verfügt".

Außerdem verlangen die Sachverständigen ein dauerhaftes Regelwerk für Krisenfälle. “Die Defizitländer an der Peripherie Europas stehen jetzt vor der großen Herausforderung, ihre sehr hohen Defizite abzubauen und ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich zu verbessern, ohne dabei über das Instrument der Abwertung zu verfügen", schreiben die Sachverständigen. Ein Erfolg der Bemühungen liege aber im Interesse aller Mitgliedsländer.

Zur deutschen Steuerpolitik heißt es in dem Gutachten: "Bis weit in die nächste Legislaturperiode hinein sind keine Spielräume für nennenswerte Steuersenkungen vorhanden." Die Steuerpolitik müsse sich auf solche Vorkommen beschränken, die entweder aufkommensneutral seien oder ein Mehraufkommen bringen.

Als möglichen "großen Wurf" bezeichnen die Gutachter die Neuordnung der Gemeindefinanzen. Die Gewerbesteuer solle abgeschafft und durch einen mit Hebesatzrecht ausgestatteten kommunalen Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer ersetzt werden, wird empfohlen.

Eine zweite Reformmöglichkeit wird im Bereich Umsatzsteuer gesehen: "Bei der Reform der Umsatzbesteuerung ist an eine Abschaffung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes bei gleichzeitiger aufkommensneutraler Senkung des Regelsatzes zu denken."

Zu den wirtschaftlichen Perspektiven in Deutschland heißt es in dem Gutachten, die wirtschaftliche Erholung werde an Fahrt verlieren. Die Sachverständigen erwarten einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr von 2,2 Prozent und einen Finanzzierungssaldo des Staates von minus 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Zahl der Arbeitslosen wird auf 2,968 Millionen geschätzt. (Deutsche Bundesregierung: ra)


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