Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Bundesarbeitsgericht

Auf- und Abstieg von Angestellten


Bundesarbeitsgericht (BAG) zum Anspruch auf Strukturausgleich nach Herabgruppierung
Das Vergütungssystem des TVöD sieht einen Bewährungs- oder Fallgruppenaufstieg und eine Vergütungserhöhung mit zunehmendem Lebensalter grundsätzlich nicht mehr vor

(29.04.11) - Im Vergütungssystem des BAT war bei Ausübung bestimmter Tätigkeiten nach Erfüllung der erforderlichen Bewährungszeit der Aufstieg des Angestellten in eine höhere Vergütungsgruppe vorgesehen (Bewährungsaufstieg). Ebenso konnten Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsordnung zu einem Aufstieg führen (Fallgruppenaufstieg). Die Höhe der Grundvergütung hing von der Vergütungsgruppe und von der erreichten Lebensalterstufe ab. Darüber hinaus waren familienstands- und kinderbezogene Entgeltbestandteile vorgesehen. Ortszuschlag der Stufe 2 erhielten u.a. verheiratete Angestellte, Ortszuschlag der Stufe 3 und der folgenden Stufen Angestellte, denen Kindergeld zustand, wobei sich die Stufe nach der Zahl der zu berücksichtigenden Kinder richtete.

Das Vergütungssystem des TVöD sieht einen Bewährungs- oder Fallgruppenaufstieg und eine Vergütungserhöhung mit zunehmendem Lebensalter grundsätzlich nicht mehr vor. Kinderbezogene Entgeltbestandteile werden nur noch gezahlt, wenn Besitzstandsregelungen Anwendung finden. Für aus dem Geltungsbereich des BAT in den TVöD übergeleitete Beschäftigte haben die Tarifvertragsparteien teilweise einen Strukturausgleich vereinbart, um Exspektanzverluste in Bezug auf die Höhergruppierung und die Vergütung nach Lebensaltersstufen abzumildern, und bestimmt, dass der Strukturausgleich ab dem 1. Oktober 2007 zu zahlen ist. Im TVÜ- Bund haben sie in einer Tabelle zu jeder "Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ" für bestimmte Lebensaltersstufen und die Stufe 1 sowie die Stufe 2 des Ortszuschlags jeweils die Höhe des Ausgleichsbetrags und die Dauer der Zahlung des Strukturausgleichs festgelegt.

Der in einem von der Bundesrepublik Deutschland geförderten Zentrum für Luft- und Raumfahrt beschäftigte Kläger erhielt bis zum Inkrafttreten des TVÜ-Bund am 1. Oktober 2005 Ortszuschlag der Stufe 4. Mit Wirkung zum 1. Juli 2007 wurde er von der Entgeltgruppe 15 in die Entgeltgruppe 14 TVöD herabgruppiert. Die Beklagte zahlte dem Kläger deshalb ab dem 1. Oktober 2007 keinen Strukturausgleich. Sie vertrat darüber hinaus die Auffassung, dem Anspruch des Klägers stehe entgegen, dass dieser bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund Ortszuschlag der Stufe 4 erhalten habe. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung des vom Kläger beanspruchten Strukturausgleichs iHv. monatlich 50,00 Euro brutto verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die tarifliche Stichtagsregelung stellt bezüglich der den Anspruch auf Strukturausgleich begründenden Voraussetzungen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVÜ-Bund ab. Fällt später eine Voraussetzung weg, hindert dies den Anspruch auf Strukturausgleich in der festgesetzten Höhe nur dann, wenn die Tarifvertragsparteien dies angeordnet haben. Dies ist bei Höhergruppierungen und Veränderungen der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Fall, nicht jedoch bei Herabgruppierungen. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfüllte der Kläger am Stichtag auch das Merkmal "Ortszuschlag Stufe 2".

Er wurde nur aufgrund seiner Unterhaltspflicht für zwei Kinder nicht der Stufe 2, sondern der Stufe 4 zugeordnet. Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht der Beklagten verheiratete Beschäftigte mit Kindern vom Anspruch auf Strukturausgleich ausnehmen wollen, hätten sie aufgrund der sachlich nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung gegenüber verheirateten Beschäftigten ohne Kinder die Grenzen ihrer Regelungsbefugnis überschritten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. April 2011 - 6 AZR 726/09 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 10. September 2009
- 5 Sa 85/09 -
(Pressemitteilung des BAG vom 14.04.11: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundesarbeitsgericht

  • "Abrufkraft Helferin Einlage"

    Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer Arbeit auf Abruf, legen aber die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht fest, gilt grundsätzlich nach § 12 Abs. 1 Satz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart.

  • Kündigungsschutz & Schwerbehinderung

    Ist eine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG geplant und schließen der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat darüber einen Interessenausgleich mit Namensliste, wird nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO vermutet, dass die Kündigung des in der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmers durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist.

  • Berechtigte Vertraulichkeitserwartung?

    Ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen.

  • Offene Videoüberwachung - Verwertungsverbot

    In einem Kündigungsschutzprozess besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Das gilt auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht.

  • Interessenkonflikte drohen

    Der Vorsitz im Betriebsrat steht einer Wahrnehmung der Aufgaben des Beauftragten für den Datenschutz typischerweise entgegen und berechtigt den Arbeitgeber in aller Regel, die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nach Maßgabe des BDSG in der bis zum 24. Mai 2018 gültigen Fassung (aF) zu widerrufen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen